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Ausreiten mit Hund – Zum Mitverschulden einer Hundehalterin beim Scheuen eines Pferdes

OLG FRANKFURT AM MAIN vom 07.02.2018, Az.: 11 U 153/17

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Tierhalterhaftung lesenswert? Der Hinweisbeschluss betrifft einen Sachverhalt, wie wir ihn tagtäglich im Reiterleben beobachten. Reiter gehen mit ihren Pferden ins Gelände – und zwar in vierbeiniger Begleitung eines Hundes. Worüber sich viele aber wahrscheinlich noch keine Gedanken gemacht haben, ist die Frage, wer eigentlich wie haftet, wenn „doch mal nicht alles gut geht, und es zu einem Unfall“ kommt. Just mit dieser Konstellation hatte sich das OLG Frankfurt am Main zu beschäftigen.

Welche Feststellung hat das Gericht in seinem Hinweisbeschluss getroffen? Wird eine Gruppe erfahrener Reiter von dem Hund einer Reiterin begleitet, trifft die Hundehalterin keine Einstandspflicht aus Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 BGB, wenn das Pferd eines anderen Reiters beim Vorbeilaufen des sich unauffällig verhaltenden Hundes scheut, dann in einen Weidezaun läuft und wenn dieser Reiter dadurch den Halt verliert, abstürzt und sich dabei verletzt.

Wie hat das Gericht seinen Beschluss begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (abrufbar unter OLG Frankfurt a.M. r+s 2018, 501):

Zum einen muss der Kl. sich ein erhebliches Mitverschulden nach § 254 BGB durch die Realisierung der eigenen Tiergefahr des von ihm gerittenen Pferdes anrechnen lassen. Der Grundsatz, dass die auf Seiten des Geschädigten mitwirkenden Sach- und Betriebsgefahr den Ersatzanspruch beschränkt, gilt auch im Bereich der Tierhalterhaftung (vgl. Wagner in: MüKo BGB, 7. Aufl., § 833 Rn. 72; OLG Rostock, Urt. v. 10. 12. 2010 – 5 U 57/10, NJW-RR 2011, 280; OLG Saarbrücken, Urt. v. 14. 7. 2005 – 8 U 283/04, NJW-RR 2006, 969). Unstreitig rannte vorliegend das Pferd nach dem Scheuen im Zusammenhang mit dem Vorbeilaufen des Hundes in einen Weidezaun und erschrak sich daraufhin erneut. Erst zu diesem Zeitpunkt verlor der Kl. den Halt. Dies hatte die Bekl. im Rahmen der Klageerwiderung vorgetragen, ohne dass der Kl. die Angaben nachfolgend bestritten hat. Sie stehen darüber hinaus auch in Übereinstimmung mit den Bekundungen der Zeugin A. Auf Basis dieser Angaben wiegt die Tiergefahr des Pferdes des Kl. mindestens gleich hoch wie die des Hundes der Bekl.

Zum anderen erlangt vorliegend der Umstand, dass der Kl. auf eigene Gefahr einen Ausritt in Kenntnis des freilaufenden Hundes der Bekl. vorgenommen hat, Bedeutung. Dabei kann offenbleiben, ob dieser Gesichtspunkt ebenfalls im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB Bedeutung erlangt oder aber unter dem Gesichtspunkt eines Verhaltens gegen Treu und Glauben zum Ausschluss einer Haftung führt (vgl. hierzu näher BGH, ebenda). Ein Geschädigter handelt jedenfalls selbstwidersprüchlich, wenn er sich Risiken bewusst aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen und er bei Verwirklichung der besonderen Gefahr den Halter aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt (BGH ebenda). Soweit das Bewusstsein einer besonderen Gefährdung Voraussetzung ist (BGH ebenda), liegt dieses auch nach dem eigenen Vortrag des Kl. vor. Der Kl. wusste, dass der freilaufende Hund die Reitergruppe begleitete; er betont selbst, dass der Hund jedenfalls hätte angeleint sein müssen. Dass dies – aus seiner Sicht gefahrerhöhend – nicht der Fall war, war ihm bekannt.

Nach der nach höchstrichterlicher Rspr. in derartigen Konstellationen erforderlichen Interessenabwägung ist vorliegend von einem vollständigen Haftungsausschluss auszugehen. Sowohl der Kl. als auch die Bekl. handelten beim Ausritt im eigenen Interesse; sie nahmen in ihrer Freizeit an einem Vereinsausritt teil. Der Kl. schreibt selbst, dass eine Gefährdung durch den freilaufenden Hund äußerst fernlag. Dies lag zum einen daran, dass sein Pferd hundeerfahren war. Zum anderen verhielt sich der Hund nicht auffällig, sondern lief – auch nach dem klägerischen Vortrag – vollständig unauffällig mit der Reitergruppe bzw. in ihrer Nähe. Soweit der Kl. im Rahmen der Berufungsbegründung ausführt, er habe „nicht damit rechnen müssen, dass der Hund sich so verhält, dass er sein Pferd erschreckt“, liegt das „so verhalten“ des Hundes allein im Vorbeilaufen am klägerischen Pferd mit einem Abstand von 2 m. Dieses Verhalten war bereits bei Antritt des Auftrittes vorhersehbar und für einen freilaufenden Hund typisch. Darüber hinausgehende erhöhte gefahrträchtige Verhaltensweisen des Hundes ergeben sich auch aus der Berufungsbegründung nicht.

Berücksichtigt man darüber hinaus das mindestens mit 50 % zu bewertende Mitverschulden der eigenen Tiergefahr, die sich durch das Erschrecken des Pferdes nach dem Zusammenstoß mit dem Zaun realisierte, erscheint es angemessen, dass der Verursachungsbeitrag der Bekl. als Halterin des Hundes vollständig zurücktritt (vergleichbar auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 14. 7. 2005 – 8 U 283/04, NJW-RR 2006, 969).

MPS Pferderecht - Zur Frage, wann Pferde "neu" oder "gebraucht" sind

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Zur Anrechnung der Tiergefahr des eigenen Hundes bei Biss eines fremden Hundes

OLG KARLSRUHE vom 18.09.2019, Az. 7 U 24/19

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Haftung lesenswert? Die Entscheidung verdient Beachtung, weil sie zutreffend und rechtlich sauber herausstellt, dass es für die Anrechnung eines quotalen Mitverschuldens des Halters des verletzten Tieres – dies erst recht nicht für ein pauschales 50:50 – genügt, dass sein Tier „irgendwie da war“. Vielmehr muss es ein mitursächliches Verhalten des verletzten Tieres gegeben haben. Auch wenn es sich in der Entscheidung um einen Hund gehandelt hat, lassen sich die Grundsätze auf Pferde übertragen!

Feststellungen: (a) Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung des § 833 S. 1 BGB liegt in dem unberechenbaren oder aber auch instinktgemäßen selbsttätigen tierischen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, also der verwirklichten Tiergefahr. Diese setzt grundsätzlich ein über die bloße physische Anwesenheit hinausgehendes Verhalten des Tieres voraus.  (b) Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich (in konkreten Fall eines Hundes), so muss sich der Geschädigte dies entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 S. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen.

Aus den Gründen (mit Angabe der Leseziffern): (12 ff.) Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung des § 833 S. 1 BGB liegt in dem unberechenbaren oder aber auch instinktgemäßen selbsttätigen tierischen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, also der verwirklichten Tiergefahr. Diese setzt grundsätzlich ein über die bloße physische Anwesenheit hinausgehendes Verhalten des Tieres voraus.  Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 S. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen. (17) Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 S. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen (BGH, Urteil vom 31.05.2016, VI ZR 465/15, bei juris Rn. 9).

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Ausritt bzw. Handeln auf eigene Gefahr (Reiter vs. Hundehalter)

OLG Frankfurt am Main vom 07.02.2018, AZ.: 11 U 153/17

Zu konfligierenden Ansprüchen aus Tierhalterhaftung, wenn Pferd durch vorbeilaufenden Hund erschreckt wird (Handeln auf eigene Gefahr)

Feststellungen: (a) Wer in Kenntnis eines freilaufenden Hundes an einem gemeinsamen Ausritt teilnimmt, kann den Hundehalter nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn sich das Pferd beim Vorbeilaufen des Hundes erschreckt (Gesichtspunkt: Handeln auf eigene Gefahr). (b) Es stehen dem Reiter Ansprüche gegen den Hundehalter aus Tierhalterhaftung nach § 833 BGB nicht zu, wenn sich dieser bewusst und freiwillig den Risiken aussetzt, die durch einen mitlaufenden Hund beim Ausritt resultieren. Solange der Hund sich nicht gefahrträchtig verhält, treten etwaige Verursachungsbeiträge des Hundehalters, die zum Scheuen des Pferdes und in der Folge zu Schäden am Reiter geführt haben, gänzlich hinter die selbst vom Reiter geschaffenen Gefahrenmomente zurück. Dem Reiter wird die Tiergefahr des von ihm gerittenen Pferdes im Rahmen des Mitverschuldens voll angerechnet.

Lesen Sie doch auch einmal weitere Beiträge, u.a. den folgenden zum Thema Handeln auf eigene Gefahr bzw. Zusammentreffen von Hund und Pferd.

MPS Pferderecht - Handeln auf eigene Gefahr - zu konfligierenden Ansprüchen aus Tierhalterhaftung, wenn Pferd durch vorbeilaufenden Hund erschreckt wird

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