LG SAARBRÜCKEN vom 30.04.2015, Az. 13 S 181/14
Wozu enthält das Urteil Feststellungen:
- u.a. dazu, dass § 309 Nr. 9 lit. c), wonach zu Lasten des anderen Vertragsteils eine längere Kündigungsfrist als drei Monate vor Ablauf der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer in formularmäßigen Verträgen unzulässig ist, bei Pferdeeinstallungsverträgen zur Unwirksamkeit der Kündigungsklausel führen kann.
- auch dazu, dass Dienstberechtigte – wie der Pensionsbetreiber – sich grundsätzlich (vgl. § 615 Satz 2 BGB) den Wert desjenigen anrechnen lassen muss, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung – so z.B. nach Kündigung respektive Herausnahme des Pferdes aus der Einstallung – erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
Im Einzelnen aus dem Wortlaut des Urteils:
[II. 3. c) bb)] Von der Regelung des § 309 Nr. 9 c BGB werden auch Kündigungsbestimmungen wie die vorliegende [im konkreten Fall war im Einstallungsvertrag folgende Klausel aufgenommen: „Eine ordentliche Kündigung ist im ersten Einstelljahr ausgeschlossen. Ab dem zweiten Einstelljahr ist eine Kündigung mit einer Frist von drei Monaten nur bis zum 31.03. möglich.“), bei der zwar eine Kündigungsfrist von 3 Monaten beachtet, die Kündigung aber nur für einen Termin im Jahr zugelassen wird (hier 31.03.; vgl. KG, MDR 2009, 677; LG Potsdam, VuR 1997, 182.; AG Hamburg-Altona, MDR 1982, 55; AG Hamburg, NJW-RR 1998, 1593 mit zust. Anm. Basedow, VuR 1998, 275; MünchKomm-BGB/Wurmnest, BGB, 6. Aufl., § 309 Rn. 19; Palandt/Grüneberg aaO § 309 Rn. 93; Erman/Roloff, BGB, 14. Aufl., § 309 Rn. 130). Der Grund hierfür liegt darin, dass sich bei diesen Vertragsgestaltungen genau das von § 309 Nr. 9 c BGB ins Auge gefasste Risiko verwirklicht, dass sich der Vertrag bei Versäumung der Kündigung um einen Zeitraum verlängert, welcher erheblich über den Umfang des Versäumnisses hinausgeht (KG aaO m.w.N.). Dem steht nicht entgegen, dass es sich hier um ein unbefristetes Dauerschuldverhältnis handelt. Obwohl die Regelung des § 309 Nr. 9 c BGB im unmittelbaren Anwendungsbereich keine unbefristeten Verträge erfasst, gelten die vorstehenden Überlegungen hier entsprechend. Insoweit ist anerkannt, dass § 309 Nr. 9 c BGB in unbefristeten Verträgen entsprechende Anwendung findet, wenn – wie hier – die Klausel eine bestimmte Kündigungsfrist mit bestimmten Kündigungsterminen kombiniert (vgl. KG aaO; AG Hamburg aaO; Wolf/Lindacher/Dammann, AGB-Recht, 5. Aufl, § 309 Rn. 9 Rn. 75). Ohne dass es einer abschließenden Entscheidung bedarf, wie der zwischen den Parteien abgeschlossene Pferdeeinstellvertrag zu typisieren ist, begegnet es auch keinen Bedenken, auf diesen Vertrag die Regelung des § 309 Nr. 9 c BGB anzuwenden (zur vertraglichen Typisierung von Pferdeeinstellverträgen als entgeltlicher Verwahrungsvertrag OLG Schleswig, OLG-Report 2000, 248; OLG Oldenburg, MDR 2011, 473; OLG Brandenburg, OLG-Report 2007, 85; LG Ulm, NJW-RR 2004, 854; AG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2004 – 27 C 9755/03, juris; AG Menden, NJOZ 2010, 717; AG Lehrte, Urteil vom 11.05.2010 – 9 C 857/09, juris; Staudinger/Reuter, BGB, Neubearbeitung 2006, Vorbem. zu §§ 688 Rn. 27; MünchKomm-BGB/Henssler, BGB, 6. Aufl., § 688 Rn. 57; Barnert, Agrar- und Umweltrecht 2009, 349, 350; a.A. AG Osnabrück, RdL 2009, 209; AG Grünstadt, Urteil vom 22.07.2010 – 3 C 116/10, juris; Häublein, NJW 2009, 2982, 2983 f. [typengemischter Vertrag]). Die Regelung des § 309 Nr. 9 BGB will verhindern, dass die Vertragsdauer als das für die ständige Neuentstehung gegenseitiger Vertragspflichten im Dauerschuldverhältnis maßgebende Kriterium vom Verwender unangemessen lang festgesetzt und mittels seiner AGB dem Vertrag zugrunde gelegt wird (Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., § 23 Rn. 47 zu dem inhaltsgleichen § 11 Nr. 12 AGBG a.F.; vgl. auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 7/3919, S. 37; BT-Drs. 40/6040, S. 160; Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., § 309 Rn. 1; Staudinger/Coster-Waltjen BGB, Neubearbeitung 2013, § 309 Rn. 1). Dieser Schutz des Kunden ist insbesondere bei der regelmäßigen Erbringung von Dienstleistungen erforderlich, um die automatische bzw. stillschweigende Verlängerung des Vertrages zu verhindern und den Kunden nicht zu verpflichten, länger als drei Monate vor Ablauf der Vertragszeit an eine Beendigung denken zu müssen (vgl. jurisPK-BGB/Lapp/Salamon, 7. Aufl., § 309 Rn. 181). Geht man davon aus, dass der Begriff der Dienstleistung im Sinne des § 309 Nr. 9 c BGB weit zu verstehen ist (vgl. Staudinger/Coester-Waltjen aaO § 309 Rn. 13; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 309 Rn. 11), ist dieser Zweck durch die vorliegende Vertragsgestaltung unmittelbar betroffen. Nach dem Vertrag trifft den Beklagten insbesondere die wiederkehrende Pflicht, die tägliche Versorgung des in Obhut genommenen Pferdes sicher zu stellen und morgens zum Weidegang bzw. abends zum Unterstellplatz zu führen (§ 2 des Vertrages). Damit enthält der Vertrag aber die Pflicht zur Erbringung von regelmäßigen Leistungen mit Dienstcharakter (vgl. auch Saarländisches Oberlandesgericht, OLG-Report 2007, 796), die eine (zumindest entsprechende) Anwendung des § 309 Nr. 9 c BGB rechtfertigen. [II. 3. d)] Anders als die Berufung meint, muss sich der Kläger keine ersparten Aufwendungen anrechnen lassen. Zwar begegnet es im Hinblick auf die Heranziehung der dienstvertraglichen Regelungen des § 621 BGB keinen Bedenken, auf die vorliegende Fallgestaltung auch die Vorschrift des § 615 Satz 2 BGB anzuwenden, wonach der Dienstberechtigte sich den Wert desjenigen anrechnen lassen muss, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Allerdings geht die Kammer im Rahmen ihres Schätzungsermessens nach § 287 ZPO davon aus, dass der Kläger keine Aufwendungen erspart hat (zur Anwendung des § 287 ZPO bei § 615 Satz 2 BGB vgl. BGH, Urteil vom 06.02.2014 – III ZR 187/13, NJW 2014, 1955; BAG, Urteil vom 15.09.2011 – 8 AZR 846/09, AP Nr. 10 zu § 280 BGB; OLG Celle, NJW-RR 1995, 165). Dabei berücksichtigt die Kammer zum einen, dass es wegen der zwischen den Parteien vereinbarten Offenstallhaltung mit Weidegang im fraglichen Zeitraum (Juli 2010) zu keinen nennenswerten Ersparnissen des Klägers hinsichtlich der Versorgung des Pferdes gekommen ist. Zum anderen kann dem Kläger angesichts des weniger als 1 Monat betragenden Zeitraums zwischen der Herausnahme des Pferdes bzw. dem Zugang der Kündigungserklärung und dem Vertragsende nicht vorgehalten werden, dass er seine Dienste nicht anderweitig gewinnbringend eingesetzt hat. Liegt danach schon substantiell keine Ersparnis im Sinne des § 615 Satz 2 BGB vor, bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob der zwischen den Parteien vereinbarte formularmäßige Ausschluss des Ersatzes ersparter Aufwendungen zulässig ist (zu den Grenzen der formularmäßigen Abbedingung von § 615 Satz 2 BGB vgl. Erman/Belling, BGB, 14. Aufl., § 615 Rn. 49 m.w.N.).Lesenswert zum Abzug ersparter Aufwendungen des Pensionsbetreibers für Einstreu, Futter & Co. auch AG Grünstadt vom 22.07.2010 (Az.: 3 C 116/10) mit folgenden Feststellungen:
- Bei Nichtinanspruchnahme vertraglicher Leistungen (im konkreten Fall wegen fristloser Kündigung des Einstallungsvertrags) hat sich der Pensionsbetreiber bei unstreitiger Abwesenheit des Pferdes seine ersparten Aufwendungen für Einstreu, Wasser und Futtermittel grundsätzlich in Abzug bringen zu lassen.
- Die Höhe ersparter Aufwendungen unterliegt grundsätzlich der gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO, wobei stets substantiiert darzulegen ist, wofür diese in Ansatz zu bringen sind.
- Der Ansatz eines pauschalen Abzugs von 33,33% für ersparte Aufwendungen erscheint in jedem Fall angemessen.
Ferner auf der Linie des LG Saarbrücken LG Wuppertal vom 23.05.2017 (Az. 16 S 63/16) mit folgenden Feststellungen (BeckRS 2017, 112392 Rn. 22 ff.) bezogen auf dortigen Fall:
„Von dieser Forderung sind entgegen der Auffassung der Beklagten keine ersparten Aufwendungen abzuziehen. Das vorliegend vereinbarte Entgelt enthielt sicherlich einen allerdings nicht bezifferten Anteil für die Fütterung der Stute. Es kommt deshalb grundsätzlich durchaus in Betracht, ersparte Aufwendungen abzuziehen (§ 615 Satz 2 BGB analog). Zu Recht hat aber das Amtsgericht ersparte Aufwendungen im Ergebnis verneint. Im Einzelnen:
Hinsichtlich des vereinbarten Kraftfutters hat sich in der Anhörung der Parteien vor der Kammer ergeben, dass dieses Kraftfutter (Hafer) von der Beklagten ohnehin nicht in Anspruch genommen worden war, so dass die Kläger durch den vorzeitigen Auszug der Stute aus dem Stall insoweit nichts erspart haben.
Soweit die Beklagte mit der Berufungsbegründung geltend macht, mit der am Ende des Sommers nahezu abgefressenen Weide habe eine ausreichende Versorgung des Pferdes nicht gewährleistet werden können, sind die Kläger dem entgegengetreten. Sie haben erwidert, sie hätten in Bezug auf Heu bzw. Heulage nichts erspart, da im September und Oktober noch Weidesaison ist; es sei erstinstanzlich völlig unstreitig gewesen, dass Zufütterung erst nach dem Spätherbst und im Winter erfolgte. Bei diesem Streitstand vermag die Kammer nicht zur ihrer vollen Überzeugung festzustellen, dass die Kläger durch den vorzeitigen Stallwechsel der Stute etwas erspart hätten. Vielmehr erscheint es durchaus plausibel, dass im September und Oktober die Pferde auch auf der Weide noch genügend frisches Gras fressen können. Dass Zufütterung mit Heu bzw. Heulage in diesem (gesamten?) Zeitraum zwingend erforderlich gewesen und mit einem bestimmbaren, notfalls zu schätzenden Betrag zu bemessen wäre, ist nicht mit hinreichender Substanz vorgetragen und auch nicht unter Beweis gestellt.
Dass schließlich die Stute in diesen beiden Monaten die Weide nicht abgefressen bzw. sich daran nicht beteiligt hat, ist zwar in der Sache unbestreitbar, aber aus den vom Kläger dargestellten Gründen kein Aufwand, den die Kläger erspart hätten. Vielmehr wächst das Gras ohnehin im nächsten Frühjahr wieder nach ungeachtet des Maßes der Abweidung im Herbst.“
Fazit: Der Pensionsstallbetreiber muss sich ersparte Aufwendungen grundsätzlich anrechnen lassen. Dies allerdings nur und soweit, wie im Einzelfall auch tatsächlich Aufwendungen (Fütterung, Misten, etc.) erspart wurden. Der Maßstab des AG Grünstadt gibt bezüglich der Höhe der anzurechnenden ersparten Aufwendungen einen Rahmen vor. Es ist jedoch, wie sich aus den genannten Gerichtsentscheidungen ergibt, im Falle einer Anspruchstellung gegenüber dem Pensionsstallbetreiber dringend anzuraten, darzulegen, inwiefern zuvor vertragsgemäß anfallende Aufwendungen in Bezug auf das jeweilige Pferd nach dessen Weggang weggefallen („erspart“) wurden.
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