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Zur Tierhalterhaftung des Pferdebesitzers und zum Mitverschulden eines Bereiters

OLG SCHLESWIG vom 12.06.2015, Az. 17 U 103/14

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Haftung und Beritt lesenswert? Die Entscheidung verdeutlicht, warum mit der Übernahme des Beritts eines Pferdes nicht per se über die Grundsätze des Handels auf eigene Gefahr eine Haftung des Halters des Pferdes aus § 833 BGB ausgeschlossen ist. Auch liefert die Entscheidung eine anschauliche Darstellung dazu, wann ein Bereiter als Tieraufseher bzw. Tierhüter i.S.d. § 834 BGB anzusehen ist.

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) Wer als selbstständiger Bereiter „Problempferde“ bereitet und hierbei einen Unfall erleidet, kann den Pferdehalter grundsätzlich auch dann aus Tierhalterhaftung nach § 833 BGB in Anspruch nehmen, wenn bei besonders problematischem Verhalten des Pferdes der Tierhalter ihm konkret das weitere Bereiten anheimgestellt hat. Denn allein hierdurch wird der Bereiter nicht aus dem Vertragsverhältnis zum Pferdehalter entlassen und handelt daher auch nicht „auf eigene Gefahr“. (b) Reitet der Bereiter in einer derartigen Situation dennoch und wird er vom Pferd abgeworfen, kann allerdings sein Schadensersatzanspruch in Anwendung des § 254 BGB (im konkreten Fall auf 50 %, da der Bereiter das Pferd am Unfalltag beritten hatte, obwohl dieses an diesem Tag erkennbar widerwillig war und der Bereiter von der Besitzerin explizit auf diesen Umstand hingewiesen worden war) zu kürzen sein.

Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Im Fall des OLG Schleswig war der Kläger der private Krankenversicherer eines als selbstständiger Bereiter und Reitlehrer tätigen Pferdefachwirtes. Dieser hatte mit der Beklagten Halterin des Pferdes einen Vertrag geschlossen, nach dem er das Pferd „S“ ausbilden und ihm vorhandene Unarten wie Schlagen, Buckeln und Steigen abgewöhnen sollte. Nachdem der Bereiter das Pferd bereits vier Monate ausgebildet und mit diesem auch an Turnieren teilgenommen hatte, sollte am Tag des Unfalls, eine weitere Unterrichtseinheit erfolgen. Die Beklagte longierte das Pferd vor dem Bereiten, wobei für diese und den Bereiter erkennbar war, dass das Pferd an diesem Tag wiederum bockte und stieg. Die Beklage bot dem Bereiter darauf an, das Pferd an diesem Tag nicht zu reiten oder es zunächst weiter zu longieren. Der Bereiter erklärte gegenüber der Beklagten jedoch, er müsse die Konfrontation mit dem Pferd eingehen, um den bisherigen Ausbildungserfolg nicht zu gefährden. Als der Bereiter das Pferd im Anschluss ritt, schlug es aus, buckelte und stieg über einen Zeitraum von etwa 10 Minuten hinweg, bis es zum Abwurf kam. Der Bereiter schlug mit dem Kopf auf dem Hallenboden auf und zog sich Frakturen im HWS-Bereich zu, wodurch Heilbehandlungskosten i.H.v. EUR 76.521,84 entstanden sind.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (abrufbar im Volltext unter r+s 2016, 98) mit Angabe der Leseziffern:

(16) 1. Die Bekl. hat für den Schaden in Form der entstandenen und künftig noch entstehenden Schäden aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung gem. § 833 BGB einzustehen. Dieser Anspruch ist gem. § 86 VVG auf die Kl. übergegangen. Die in § 833 BGB begründete Gefährdungshaftung des Tierhalters findet ihren Grund in dem unberechenbaren und selbstständigen Verhalten eines Tieres und der dadurch hervorgerufenen besonderen Gefährdung (BGH r+s 2014, 304 juris Rn. 5; BGH r+s 2006, 301, juris Rn. 7 mwN). Das plötzliche Buckeln und Hochgehen war ein solches, auf die unberechenbare Natur des Tieres zurückzuführendes, selbstständiges Verhalten des Pferdes S.

(17) a) Die Haftung der Bekl. ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr ausgeschlossen. Der VN hat sich zwar in Kenntnis der Unarten des Pferdes und des Umstandes, dass das Pferd am 30. 1. 2012 erkennbar unwillig und die Gefahr eines Abwurfs nicht fernliegend war, dazu entschlossen das Pferd zu bereiten. Dennoch kommt ein Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nicht in Betracht.

(18) Grundlage eines solchen Haftungsausschlusses ist der Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Verhaltens (BGH r+s 2006, 301. Nach der Rspr. des BGH wird im Rahmen der Tierhalterhaftung eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anerkannt. Der Umstand, dass sich ein Geschädigter der Gefahr eines Tieres selbst ausgesetzt hat, ist regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 254 BGB zu berücksichtigen (BGH r+s 2014, 304 juris Rn. 7; BGH r+s 2009, 295; BGH r+s 2006, 301. Bei Personen, die sich – wie hier der VN – aus beruflichen Gründen der Tiergefahr aussetzen, ist ein vollständiger Haftungsausschluss sowohl in Hinblick auf den Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als auch unter Schutzzweckerwägungen abzulehnen (BGH r+s 2014, 304, juris Rn. 9). Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt (BGH r+s 2009, 395, juris Rn. 9). Realisiert sich das mit der Berufsausübung eines Geschädigten notwendigerweise verbundene Risiko, so erweist sich eine Inanspruchnahme des Tierhalters nicht als widersprüchlich.

(18) So liegt es hier. Der VN wurde als Reitlehrer und Bereiter damit beauftragt das Pferd zuzureiten. Aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Bekl. bestand ein triftiger Grund das Pferd an dem Unfalltag zu bereiten und sich hierzu in den Gefahrenkreis des Tieres zu begeben. Der VN handelte somit nicht auf eigene Gefahr, sondern in Erfüllung seiner, der Tierhalterin gegenüber eingegangen vertraglichen Verpflichtung.

(20) Dass die Bekl. dem VN im vorliegenden Fall angeboten hatte, die Unterrichtsstunde auf einen anderen Tag zu verlegen, ändert hieran nichts. Hierdurch wurde der VN nicht aus seinem Vertragsverhältnis entlassen oder der Vertragszweck als solcher verändert. Der VN sah sich in dieser Situation – aus seiner Sicht – mit der Entscheidung konfrontiert, seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Bekl. zu erfüllen und seine Gesundheit einem aufgrund des damaligen Verhaltens des Pferdes erhöhten Risiko auszusetzen oder durch Abstandnahme von einem Beritt den Vertragszweck zu gefährden. Nachdem sich der VN in dieser Situation für die Erfüllung seiner Vertragspflichten entschieden hat, ist es nicht als treuwidrig anzusehen, wenn nunmehr die Kl. aus übergegangenem Recht gegen die Bekl. Ansprüche wegen der Folgen des Abwurfs geltend macht. Wenn sich die Bekl. ihrer Tierhalterhaftung in der damaligen Situation hätte entziehen wollen, hätte sie den VN anweisen müssen, das Pferd nicht zu bereiten, so dass der Inhalt des Vertragsverhältnisses verändert worden wäre. Den Zuritt des Tieres an diesem Tag in das fachmännische Ermessen des VN zu stellen, war hierfür nicht ausreichend.

(21) b) Der grundsätzlichen Tierhalterhaftung der Bekl. steht auch nicht entgegen, dass der VN das Pferd zum Unfallzeitpunkt selbst geritten hat noch, dass er von der Bekl. damit beauftragt wurde, das Pferd zu bereiten. Der VN könnte damit zwar als Tieraufseher iSv. § 834 BGB anzusehen sein (vgl. unter II. 2 b). Die Haftung des Tierhalters nach § 833 BGB greift grundsätzlich aber auch dann ein, wenn der Tieraufseher im Rahmen seiner Aufsichtsführung durch das betreute Tier verletzt wird (BGH r+s 2014, 304, juris Rn. 6).

(22) c) Die Haftung der Bekl. war auch nicht durch einen stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses abbedungen. Abgesehen von der erkennbaren Gefahrträchtigkeit der übernommenen Tätigkeit gab es keine weiteren Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf einen entspr. Willen der Parteien zulassen würden. Die bloße Gefahrträchtigkeit der Tätigkeit genügt aber nicht für die Annahme eines stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses. Darüber hinaus entspricht es auch nicht der Interessenlage der Parteien, dass derjenige, der sich im Interesse seines Auftraggebers der mit seinem Beruf notwendig einhergehenden Tiergefahr aussetzt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, den Tierhalter vollständig von dessen gesetzlicher Haftung entbindet. Dies gilt insbes. unter Berücksichtigung, dass hinter der Bekl. eine Versicherung steht. Ein Haftungsverzicht, der lediglich den Versicherer entlasten würde, entspricht idR nicht dem Willen der Parteien und ihrem wohlverstandenen Interesse (BGH r+s 1992, 373, juris Rn. 14).

(23) 2. Die Tierhalterhaftung der Bekl. aus § 833 BGB ist allerdings in Anwendung des § 254 BGB einzuschränken, weil den VN der Kl. bei der Entstehung des Schadens ein eigener Verursachungsbeitrag traf, der mit 50 % zu bewerten ist.

(24) a) Ein Mitverschulden des VN ist allerdings nicht bereits darin zu sehen, dass er die Aufgabe des Zureitens und damit eine besonders gefahrgeneigte Tätigkeit übernommen hat.

(25) Im Rahmen von § 254 BGB kann lediglich vorwerfbares bzw. unsachgemäßes Verhalten anspruchsmindernd in Ansatz gebracht werden (vgl. auch BGH r+s 1992, 373; BGH r+s 2009, 395, juris Rn. 15). Ein Verhalten ist dabei nur dann als vorwerfbar anzusehen, wenn sich ein Arbeitnehmer aus freier Willensentschließung in eine Gefahrenlage begeben hat, diese Gefahrenlage aber ebenso hätte meiden können (OLG Hamburg, VersR 1965, 1009; vgl. auch OLG Naumburg, VersR 2008, 704).

(26) Mit der Übernahme einer bestimmten Tätigkeit geht das Risiko einher, bestimmte Verletzungen zu erleiden. Hierfür hat der Auftraggeber idR nur einzustehen, wenn ihn seinerseits ein Verschulden trifft, so dass es interessengerecht ist, dem Auftragnehmer nicht gleichzeitig die Gefahrträchtigkeit der von ihm übernommenen Handlung entgegenzuhalten. Sofern der Auftraggeber – wie hier die Bekl. – ein Tierhalter ist, trifft diesen zwar unabhängig von eigenem Fehlverhalten eine Einstandspflicht für etwaige Schäden, die der vom ihm Beauftragte im Zusammenhang mit der Arbeit an bzw. mit dem Tier erleidet. Aus dem Gesetz lassen sich aber keine Anhaltspunkte ableiten, in diesem Fall ausnahmsweise das Berufsrisiko des Auftragnehmers im Rahmen eines etwaigen Mitverschuldens zu berücksichtigen. Allein der Umstand, dass der Auftraggeber einer verschärften Haftung unterliegt, kann nicht dazu führen, das mit der Übernahme einer Tätigkeit verbundene Risiko der eigenen Verletzung anders zu bewerten und hierin bereits ein Mitverschulden zu sehen.

(27) b) Auch die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des VN als Tierhüter an dem Abwurf selbst kommt nicht in Betracht. Grundsätzlich gilt allerdings, dass ein Tieraufseher, der sich wegen der eigenen Schädigung an den Tierhalter hält, im Rahmen des Mitverschuldens auch die Vermutung des eigenen Verschuldens nach § 834 Satz 1 BGB gegen sich gelten lassen muss (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 833 Rn. 21).

(28) Tierhüter ist derjenige, der durch Vertrag jedenfalls als Nebenpflicht die Führung der Aufsicht über das Tier für den Tierhalter und damit die Sorge übernommen hat, dass kein Dritter durch das Tier geschädigt wird (Wagner in MüKo/BGB, 6. Aufl., § 834 Rn. 3; Palandt/Sprau, aaO, § 834 Rn. 2). Bei Zugrundelegung einer eher formalen räumlichen Betrachtungsweise liegt es nahe, den VN nicht als Tierhüter anzusehen. Denn die Bekl. als Tierhalterin war unstreitig während der gesamten Unterrichtsstunde anwesend, so dass sich das Pferd damit noch in ihrem räumlichen Einflussbereich befand. Legt man hingegen eine eher funktionale Betrachtungsweise zugrunde, erscheint es näherliegend, den VN trotz der Anwesenheit der Bekl. als Tierhüter anzusehen. Denn zum Zeitpunkt des Abwurfs hatte der VN die alleinige Einflussmöglichkeit auf das Pferd und aufgrund seines überlegenen Wissens in Bezug auf Pferde hätte für die Bekl. auch kein Anlass bestanden, dem VN bei Problemen zu Hilfe zu kommen. Vielmehr hatte sie ihn gerade wegen ihrer Probleme mit dem Pferd beauftragt, diesem die Unarten abzugewöhnen.

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Zur Haftung des Tierhalters als Beteiligter bei Schädigung durch mehrere Pferde – Wann realisiert sich die Tiergefahr?

BGH vom 24.04.2018, Az.: VI ZR 25/17

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Tierhalterhaftung lesenswert? Der BGH hat klargestellt, dass es für die Annahme einer Haftung des Halters eines Pferdes nach § 833 BGB nicht genügt, dass sein Pferd „irgendwie dabei bzw. auf der Koppel/Weide anwesend“ war, sondern dieses nachweislich einen „aktiven Beitrag“ geleistet haben muss (siehe unten Rdn. 13). Der BGH hat in seiner Entscheidung daher die Klage gegen die Pferdehalterin abweisen müssen, weil eben nach den Feststellungen zum Sachverhalt nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das Pferd der Beklagten zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ganz unbeteiligt abseits stand.

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) Der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht auf die Verschuldenshaftung beschränkt, sondern erfasst auch die Gefährdungshaftung, insbesondere die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB. (b) „Beteiligter“ i.S.d. § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nur derjenige, dessen Tatbeitrag zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt hat und zur Herbeiführung der eingetretenen Verletzung geeignet war. Im Fall der Gefährdungshaftung bedarf es hierzu einer konkreten Gefährdung des Betroffenen, die geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen. (c) Im Fall der Tierhalterhaftung nach § 833 Satz 1 BGB ist für die Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Voraussetzung, dass sich in dem Verhalten aller als Schadensverursacher infrage kommenden Tiere (im konkreten Fall Pferde)  eine spezifische Tiergefahr gezeigt hat und dass diese spezifische Tiergefahr im Hinblick auf den eingetretenen Schaden kausalitätsgeeignet war.

Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Die Klägerin war Halterin einer Stute, die Beklagte Halterin eines anderen Pferdes. Beide Pferde waren auf demselben Hof untergestellt und wurden vom Stallbetreiber – wie an anderen Tagen auch – zusammen mit zwölf weiteren Pferden auf einen eingezäunten, unbeobachteten Sand- und Gras-Paddock gebracht. Als die Pferde am Abend in den Stall geholt wurden, lahmte die Stute der Klägerin und hatte am rechten hinteren Bein eine leicht blutende Wunde. Über Nacht traten starke Schwellungen auf. Eine daraufhin durchgeführte tierärztliche Untersuchung zeigte erhebliche Beinverletzungen. Die Klägerin verlangte Schadensersatz mit der Behauptung, ihre Stute sei kurz vor dem Zurückholen in den Stall von einem anderen Pferd getreten worden, weil die Herde auf dem Paddock in Unruhe geraten sei. Die Klägerin trägt vor, der Umstand, dass nicht feststehe, ob das Pferd der Beklagten ihre Stute getreten habe, könne nicht relevant sein.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (Mitgeteilt mit Anmerkungen von Professor Dr. Johannes Wertenbruch, Marburg, abrufbar unter NJW 2018, 3439):

(9) Wird durch ein Tier eine Sache beschädigt, so ist nach § 833 S. 1 BGB derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, wobei eine Sachbeschädigung im Sinne dieser Vorschrift auch dann vorliegt, wenn – wie im Streitfall – ein (anderes) Tier verletzt wird (§ 90 a S. 2 BGB; vgl. ferner Senat, BGHZ 67, 129 = NJW 1976, 2130). Die Gefährdungshaftung nach § 833 S. 1 BGB setzt allerdings voraus, dass sich im Unfall eine „spezifische“ oder „typische“ Tiergefahr desjenigen Tieres verwirklicht hat, dessen Halter in Anspruch genommen werden soll (vgl. nur Senat, BGHZ 67, 129 = NJW 1976, 2130, 130 mwN; NJW-RR 1990, 789 = VersR 1990, 796 [797]; NJW 1982, 763 [764]). Dies ist dann der Fall, wenn ein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbstständiges Verhalten des betreffenden Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat ursächlich geworden ist, wobei Mitursächlichkeit – wie sonst auch – ausreicht (Senat, NJW 2015, 1824 Rn. 12, mwN).

(10) a) Das BerGer. vermochte bereits nicht festzustellen, dass überhaupt ein Verhalten des Pferdes der Bekl. für die Verletzungen der Stute der Kl. ursächlich war. Weder konnte es sich davon überzeugen, dass das Pferd der Bekl. die Stute der Kl. getreten und deren Verletzung damit unmittelbar herbeigeführt hat. Noch vermochte es die Gewissheit zu erlangen, dass die Stute der Kl. im Rahmen einer allgemeinen Unruhe, an der das Pferd der Bekl. in jedenfalls mitursächlicher Weise beteiligt war, zu Schaden kam, weshalb auch eine – im Rahmen von § 833 S. 1 BGB ausreichende […] – mittelbare Verursachung der Verletzung der Stute der Kl. durch das Pferd der Bekl. nicht feststeht.

(11) b) Über die fehlende Feststellung eines für die Verletzung der Stute der Kl. ursächlichen Verhaltens des Pferdes der Bekl. Hilft § 830 BGB nicht hinweg. Zwar ist die Vorschrift – was das BerGer. nicht verkannt hat – im Rahmen der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB grundsätzlich anwendbar. Eine Anwendung der Vorschrift des 830 I 2 BGB scheitert im Streitfall aber daran, dass es sich bei der Bekl. nicht um eine Beteiligte im Sinne dieser Vorschrift handelt.

(12) aa) In der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 830 I 2 BGB nicht auf die Verschuldenshaftung beschränkt ist, sondern auch die Gefährdungshaftung erfasst, insbesondere die Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB […] Auch das Halten eines Tieres kann die den Schaden verursachende „Handlung“ iSv § 833 S. 1 BGB sein […].

(13) (Weitere) Tatbestandsvoraussetzung des § 830 I 2 BGB ist aber auch in diesem Fall, dass der in Anspruch Genommene „Beteiligter“ ist. Beteiligter ist dabei nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nur derjenige, dessen Tatbeitrag zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt hat und zur Herbeiführung der Verletzung geeignet war […] Nur mit diesem Verständnis des Begriffs des Beteiligten ist gewährleistet, dass § 830 I 2 BGB – seinem Zweck entsprechend – nur Kausalitätszweifel, nicht aber auch Zweifel darüber überbrückt, ob einem auf Schadensersatz in Anspruch Genommenen überhaupt eine rechtswidrige Handlung zur Last fällt, ob (auch) er also unerlaubt und mit Verletzungseignung in die Schutzsphäre des Betroffenen eingegriffen hat […]. Ein solcher Eingriff in die Schutzsphäre des Betroffenen liegt auch im Fall der Gefährdungshaftung noch nicht allein in dem – abstrakt gefährlichen – Verhalten, an das der jeweilige Gefährdungstatbestand anknüpft, wie etwa dem Halten eines Tieres im Rahmen von § 833 BGB oder dem Halten eines Kraftfahrzeugs im Rahmen von § 7 StVG, mag der Betroffene auch im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit diesem Verhalten verletzt worden sein […] Erforderlich ist vielmehr eine darüber hinausgehende, konkrete Gefährdung des Betroffenen, die geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu […] Im Fall der Tierhalterhaftung nach § 833, 830 I 2 BGB ist Voraussetzung, dass sich in dem Verhalten aller als Schadensverursacher infrage kommenden Tiere eine spezifische Tiergefahr gezeigt hat und dass diese spezifische Tiergefahr im Hinblick auf den eingetretenen Schaden kausalitätsgeeignet war […] Dementsprechend hat der erkennende Senat im Urteil vom 15.12.1970 (BGHZ 55, 100) darauf abgestellt, dass sich alle dort als mögliche Schadensverursacher in Betracht kommenden Reitpferde (gemeinsam) in einer Weise bewegt hatten, die geeignet war, den eingetretenen Schaden in vollem Umfang zu verursachen […].

(14) bb) Nach diesen Grundsätzen war die Bekl. auf der Grundlage der Feststellungen des BerGer. nicht Beteiligter iSv § 830 I 2 BGB. Denn das BerGer. vermochte nicht auszuschließen, dass das Pferd der Bekl. während des verletzungsursächlichen Vorgangs unbeteiligt abseits stand. In diesem Fall hätte die Bekl. aber nicht unerlaubt und mit Verletzungseignung in die Schutzsphäre der Kl. eingegriffen. Dass die Hufe des Pferdes der Bekl. beschlagen waren und das Pferd der Bekl. zusammen mit der verletzten Stute der Kl. auf dem eingezäunten Paddock untergebracht war, ändert daran entgegen der Auffassung der Revision nichts.

Vgl. auch: JuS 2018, 1239 (mitgeteilt v. Prof. Dr. Martin Schwab), RÜ 2018, 554 (m. Anm. Claudia Haak)

MPS Pferderecht - ZUR HAFTUNG DES TIERHALTERS ALS BETEILIGTER BEI SCHÄDIGUNG DURCH MEHRERE PFERDE

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Zur Tierhalterhaftung bei einer Reitbeteiligung

OLG NÜRNBERG vom 29.03.2017, Az.: 4 U 1162/13

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung zwischen Pferdehalterin und Reiterin, die es der Reiterin erlaubt, gegen Zahlung eines regelmäßigen Entgelts und Unterstützung im Stall an bestimmten Tagen selbstständige Ausritte mit dem Pferd machen zu dürfen, begründet keine Mithaltereigenschaft der Reiterin. (b) Eine solche Reitbeteiligung rechtfertigt auch dann nicht ohne weiteres die Annahme eines stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses, wenn Unfälle im Rahmen einer Reitbeteiligung vom Versicherungsschutz der Pferdehalterin ausgenommen sind. (c) Stürzt die Reiterin bei einem selbstständigen Ausritt und kann diese sich nicht entlasten, ist bei der Prüfung der Ersatzansprüche gegen die Pferdehalterin ein vermutetes Mitverschulden der Reiterin als Tieraufseherin anspruchsmindernd zu berücksichtigen. (d) Bei Unaufklärbarkeit der näheren Umstände des Sturzes können die Haftungsanteile der Halterin und der Reiterin gleich hoch, also 50:50, zu bewerten sein.

Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Im streitgegenständlichen Fall wünschte die Klägerin als gesetzliche Krankenversicherung einer Reiterin vom Gericht die Feststellung des Bestehens von Schadensersatzansprüchen ihres Mitglieds aufgrund eines Reitunfalls. Zwischen der Reiterin und der beklagten Eigentümerin des Pferdes bestand dabei eine Vereinbarung dahingehend, dass die Reiterin das Pferd an 3 Tagen die Woche nach Belieben ausreiten durfte und hierfür monatlich EUR 100 zu zahlen hatte. Kurzum: es wurde eine Reitbeteiligung vereinbart. Sodann kam es zum worst case-Szenario: die Reitbeteiligung stürzte bei einem Ausritt auf der Koppel vom Pferd und erlitt eine Querschnittslähmung. Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 12.4.2013, Az.: 12 O 7714/12) hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der klagenden Krankenversicherung dagegen hatte jedoch (zumindest) teilweise Erfolg.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (m. Leseziffern; mitgeteilt von der 4. Zivilkammer des OLG Nürnberg; veröffentlicht in NJW-RR 2017, 1173):

„16 B. Die Bekl. hat der Kl. aus übergegangenem Recht 50 % des Schadens und Aufwands zu ersetzen, der in der Kranken- und Pflegeversicherung aus dem Reitunfall vom 8.10.2009 der H entsteht und entstanden ist.

17 I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Prozessvoraussetzung einer Feststellungsklage ist neben den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen das schutzwürdige Interesse der Klagepartei an alsbaldiger Feststellung des Bestehens des behaupteten Rechtsverhältnisses, § 256 ZPO. Im vorliegenden Fall hat die Kl. in der Vergangenheit für ihr bei dem Reitunfall verletztes Mitglied H bereits Leistungen in einem Umfang erbracht, den sie bis zur Klageeinreichung mit 129.177,83 Euro beziffert. Da die Geschädigte bei dem Reitunfall eine Querschnittslähmung erlitten hat, ist auch in Zukunft mit Leistungen der Kl. für die Geschädigte in erheblichem Umfang zu rechnen. Es ist deshalb nicht möglich, den Schaden abschließend zu beziffern.

18 II. Die Bekl. hat als Halterin des Pferds S gem. § 833 S. 1 BGB den durch ihr Pferd verursachten Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Geschädigte am 8.10.2009 beim Reiten verunfallt ist und hierbei eine Querschnittslähmung erlitten hat. Die Haftung der Bekl. ist weder durch eine freiwillige Risikoübernahme der Geschädigten noch durch einen ausdrücklichen oder konkludenten Haftungsausschluss beschränkt oder ausgeschlossen. Der Umfang der Haftung ist jedoch auf die Erstattung der Hälfte der berechtigten Ansprüche reduziert, da es der Kl. nicht gelungen ist, die zulasten der Geschädigten als Tieraufseherin gem. § 834 S. 1 BGB sprechende Vermutung einer Pflichtverletzung und ihrer Ursächlichkeit für den Schaden zu entkräften. Die Abwägung der beiderseitigen Haftungsanteile in entsprechender Anwendung des § 254 BGB führt hier dazu, dass die Bekl. die Hälfte des Schadens zu tragen hat. Die in der Person der Geschädigten entstandenen Ansprüche sind gem. § 116 I 1 SGB X auf die Kl. übergegangen.

19 1. Die Kl. ist für die Geltendmachung des Feststellungsanspruchs aktivlegitimiert. Die Schadensersatzansprüche der Geschädigten aus dem Reitunfall sind gem. § 116 I SGB X auf die Kl. als gesetzliche Krankenversicherung übergegangen.

20 2. Die Bekl. war Halterin des Pferds S. Das Pferd war nicht dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt der Bekl. zu dienen bestimmt. Die Bekl. hat deshalb nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung gem. § 833 S. 1 BGB für den Schaden einzustehen, der durch das Pferd verursacht worden ist. Die Haftung des Pferdehalters aus § 833 I BGB gilt grundsätzlich auch zugunsten des Reiters, der durch die Tiergefahr des Pferds verletzt wird (stRspr, vgl. BGH, NJW 1977, 2158; NJW 1993, 2611; NJW 2013, 2661).

21 3. Die Geschädigte, die mit der Bekl. vereinbart hatte, das Pferd an einzelnen Tagen gegen Zahlung von monatlich 100 Euro selbstständig reiten zu dürfen, wurde hierdurch nicht zur (Mit-)Halterin des Pferds.

22 Die Vereinbarung einer derartigen „Reitbeteiligung“ ändert nichts an der Haltereigenschaft der Bekl. und begründet ebenso wie der Reitvorgang als solcher keine (Mit-)Haltereigenschaft der Geschädigten (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 21.6.2007 – 7 U 50/06, BeckRS 2008, 02817; OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2009, 894). Auch unter Zugrundelegung der eigenen Angaben der Bekl. zu den Einzelheiten der Vereinbarung, wonach die Geschädigte neben Zahlung des Entgelts an den Reittagen das Pferd auch füttern und den Stall ausmisten sollte, behielt die Bekl. auch an den Reittagen der Geschädigten das Bestimmungsrecht über das Tier. Die Bekl. gab vor, auf welchen Flächen die Geschädigte das Pferd reiten durfte und untersagte der Geschädigten, andere Personen auf dem Pferd reiten zu lassen. Die Stallkosten, die Pacht für die Koppel sowie die Kosten für Futter, Tierarzt und Versicherung wurden alleine von der Bekl. getragen. Das von der Geschädigten an die Bekl. zu zahlende Entgelt deckte nur einen geringen Teil der laufenden Kosten ab. An unvorhergesehenen Ausgaben, etwa im Falle einer Verletzung oder Krankheit des Tiers, war die Geschädigte ohnehin nicht beteiligt.

23 4. In dem Unfallgeschehen hat sich die spezifische Tiergefahr des Pferds verwirklicht.

24 Aufgrund der glaubhaften Angaben der Geschädigten zum Unfallhergang ist das Pferd beim Reiten auf der Koppel durchgegangen, nachdem die Geschädigte bereits eine gewisse Zeit in den Gangarten Schritt, Trab und Galopp geritten war. Aus der Lage der Zügel, die sich nach dem Sturz der Geschädigten über dem Kopf des Pferds befanden, kann geschlossen werden, dass die Geschädigte über den Kopf des Tiers gestürzt ist beziehungsweise abgeworfen wurde. Eine genauere Aufklärung des Unfallhergangs ist nicht mehr möglich, da die Geschädigte selbst nur noch lückenhafte Erinnerungen hat und weder der Zeuge H noch die Bekl. den Sturz beobachtet haben. Es bleibt daher auch unaufklärbar, aus welchem Grund das Pferd plötzlich losgerannt ist.

25 Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung liegt jedoch gerade in der typischen Tiergefahr, das heißt in dem der Natur des Tiers entsprechenden unberechenbaren selbstständigen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Rechtsgütern Dritter (BGH, NJW 2014, 2434). Dadurch, dass das Pferd aus Sicht der Geschädigten ohne erkennbaren Grund durchgegangen und plötzlich losgerannt ist, entstand für die Geschädigte aus dem Verhalten des Tiers eine schwer beherrschbare Gefahr, die sich schließlich in dem Sturz vom Pferd verwirklichte. Dabei kann es letztlich dahinstehen, ob sich die Geschädigte allein wegen des plötzlichen Loslaufens des Pferds nicht mehr im Sattel halten konnte oder ob das Pferd zusätzlich abrupt gestoppt oder sogar hinten hoch gegangen ist. Die typische Tiergefahr hat sich in jedem Fall verwirklicht. Anhaltspunkte für den von der Bekl. für möglich gehaltenen Unfallhergang, wonach das Pferd auf der Koppel stand, Gras fressen wollte und den Kopf gesenkt hat und die Geschädigte dabei vom Pferd gefallen sei, sind in der Beweisaufnahme nicht zutage getreten. Die Geschädigte als einzige Zeugin des Unfalls konnte diesen Hergang ausschließen.

26 Selbst ein denkbarer Reitfehler der Geschädigten, der zu dem plötzlichen Losrennen des Pferds oder zu dessen abruptem Stehenbleiben geführt haben könnte, würde nichts an der Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr ändern und kann nur bei der Prüfung des Mitverschuldens des Reiters zu berücksichtigen sein (BGH, NJW 1999, 3119).

27 5. Die Haftung der Bekl. ist weder durch eine freiwillige Risikoübernahme der Geschädigten noch durch einen ausdrücklichen oder konkludent vereinbarten Haftungsausschluss beschränkt oder ausgeschlossen.

28 a) Unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr oder der freiwilligen Risikoübernahme kann die Haftung des Pferdehalters dann entfallen, wenn sich der Geschädigte bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die über die normalerweise mit dem Reiten verbundene Gefahr hinausgeht (BGH, NJW 1992, 2474; NJW-RR 2006, 813; NJW 2013, 2661; OLG Hamm, NJW-RR 2001, 390). Derartigen, über die gewöhnliche Reitgefahr hinausgehenden Risiken (zB beim Zureiten, Dressur- oder Springreiten) hat sich die Geschädigte hier nicht ausgesetzt. Dass das Pferd nach den Bekundungen der Zeugin bereits früher einmal durchgegangen war, begründet kein besonderes, ungewöhnliches Risiko, zumal es der Geschädigten damals gelungen war, gefahrlos mit der Situation umzugehen. Eine besondere, über die gewöhnliche Tiergefahr eines Reitpferds hinausgehende Gefährlichkeit des Pferds S wird auch von der Bekl. nicht vorgetragen.

29 b) Die Bekl. hatte mit der Geschädigten keinen Haftungsausschluss vereinbart. Die Vereinbarung eines ausdrücklichen Haftungsausschlusses wird nicht behauptet. Auch die Annahme eines konkludenten Haftungsausschlusses ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des vorliegenden Falls und der Interessenlage der Bet. nicht gerechtfertigt.

30 Wegen der weitreichenden Konsequenzen kann von einem stillschweigenden Haftungsausschluss zwischen Pferdehalter und Reiter nur im Ausnahmefall ausgegangen werden. Die Qualifizierung der Überlassung des Pferds zum selbstständigen Reiten als „Reitbeteiligung“ rechtfertigt für sich genommen ebenso wenig die Annahme einer Haftungsfreistellung wie der Umstand, dass die Überlassung auch Elemente einer Gefälligkeit aufwies.

31 Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung oder die Überlassung des Pferds gefälligkeitshalber rechtfertigt im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur dann eine Haftungsfreistellung des Tierhalters, wenn die Überlassung des Tiers im besonderen Interesse des Geschädigten lag und dieser sich deshalb einem ausdrücklichen Ansinnen eines Haftungsverzichts, wäre es an ihn gestellt worden, billigerweise nicht hätte verschließen können (BGH, NJW 1992, 2474 mwN; NJW-RR 2017, 272 = r + s 2016, 424; OLG Schleswig, Urt. v. 29.2.2012 – 7 U 115/11, BeckRS 2013, 02597). Bei den hierbei anzustellenden Billigkeitserwägungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Pferdehalter gegen Haftpflicht versichert ist, denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Schädiger, sondern den Haftpflichtversicherer entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Willen der Bet. (BGH, NJW-RR 2017, 272 = NZM 2017, 303 = r + s 2016, 424).

32 Aufgrund der Angaben der informatorisch angehörten Bekl. und der als Zeugin vernommenen Geschädigten geht der Senat vorliegend davon aus, dass die Bekl. als Halterin des Pferds S mit der Geschädigten vereinbart hatte, dass diese jede Woche an einzelnen, jeweils zu vereinbarenden Tagen selbstständig das Pferd reiten durfte und hierfür nach Angaben der Geschädigten monatlich 100 Euro an die Bekl. bezahlen und bei Bedarf den Stall ausmisten sollte. Nach ihren eigenen Angaben war es der Bekl., die sich selbst nicht täglich um das Pferd kümmern konnte, vor allem wichtig, dass ihr Pferd an den vereinbarten Tagen bewegt und versorgt wird. Die Reitbeteiligung bestand seit Juli 2009, also seit circa dreieinhalb Monaten vor dem Unfall und kam dadurch zustande, dass die Bekl. ein entsprechendes Inserat in der Zeitung aufgegeben hatte. Die Bekl. hatte zur Deckung ihrer Haftpflicht als Pferdehalterin eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Nach den dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen war der Versicherungsschutz jedoch für die entgeltliche Überlassung des Pferds im Rahmen einer Reitbeteiligung ausgeschlossen. Über Versicherungsfragen wurde zwischen der Bekl. und der Geschädigten vor dem Unfall nicht gesprochen. Die Bekl. selbst ging auch nach dem Unfall davon aus, dass dieser von der abgeschlossenen Haftpflichtversicherung umfasst sei. Tatsächlich hat jedoch die Haftpflichtversicherung unter Berufung auf den vereinbarten Ausschluss für entgeltliche Reitbeteiligungen die Erfüllung von Ansprüchen der Geschädigten endgültig abgelehnt.

33 Anders als in der Fallgestaltung, die dem Urteil des OLG Nürnberg vom 27.6.2011 (MDR 2011, 1037 = BeckRS 2011, 19752) zugrunde lag, bestand vorliegend keine langjährige Reitbeteiligung im überwiegenden Interesse der Geschädigten mit untergeordneter Zahlungsverpflichtung der Geschädigten. Die Initiative für die Reitbeteiligung ging von der Bekl. aus, die sich selbst nicht ausreichend um ihr Pferd kümmern und dieses bewegen konnte und die sich hierfür die Unterstützung der Geschädigten versprach. Die Reitbeteiligung bestand vor dem Unfall erst seit circa dreieinhalb Monaten, das von der Geschädigten zu zahlende Entgelt von 100 Euro monatlich war nicht unbedeutend, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Geschädigte nach Angaben der Bekl. damals arbeitslos gewesen ist.

34 Wäre die Haftungsthematik zwischen den Bet. vor dem Unfall ausdrücklich zur Sprache gekommen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bekl., die ja selbst davon ausgegangen war, dass die von ihr abgeschlossene Haftpflichtversicherung etwaige Reitunfälle der Geschädigten umfassen würde, der Geschädigten einen Haftungsverzicht angesonnen hätte. Umgekehrt hätte auch die Geschädigte in diesem Fall aller Voraussicht nach auf einen Hinweis der Bekl. auf die bestehende Haftpflichtversicherung vertraut und hätte keine Motivation für einen Haftungsverzicht gehabt.

35 Doch selbst dann, wenn die Bekl. vor Abschluss der Vereinbarungen mit der Geschädigten zutreffend erkannt hätte, dass eine entgeltliche Reitbeteiligung vom Versicherungsschutz ihrer Haftpflichtversicherung nicht umfasst ist und sie dies der Geschädigten offengelegt hätte, hätte die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses eher fern gelegen. Näherliegender wäre es gewesen, den Versicherungsschutz um den „Baustein Reitbeteiligung“ zu erweitern, was nach der Mitteilung der Haftpflichtversicherung vom 27.10.2010 jederzeit möglich gewesen wäre. Der Abschluss der Pferdehalterhaftpflichtversicherung zeigt ja gerade, dass die Bekl. daran interessiert war, für die von ihrem Pferd verursachten Schäden Versicherungsschutz zu erlangen. Anhaltspunkte dafür, dass sie bei zutreffender rechtlicher Beurteilung gerade die Schäden ausnehmen hätte wollen, die der Geschädigten bei dem (auch) im Interesse der Bekl. liegenden Umgang mit dem Pferd entstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

36 Noch weniger spricht für die Annahme, die Geschädigte, die regelmäßige Entgeltzahlungen an die Bekl. leistete, hätte sich auf ein derartiges Ansinnen eingelassen. Aus Billigkeitsgründen wäre sie dazu jedenfalls nicht gehalten gewesen.

37 6. Der Bekl. kommt auch nicht das Haftungsprivileg des § 104 I SGB VII zugute. Der streitgegenständliche Reitunfall war kein Arbeitsunfall iSv § 8 SGB VII. Die B-Unfallkasse hat als zuständige Berufsgenossenschaft mit rechtskräftigem Bescheid vom 2.5.2016 festgestellt, dass es sich bei der Geschädigten nicht um eine „Wie-Beschäftigte“ iSv § 2 II 1 SGB VII handelte und dass deshalb kein Arbeitsunfall vorlag. Der Bescheid wurde gegenüber der Geschädigten, der Kl. und der Bekl. bestandskräftig. An diese Entscheidung sind die Zivilgerichte gem. § 108 I SGB VII gebunden (vgl. auch BGH, NJW 2013, 2031).

38 7. Die Haftung der Bekl. ist jedoch aufgrund eines anrechenbaren Mitverschuldens der Geschädigten an dem Reitunfall auf 50 % beschränkt, § 834 S. 1 BGB in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 254 I BGB.

39 a) Die Geschädigte war im Moment des Unfalls Tieraufseherin iSd § 834 S. 1 BGB. An den vereinbarten Reittagen durfte die Geschädigte selbstständig mit dem Pferd S auf der Koppel reiten. Sie kümmerte sich an diesen Tagen auch sonst um das Pferd, gab ihm „Leckerli“ und mistete bei Bedarf den Stall aus. An den Reittagen der Geschädigten war die berufstätige Bekl. absprachegemäß nicht anwesend, hätte also dann, wenn es dem Pferd beispielsweise gelungen wäre, aus der Koppel auszubrechen, keine Möglichkeit gehabt, auf das Pferd einzuwirken. Wie die Bekl. glaubhaft angab, bestand ihr Interesse an der Vereinbarung neben der Kostenbeteiligung der Geschädigten vor allem auch darin, dass sich jemand an den betreffenden Tagen um das Tier kümmert. Diese Aufgabe hat die Geschädigte übernommen und wurde dadurch an ihren Reittagen zur Tieraufseherin (vgl. auch OLG Saarbrücken, NJW-RR 1988, 1492; OLG Schleswig, Urt. v. 21.6.2007 – 7 U 50/06, BeckRS 2008, 02817).

40 b) Als Tieraufseherin ist auch die Geschädigte gem. § 834 S. 1 BGB für den auf die Tiergefahr des Pferds zurückzuführenden Schaden verantwortlich. Danach muss derjenige, der die Obhut über ein Tier übernommen hat, die Vermutung gegen sich gelten lassen, dass ihn ein Sorgfaltsverstoß trifft und dieser für den Schaden ursächlich geworden ist. Diese Beweislastregel gilt zur Begrenzung der Tierhalterhaftung der Bekl. auch bei der Prüfung des Mitverschuldens der Geschädigten als Reiterin (vgl. BGH, NJW 1992, 2474; NJW 1993, 2611; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2009, 453).

41 Im vorliegenden Fall ist es der Geschädigten nicht gelungen, die gegen sie sprechende Vermutung zu widerlegen. Der genaue Unfallhergang war nicht mehr aufzuklären. Die als Zeugin vernommene Geschädigte konnte sich nur noch daran erinnern, dass das Pferd durchgegangen, also plötzlich losgerannt ist und dass sie nach dem Sturz am Boden lag und die Zügel über dem Kopf des Pferds hingen. Ursachen dafür, weshalb das Pferd plötzlich losgerannt ist und weshalb es ihr – anders als bei einem wohl ähnlichen Vorfall in der Vergangenheit – diesmal nicht gelungen ist, das Pferd zu zügeln und sich im Sattel zu halten, vermochte auch die Geschädigte nicht zu nennen. Die Unaufklärbarkeit des Reitunfalls führt gem. § 834 S. 1 BGB in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 254 I BGB hier dazu, dass das vermutete (Mit-)Verschulden der Geschädigten anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, NJW 1992, 2474; NJW 2014, 2434 = VersR 2014, 640; OLG Hamm, VersR 1975, 865 = BeckRS 1974, 00536).

42 c) Der Senat erachtet die anrechenbaren (Mit-)Haftungsanteile der Bekl. als Pferdehalterin und der Geschädigten als Reiterin und Aufseherin des Pferds als gleich hoch. Die durchgeführte Beweisaufnahme zum Hergang des Unfalls hat keine tatsächlichen Hinweise für ein subjektiv vorwerfbares Fehlverhalten der Bekl. oder der Geschädigten zutage gebracht. Die Eintrittspflicht der Bekl. resultiert somit einzig aus der gesetzlichen Gefährdungshaftung als Tierhalterin gem. § 833 S. 1 BGB. Andererseits beruht auch die Mithaftung der Geschädigten lediglich darauf, dass es ihr nicht gelungen ist, die in § 834 S. 1 BGB normierte Vermutung einer Pflichtverletzung und ihrer Kausalität für den Unfall zu widerlegen. Die in entsprechender Anwendung des § 254 I BGB anzustellende Abwägung der Verursachungsanteile führt hier dazu, dass die Haftung der Bekl. auf 50 % beschränkt ist (so in ähnlichen Fällen auch OLG Frankfurt a. M., r + s 1996, 137 und LG Bonn, Anerkenntnisurt. v. 21.10.2011 – 3 O 272/06, BeckRS 2013, 06187; vgl. auch BGH, NJW 1993, 2611).

43 Die Mithaftung der Geschädigten muss sich die Kl. im Rahmen der auf sie gem. § 116 SGB X übergegangenen Ansprüche anspruchsmindernd zurechnen lassen.

44 8. Eine darüber hinausgehende Mithaftung der Geschädigten folgt nicht aus dem Umstand, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls keinen Rückenprotektor getragen hat. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass bei der Geschädigten eine „Glasknochenkrankheit“ oder eine ähnliche (von der Bekl. vermutete) medizinische Vorbelastung nicht vorgelegen hat. Die Geschädigte hat als Zeugin angegeben, definitiv weder damals noch heute an der Glasknochenkrankheit gelitten zu haben oder zu leiden. Lediglich bei ihrem Bruder sei eine leichte Form der Erkrankung festgestellt worden, worüber sie sich damals mit der Bekl. unterhalten habe. Auch die im beigezogenen Parallelverfahren (LG Nürnberg-Fürth, Az. 12 O 9015/11) vorgelegten Arztbriefe zu den Unfallverletzungen der Geschädigten geben keinerlei Hinweise auf eine bestehende Vorerkrankung. Dass die damals gesunde, 28-jährige Geschädigte beim Reiten auf der Koppel keinen Rückenprotektor getragen hat, hat somit keinen Einfluss auf die Haftungsquote.

45 Jedenfalls beim normalen Reiten auf der Koppel (anders mag es beispielsweise sein bei einer Fuchsjagd im Gelände oder Ähnliches) auf einem vertrauten Pferd besteht keine allgemeine Pflicht oder Obliegenheit, besondere Schutzkleidung, insbesondere einen Rückenprotektor, zu tragen. Spezielle Absprachen diesbezüglich werden auch von der Bekl. nicht behauptet.“

MPS Pferderecht - Zur Frage, wann Pferde "neu" oder "gebraucht" sind

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Ausschluss der Tierhalterhaftung bei Handeln auf eigene Gefahr

BGH vom 20.12.2005, Az.: VI ZR 225/04

Zum Ausschluss der Tierhalterhaftung bei Handeln auf eigene Gefahr (Umkippen einer Kutsche mit Schiedsrichter)

Feststellungen: Eine typische Tiergefahr (im konkreten Fall mit angespannter Kutsche) äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres. Diese Voraussetzung kann zwar fehlen, wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt und nur daraus der Schaden resultiert, weil er in einem solchen Fall allein durch den Menschen verursacht wird. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn ein Pferd auf die ggf. fehlerhafte menschliche Steuerung (so etwa das Lenken einer Kutsche) anders als beabsichtigt reagiert. Denn diese Reaktion des Tieres und die daraus resultierende Gefährdung haben ihren Grund in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens.

MPS Pferderecht - Tierhalterhaftung - Handeln auf eigene Gefahr (Umkippen einer Kutsche mit Schiedsrichter)

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Keine Einstandspflicht eines Versicherers bei Ausschluss der „Haftpflicht als Tierhalter“

BGH vom 25.04.2007, Az.: IV ZR 85/05

Keine Einstandspflicht eines Versicherers (Privathaftpflicht) bei Ausschluss der „Haftpflicht als Tierhalter“

Feststellungen: Eine Bestimmung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Privathaftpflicht, nach der die „Haftpflicht als Tierhalter“ nicht versichert ist, schließt die Einstandspflicht des Versicherers nicht nur für Ansprüche aus § 833 BGB, sondern gleichsam für all jene Haftpflichtansprüche aus, denen sich der Versicherte gerade in seiner Eigenschaft als Tierhalter ausgesetzt sieht. Das Verschließen der Boxentür (dies war im konkreten Fall nicht ordnungsgemäß geschehen) nach dem Ausmisten stellt eine geradezu tierhaltertypische Handlung dar, die mit einem wirksamen Ausschluss des Tierhalterrisikos vom Versicherungsschutz der privaten Haftpflichtversicherung ausgeschlossen ist.

MPS Pferderecht - Privathaftpflicht - Tierhalter

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