Archiv der Kategorie: Pferd und Kauf

Zweieinhalb jähriger Hengst: „Neu“ oder „gebraucht“

BGH vom 09.10.2019, Az.: VIII ZR 240/18

Feststellungen: (a) Bei Tieren ist im Rahmen der Abgrenzung „neu“/“neu hergestellt“ und „gebraucht“ im Sinne der §§ 474 Abs. 2 Satz 2, 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB nicht nur eine nutzungs-, sondern auch eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmängelrisikos zu berücksichtigen (so bereits BGH vom 15.11.2006 – VIII ZR 3/06). Für die Frage, ab wann ein noch nicht genutztes Pferd nicht mehr als „neu“ zu bewerten ist, lassen sich keine allgemein gültigen zeitlichen Grenzen aufstellen. Jedenfalls – so der BGH – ist ein zum Zeitpunkt des Verkaufs weder gerittener noch angerittener und auch im Übrigen keiner sonstigen Verwendung (z.B. Nutzung zur Zucht) zugeführter knapp zweieinhalb Jahre alter Hengst, der seit längerer Zeit von der Mutterstute getrennt ist, infolgedessen über eine nicht unerhebliche Zeit eine eigenständige Entwicklung vollzogen hat und seit längerem geschlechtsreif ist, als „gebraucht“ im Sinne von § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB beziehungsweise als nicht „neu hergestellt“ im Sinne von § 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB anzusehen. (b) Eine Klausel in den Bedingungen einer Auktion eines als Kommissionär für den Eigentümer tätig werdenden Verkäufers eines „gebrauchten“ Pferdes, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für Ansprüche des Käufers wegen eines Sachmangels des im Rahmen einer Versteigerung nach § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB verkauften Pferdes auf drei Monate nach Gefahrübergang abgekürzt wird, hierbei indes die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a) und b) BGB beachtet, hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB stand.

MPS Pferderecht - Zur Frage, wann Pferde "neu" oder "gebraucht" sind

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Gutgläubiger Erwerb bei fehlendem Original der Eigentumsurkunde

LG BONN vom 30.07.2015, Az. 2 O 444/14

Feststellungen: Erhält der Käufer eines Pferdes nur eine Kopie der Eigentumsurkunde, die nur Angaben zum Züchter und zum Pferd enthält, nicht der zu Eigentümern oder Besitzern, handelt er nicht grob fahrlässig i. S. des § 932 Abs. 2 BGB (gutgläubiger Erwerb), sofern ihm nicht weitere Umstände Anlass zu Misstrauen geben müssen.

Aus den Gründen (Leseziffer 37 ff.): Die Beklagte hat das Eigentum am Pferd durch Einigung und Übergabe gemäß § 929 S. 1 BGB erlangt. Ob derjenige, der das Pferd an sie veräußert hat, zuvor Eigentum erlangt hatte, kann offen bleiben. Selbst wenn Herr E oder Herr C2 infolge Kenntnis der Umstände nicht selbst das Eigentum am Pferd erlangt hatten, konnte der Verkäufer der Beklagten dennoch Eigentum verschaffen. Denn die Beklagte hätte in dem Falle gutgläubig von einem Nichtberechtigten erworben. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den zwischen dem Kläger und den Herren T und N vereinbarten Eigentumsvorbehalt kannte, sind weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich. Der Pferdehändler E hat im Strafverfahren als Zeuge nur bekundet, das Pferd sei nach C verkauft worden. Die Beklagte wohnte ausweislich der Anmeldebescheinigung ab 1995 bis 2011 in C. Insofern wäre ein Eigentumserwerb nur dann nicht erfolgt, wenn die Beklagte zum Zeitpunkt des Kaufs bezüglich der Eigentümerstellung des Verkäufers oder dessen Berechtigung zum Verkauf grob fahrlässig gehandelt hätte.

Einziger Anknüpfungspunkt für grob fahrlässiges Handeln ist der Umstand, dass die Beklagte zwar das Pferd und den Pferdepass erhielt, nicht aber die Eigentumsurkunde im Original, sondern nur eine Kopie. Diesem Umstand käme aber die den guten Glauben ausschließende Wirkung nur zu, wenn die Eigentumsurkunde, ausgestellt vom Zuchtverband des Per Pferdes e.V., das Eigentum des Klägers verbriefen würde. Dem ist aber nicht so. Denn die Eigentumsurkunde des Verbandes (vgl. Anlage K 2, Bl. … d.A.) enthält nur Angaben zum Pferd, nicht aber zum Eigentümer. Die Urkunde sieht vor, dass der Züchter eingetragen wird. Wer vom Züchter erworben hat bzw. später vom Erwerber wird in der Urkunde nicht eingetragen. Damit kommt der Eigentumsurkunde keine weitere Bedeutung zu als dem Pferdepass, es wird Auskunft über das Tier gegeben, nicht aber über die Eigentums- und Besitzverhältnisse. Insofern ist auch eine Analogie zu der Handhabung des gutgläubigen Erwerbs beim Kraftfahrzeug nicht möglich. Hier besteht weitgehend Einigkeit, dass dem Besitz der Zulassungsbescheinigung II (früher Kfz-Brief) Indizwirkung zukommt. Zwar gibt auch die Zulassungsbescheinigung nur Auskunft darüber, wer Halter ist. Halter- und Eigentümereigenschaft können aber auseinander fallen. Dennoch wird dem Besitz der Zulassungsbescheinigung indizielle Wirkung zugeschrieben, weil für An- und Abmeldung eines Kraftfahrzeuges die Vorlage der Zulassungsbescheinigung II Voraussetzung ist. Insofern lässt der Besitz an ihr mit dem Halternachweis den Rückschluss zu, dass eine Verfügungsberechtigung über das Kraftfahrzeug besteht (vgl. Münchener Kommentar/Oechsler, BGB-Kommentar, 6. Aufl. 2013, § 932 Rn: 53,).

Eine derartige Wirkung kommt der „Eigentumsurkunde“ beim Pferdeerwerb nicht zu. Es fehlt hier die Zuordnung der Sache zu einer Person.

Dem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Urkunde den Vermerk enthält „Die Eigentumsurkunde steht demjenigen zu, der Eigentümer des Pferdes i.S. des BGB ist. Sie ist daher bei Veräußerung des Pferdes zusammen mit dem ebenfalls zum Pferd gehörigen Pferdepass dem neuen Eigentümer zu übergeben und bei Tod des Tieres an den ausstellenden Verband zurückzugeben…“. Hieraus kann weder geschlossen werden, dass ein Eigentumserwerb nur möglich ist, wenn die Eigentumsurkunde mit übergeben wird, noch dass es grob fahrlässig ist, wenn beim Verkauf nicht auf der Aushändigung des Erwerbs bestanden wird. Es handelt sich letztlich hierbei nur um eine Vorgabe, die der Zuchtverband aufgestellt hat.

Selbst wenn man es anders sehen wollte, so kann hier nicht von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Auch wenn die Beklagte hier nur eine Kopie der Eigentumsurkunde erhalten hat und dies auch – was sie bestreitet – erkannt hat, so trug diese Kopie einen Aufkleber mit Barcode. Derselbe Aufkleber befand sich auf dem Pferdepass. Weitere Aufkleber war beifügt. Insofern hatten die Unterlagen einen autorisierten Charakter. Auf die Fragen, ob die Beklagte aufgrund ihres Alters (geb. 1990), ihre Wohnortes (C) oder ihrer Erfahrung mit Sportpferden überhaupt hätte argwöhnisch sein müssen, kommt es danach nicht an.

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Kaufvertrag über tragende Stute: Rücktritt aufgrund verweigerter Herausgabe des Fohlens

LG AURICH vom 24.04.2019, Az. 2 O 2019/18

Feststellungen: Erwirb der Käufer eine tragende Stute, hat er einen Verschaffungsanspruch nicht nur hinsichtlich der Stute, sondern auch hinsichtlich des Fohlens. Eine lediglich beschränkte Übereignung nur der Stute würde insoweit keine vollständige Erfüllung des Kaufvertrages bedeuten. Verweigert der Verkäufer die Übergabe des Fohlens und damit die Erfüllung (ausdrücklich oder konkludent) endgültig, bedarf es keiner weiteren Formalien, insbesondere keiner weiteren Fristsetzung vor der Erklärung des Rücktritts (§ 281 Abs. 2 BGB).

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Zur (Un-)Möglichkeit der Ersatzlieferung eines Pferdes

OLG KÖLN vom 23.08.2017, Az. 16 U 68/17

Feststellungen: (a) Beim Stückkauf ist eine Nachlieferung möglich, wenn die Kaufsache durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann. Dies ist der Fall, wenn nach dem Willen der Parteien bei Vertragsschluss die Kaufsache austauschbar ist. Beim Kauf gebrauchter Sachen entspricht die Austauschbarkeit generell nicht dem Willen der Parteien, weil die Auswahlentscheidung des Käufers auf einem Gesamtausdruck beruht, der gewöhnlich erst bei einer persönlichen Besichtigung gewonnen wird. Beim Kauf eines nach Besichtigung ausgewählten Tiers kommt die vor Vertragsschluss begründete emotionale Beziehung zwischen Käufer und Tier als Besonderheit hinzu. (b) Die Pflicht des Käufers zum Wertersatz nach Rücktritt vom Kaufvertrag entfällt nach § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 1. Alt. BGB, wenn der Verkäufer den Untergang der Kaufsache zu vertreten hat. Gleiches gilt nach der Risikoverteilung im Sinne des § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn der Verkäufer mit der Rücknahme der Kaufsache in Annahmeverzug ist.

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Zur Frage, wann Pferde „neu“ oder „gebraucht sind“

OLG SCHLESWIG vom 04.07.2018, Az.: 12 U 87/17

Feststellungen (Leseziffern 28-35): Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 den bloßen Zeitablauf als unerheblich angesehen, solange das Tier noch jung ist. Nach Auffassung des Senates ist der zum Zeitpunkt des Verkaufs zweieinhalb Jahre alte Hengst nicht mehr als jung und infolgedessen als „gebraucht“ im Sinne des Gesetzes anzusehen. Nach den Erfahrungen der Senatsmitglieder aus einer Reihe zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verfahren, die unter anderem die Rückabwicklung von Pferdekäufen, die körperliche Entwicklung von Pferden und das Schmerzempfinden von Pferden im Rahmen der Turniersportausbildung zum Gegenstand hatten und jeweils sachverständig begleitet wurden, ist festzustellen, dass ein Hengst in diesem Alter schon längere Zeit von der Mutterstute getrennt ist, infolgedessen über einen nicht unerheblichen Zeitraum eine eigenständige Entwicklung vollzogen hat und bereits seit längerem geschlechtsreif ist. Die Geschlechtsreife, die bei einem Hengst spätestens mit Vollendung des zweiten Lebensjahres eintritt, erhöht nach Auffassung des Senates bereits allein durch die im Tier zu diesem Zeitpunkt eingetretenen biologischen Veränderungen das Mängelrisiko beträchtlich. Wenngleich beispielsweise ein ungewollter Deckakt durch die Stallhaltung des Hengstes und Separierung von Stuten vermieden werden kann, verändert sich das Verhalten eines Hengstes allein durch den Eintritt der Geschlechtsreife gegenüber einem nicht geschlechtsreifen Tier erheblich. Hierzu sei angemerkt, dass der streitgegenständliche Hengst nach den bindenden Feststellungen im angefochtenen Urteil im Januar 2015 kastriert wurde. Zu berücksichtigen ist bei einem Zeitablauf von zweieinhalb Jahren ab Geburt schließlich auch, dass die Möglichkeit von nachteiligen Veränderungen des Tieres durch eine beispielsweise unzureichende Stallhaltung/Weidehaltung, Fütterung und tierärztliche Versorgung gegenüber einem deutlich jüngeren Tier bereits nicht unerheblich gestiegen ist. […] Eine Abgrenzung, die auf den erstmaligen Einsatz des Pferdes als Reitpferd abstellt, ist dagegen ungeeignet, weil hierdurch der Erwerber des Tieres das Risiko nachteiliger Veränderungen einseitig auf den Verkäufer abwälzen könnte, indem das Tier erst in sehr vorgerücktem Alter einer Zweckbestimmung zugeführt wird, nämlich die Entscheidung getroffen wird, ob das Tier als Sportpferd (Dressur, Military oder Springreiten) oder als reines Freizeitpferd eingesetzt werden soll. Letztlich bliebe auch offen, wie zu urteilen ist, wenn sich der Erwerber entschließen sollte, das Pferd überhaupt nicht als Reitpferd einzusetzen. Letztlich kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob das Pferd zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits die anatomischen und physischen Voraussetzungen für den Einsatz als Reitpferd besaß. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Tier insgesamt über einen längeren Zeitraum so vielen Umwelteinflüssen und äußeren Einwirkungen ausgesetzt war, dass das altersbedingte Sachmängelrisiko zum Verkaufszeitpunkt derart gestiegen war, dass das Tier nicht mehr als neu angesehen werden kann.

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