Zum Haftungsausschluss bei Eingehung einer Reitbeteiligung und Forderungsübergang nach § 116 SGB X auf den gesetzlichen Krankenversicherer

OLG Schleswig, Urt. v. 19.3.2021 – 17 U 142/20, r + s 2021, 420

Was macht die Entscheidung zum Schlagwort Reitbeteiligung interessant? Das Urteil des OLG Schleswig betrifft einen sehr praxisrelevanten Bereich, nämlich die Frage der Haftung, wenn es im Rahmen einer vereinbarten Reitbeteiligung zu einem Unfall kommt. Insbesondere arbeitet das Gericht sehr schön heraus, warum ein zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbarter Haftungsausschluss sachgerecht und zulässig sein kann und muss.

Feststellung: Ein im Rahmen der Eingehung einer Reitbeteiligung vereinbarter Ausschluss der Haftung für Ansprüche aus Tierhalterhaftung (§ 833 BGB) ist nicht deshalb unwirksam, weil er dem gesetzlichen Krankenversicherer im Falle des Forderungsübergangs nach § 116 SGB X den Regress gegenüber dem Tierhalter vereitelt. Dies gilt auch dann, wenn der Tierhalter selbst eine private Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen hat.

Aus den Gründen: (Leseziffern 34 ff.) 3. Denn ein Anspruch der Kl. ist jedenfalls schon deshalb ausgeschlossen, weil der zwischen der Zeugin X. und der Bekl. vereinbarte Haftungsverzicht wirksam ist, so dass es an einem gemäß § 116 SGB X übergangsfähigen Anspruch fehlt, denn die Vereinbarung entfaltet auch Wirkung gegenüber der Kl.

Gerade im Freizeitpferdesport ist die Annahme von Haftungsausschlüssen anerkannt (hierzu unter a.). Es handelt sich dabei auch nicht etwa um einen Vertrag zu Lasten Dritter (hierzu unter b.). Auch widerspricht der Haftungsverzicht weder gesetzlichen Bestimmungen (c.), noch ist er unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unwirksam bzw. begründet eine Einstandspflicht des Schädigers unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne § 826 BGB (hierzu unter d.).

a. Gegen die Annahme der Unwirksamkeit eines ausdrücklich vereinbarten Haftungsausschlusses spricht zunächst, dass im Rahmen der Tierhalterhaftung – so insbesondere bei Reitbeteiligungen – nach st. Rspr. anerkannt ist, dass der Geschädigte sogar aufgrund der Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB einen stillschweigenden – konkludent vereinbarten – Haftungsausschluss gegen sich geltend lassen muss, wenn anzunehmen ist, dass es sich bei der Reitbeteiligung um eine in seinem Interesse liegende Gefälligkeit gehandelt hat und er sich billigerweise dem Ansinnen des Tierhalters, ausdrücklich auf eine Haftung zu verzichten, nicht hätte verschließen können (OLG Nürnberg, aaO; OLG Hamm, Urt. v. 28.6.2019 – 11 U 82/18 -; OLG Schleswig, Urt. v. 29.2.2012 – 7 U 115/11 -, alle bei juris). Im Sinne der Haftungsbeschränkung und Rechtssicherheit wird insoweit sogar ein ausdrücklicher Haftungsverzicht oder aber der Abschluss eines Leihvertrages mit der Folge jedenfalls einer Haftungsbeschränkung nach § 599 BGB empfohlen (aus der zivilrichterlichen Praxis Fellner, MDR 2016, 742, 744; als Möglichkeit ausdrücklich auch erwähnt schon von BGH, Urt. v. 12.1.1982 – VI ZR 188/80 -, bei juris Rn. 10) . Zudem hat der BGH entschieden, dass auch im Fall einer gegen den Halter klagenden Versicherung das Vorliegen eines wirksamen Haftungsausschlusses konkret zu prüfen ist (BGH, Urt. v. 19.1.1988 Rn. 18 – VI ZR 188/87 -, juris = r+s 1988, 166).

Dieser zivilrechtlichen Konstruktion, die im Ergebnis auch auf einen Interessenausgleich – nämlich zwischen Tierhalter und Geschädigtem – ausgerichtet ist, würde es zuwiderlaufen, wenn es den Parteien verwehrt wäre, einen entsprechenden Ausschluss individuell zu vereinbaren. Käme man zu dieser Annahme, wäre damit im Bereich der Tierhalterhaftung – und aufgrund der vergleichbaren Interessenlage möglicherweise sogar im Bereich der gesamten Gefährdungshaftung – die Rechtsfigur des (konkludenten) Haftungsverzichts kaum noch zu halten. Eine solche Konsequenz ist allerdings kaum wünschenswert, denn grundsätzlich ist eine ausdrückliche und individuell ausgehandelte Vereinbarung, bei der sich die Parteien der Interessenlage und der möglichen Konsequenzen bewusst sind, vorzugswürdig.

b. Die Bekl. und die Zeugin X. haben sich auch innerhalb der Grenzen einer rechtskonformen Vertragsgestaltung bewegt. Der Senat folgt – ebenso wie das LG – der Entscheidung des OLG München (Urt. v. 23.3.2016 – 8 U 4884/15 -, bei juris), wonach es sich bei einem individuell vereinbarten Haftungsausschluss bei einer unentgeltlichen Überlassung eines Reitpferdes nicht um einen Vertrag zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse des verletzten Reiters handelt. Ein solcher ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die Vertragspartner einen Dritten unmittelbar durch den von ihnen geschlossenen Vertrag belasten, ohne dass dieser in die Vertragsgestaltung eingebunden gewesen ist und diesem durch den Vertrag ohne seine Zustimmung unmittelbar Leistungspflichten aufgezwungen werden sollen (OLG München aaO Rn.21 mwN). Davon ist nicht auszugehen, wenn sich die Leistungspflicht nicht aus dem geschlossenen Vertrag, sondern aus Gesetz oder aus einem Vertrag zwischen dem Anspruchsteller und dem Dritten ergibt (OLG München aaO Rn.22 mwN).

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