OLG FRANKFURT AM MAIN vom 07.02.2018, Az.: 11 U 153/17
Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Tierhalterhaftung lesenswert? Der Hinweisbeschluss betrifft einen Sachverhalt, wie wir ihn tagtäglich im Reiterleben beobachten. Reiter gehen mit ihren Pferden ins Gelände – und zwar in vierbeiniger Begleitung eines Hundes. Worüber sich viele aber wahrscheinlich noch keine Gedanken gemacht haben, ist die Frage, wer eigentlich wie haftet, wenn „doch mal nicht alles gut geht, und es zu einem Unfall“ kommt. Just mit dieser Konstellation hatte sich das OLG Frankfurt am Main zu beschäftigen.
Welche Feststellung hat das Gericht in seinem Hinweisbeschlussgetroffen? Wird eine Gruppe erfahrener Reiter von dem Hund einer Reiterin begleitet, trifft die Hundehalterin keine Einstandspflicht aus Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 BGB, wenn das Pferd eines anderen Reiters beim Vorbeilaufen des sich unauffällig verhaltenden Hundes scheut, dann in einen Weidezaun läuft und wenn dieser Reiter dadurch den Halt verliert, abstürzt und sich dabei verletzt.
Wie hat das Gericht seinen Beschluss begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?
Aus den Gründen (abrufbar unter OLG Frankfurt a.M. r+s 2018, 501):
Zum einen muss der Kl. sich ein erhebliches Mitverschulden nach § 254 BGB durch die Realisierung der eigenen Tiergefahr des von ihm gerittenen Pferdes anrechnen lassen. Der Grundsatz, dass die auf Seiten des Geschädigten mitwirkenden Sach- und Betriebsgefahr den Ersatzanspruch beschränkt, gilt auch im Bereich der Tierhalterhaftung (vgl. Wagner in: MüKo BGB, 7. Aufl., § 833 Rn. 72; OLG Rostock, Urt. v. 10. 12. 2010 – 5 U 57/10, NJW-RR 2011, 280; OLG Saarbrücken, Urt. v. 14. 7. 2005 – 8 U 283/04, NJW-RR 2006, 969). Unstreitig rannte vorliegend das Pferd nach dem Scheuen im Zusammenhang mit dem Vorbeilaufen des Hundes in einen Weidezaun und erschrak sich daraufhin erneut. Erst zu diesem Zeitpunkt verlor der Kl. den Halt. Dies hatte die Bekl. im Rahmen der Klageerwiderung vorgetragen, ohne dass der Kl. die Angaben nachfolgend bestritten hat. Sie stehen darüber hinaus auch in Übereinstimmung mit den Bekundungen der Zeugin A. Auf Basis dieser Angaben wiegt die Tiergefahr des Pferdes des Kl. mindestens gleich hoch wie die des Hundes der Bekl.
Zum anderen erlangt vorliegend der Umstand, dass der Kl. auf eigene Gefahr einen Ausritt in Kenntnis des freilaufenden Hundes der Bekl. vorgenommen hat, Bedeutung. Dabei kann offenbleiben, ob dieser Gesichtspunkt ebenfalls im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB Bedeutung erlangt oder aber unter dem Gesichtspunkt eines Verhaltens gegen Treu und Glauben zum Ausschluss einer Haftung führt (vgl. hierzu näher BGH, ebenda). Ein Geschädigter handelt jedenfalls selbstwidersprüchlich, wenn er sich Risiken bewusst aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen und er bei Verwirklichung der besonderen Gefahr den Halter aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt (BGH ebenda). Soweit das Bewusstsein einer besonderen Gefährdung Voraussetzung ist (BGH ebenda), liegt dieses auch nach dem eigenen Vortrag des Kl. vor. Der Kl. wusste, dass der freilaufende Hund die Reitergruppe begleitete; er betont selbst, dass der Hund jedenfalls hätte angeleint sein müssen. Dass dies – aus seiner Sicht gefahrerhöhend – nicht der Fall war, war ihm bekannt.
Nach der nach höchstrichterlicher Rspr. in derartigen Konstellationen erforderlichen Interessenabwägung ist vorliegend von einem vollständigen Haftungsausschluss auszugehen. Sowohl der Kl. als auch die Bekl. handelten beim Ausritt im eigenen Interesse; sie nahmen in ihrer Freizeit an einem Vereinsausritt teil. Der Kl. schreibt selbst, dass eine Gefährdung durch den freilaufenden Hund äußerst fernlag. Dies lag zum einen daran, dass sein Pferd hundeerfahren war. Zum anderen verhielt sich der Hund nicht auffällig, sondern lief – auch nach dem klägerischen Vortrag – vollständig unauffällig mit der Reitergruppe bzw. in ihrer Nähe. Soweit der Kl. im Rahmen der Berufungsbegründung ausführt, er habe „nicht damit rechnen müssen, dass der Hund sich so verhält, dass er sein Pferd erschreckt“, liegt das „so verhalten“ des Hundes allein im Vorbeilaufen am klägerischen Pferd mit einem Abstand von 2 m. Dieses Verhalten war bereits bei Antritt des Auftrittes vorhersehbar und für einen freilaufenden Hund typisch. Darüber hinausgehende erhöhte gefahrträchtige Verhaltensweisen des Hundes ergeben sich auch aus der Berufungsbegründung nicht.
Berücksichtigt man darüber hinaus das mindestens mit 50 % zu bewertende Mitverschulden der eigenen Tiergefahr, die sich durch das Erschrecken des Pferdes nach dem Zusammenstoß mit dem Zaun realisierte, erscheint es angemessen, dass der Verursachungsbeitrag der Bekl. als Halterin des Hundes vollständig zurücktritt (vergleichbar auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 14. 7. 2005 – 8 U 283/04, NJW-RR 2006, 969).
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Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Haftung lesenswert? Die Entscheidung verdient Beachtung, weil sie zutreffend und rechtlich sauber herausstellt, dass es für die Anrechnung eines quotalen Mitverschuldens des Halters des verletzten Tieres – dies erst recht nicht für ein pauschales 50:50 – genügt, dass sein Tier „irgendwie da war“. Vielmehr muss es ein mitursächliches Verhalten des verletzten Tieres gegeben haben. Auch wenn es sich in der Entscheidung um einen Hund gehandelt hat, lassen sich die Grundsätze auf Pferde übertragen!
Feststellungen: (a) Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung des § 833 S. 1 BGB liegt in dem unberechenbaren oder aber auch instinktgemäßen selbsttätigen tierischen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, also der verwirklichten Tiergefahr. Diese setzt grundsätzlich ein über die bloße physische Anwesenheit hinausgehendes Verhalten des Tieres voraus. (b) Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich (in konkreten Fall eines Hundes), so muss sich der Geschädigte dies entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 S. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen.
Aus den Gründen (mit Angabe der Leseziffern): (12 ff.) Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung des § 833 S. 1 BGB liegt in dem unberechenbaren oder aber auch instinktgemäßen selbsttätigen tierischen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, also der verwirklichten Tiergefahr. Diese setzt grundsätzlich ein über die bloße physische Anwesenheit hinausgehendes Verhalten des Tieres voraus. Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 S. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen. (17) Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 S. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen (BGH, Urteil vom 31.05.2016, VI ZR 465/15, bei juris Rn. 9).
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Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Haftung und Beritt lesenswert? Die Entscheidung verdeutlicht, warum mit der Übernahme des Beritts eines Pferdes nicht per se über die Grundsätze des Handels auf eigene Gefahr eine Haftung des Halters des Pferdes aus § 833 BGB ausgeschlossen ist. Auch liefert die Entscheidung eine anschauliche Darstellung dazu, wann ein Bereiter als Tieraufseher bzw. Tierhüter i.S.d. § 834 BGB anzusehen ist.
Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) Wer als selbstständiger Bereiter „Problempferde“ bereitet und hierbei einen Unfall erleidet, kann den Pferdehalter grundsätzlich auch dann aus Tierhalterhaftung nach § 833 BGB in Anspruch nehmen, wenn bei besonders problematischem Verhalten des Pferdes der Tierhalter ihm konkret das weitere Bereiten anheimgestellt hat. Denn allein hierdurch wird der Bereiter nicht aus dem Vertragsverhältnis zum Pferdehalter entlassen und handelt daher auch nicht „auf eigene Gefahr“. (b) Reitet der Bereiter in einer derartigen Situation dennoch und wird er vom Pferd abgeworfen, kann allerdings sein Schadensersatzanspruch in Anwendung des § 254 BGB (im konkreten Fall auf 50 %, da der Bereiter das Pferd am Unfalltag beritten hatte, obwohl dieses an diesem Tag erkennbar widerwillig war und der Bereiter von der Besitzerin explizit auf diesen Umstand hingewiesen worden war) zu kürzen sein.
Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Im Fall des OLG Schleswig war der Kläger der private Krankenversicherer eines als selbstständiger Bereiter und Reitlehrer tätigen Pferdefachwirtes. Dieser hatte mit der Beklagten Halterin des Pferdes einen Vertrag geschlossen, nach dem er das Pferd „S“ ausbilden und ihm vorhandene Unarten wie Schlagen, Buckeln und Steigen abgewöhnen sollte. Nachdem der Bereiter das Pferd bereits vier Monate ausgebildet und mit diesem auch an Turnieren teilgenommen hatte, sollte am Tag des Unfalls, eine weitere Unterrichtseinheit erfolgen. Die Beklagte longierte das Pferd vor dem Bereiten, wobei für diese und den Bereiter erkennbar war, dass das Pferd an diesem Tag wiederum bockte und stieg. Die Beklage bot dem Bereiter darauf an, das Pferd an diesem Tag nicht zu reiten oder es zunächst weiter zu longieren. Der Bereiter erklärte gegenüber der Beklagten jedoch, er müsse die Konfrontation mit dem Pferd eingehen, um den bisherigen Ausbildungserfolg nicht zu gefährden. Als der Bereiter das Pferd im Anschluss ritt, schlug es aus, buckelte und stieg über einen Zeitraum von etwa 10 Minuten hinweg, bis es zum Abwurf kam. Der Bereiter schlug mit dem Kopf auf dem Hallenboden auf und zog sich Frakturen im HWS-Bereich zu, wodurch Heilbehandlungskosten i.H.v. EUR 76.521,84 entstanden sind.
Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?
Aus den Gründen (abrufbar im Volltext unter r+s 2016, 98) mit Angabe der Leseziffern:
(16) 1. Die Bekl. hat für den Schaden in Form der entstandenen und künftig noch entstehenden Schäden aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung gem. § 833 BGB einzustehen. Dieser Anspruch ist gem. § 86 VVG auf die Kl. übergegangen. Die in §833 BGB begründete Gefährdungshaftung des Tierhalters findet ihren Grund in dem unberechenbaren und selbstständigen Verhalten eines Tieres und der dadurch hervorgerufenen besonderen Gefährdung (BGH r+s 2014, 304 juris Rn. 5; BGH r+s 2006, 301, juris Rn. 7 mwN). Das plötzliche Buckeln und Hochgehen war ein solches, auf die unberechenbare Natur des Tieres zurückzuführendes, selbstständiges Verhalten des Pferdes S.
(17) a) Die Haftung der Bekl. ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr ausgeschlossen. Der VN hat sich zwar in Kenntnis der Unarten des Pferdes und des Umstandes, dass das Pferd am 30. 1. 2012 erkennbar unwillig und die Gefahr eines Abwurfs nicht fernliegend war, dazu entschlossen das Pferd zu bereiten. Dennoch kommt ein Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nicht in Betracht.
(18) Grundlage eines solchen Haftungsausschlusses ist der Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Verhaltens (BGH r+s 2006, 301. Nach der Rspr. des BGH wird im Rahmen der Tierhalterhaftung eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anerkannt. Der Umstand, dass sich ein Geschädigter der Gefahr eines Tieres selbst ausgesetzt hat, ist regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 254 BGB zu berücksichtigen (BGH r+s 2014, 304 juris Rn. 7; BGH r+s 2009, 295; BGH r+s 2006, 301. Bei Personen, die sich – wie hier der VN – aus beruflichen Gründen der Tiergefahr aussetzen, ist ein vollständiger Haftungsausschluss sowohl in Hinblick auf den Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als auch unter Schutzzweckerwägungen abzulehnen (BGH r+s 2014, 304, juris Rn. 9). Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt (BGH r+s 2009, 395, juris Rn. 9). Realisiert sich das mit der Berufsausübung eines Geschädigten notwendigerweise verbundene Risiko, so erweist sich eine Inanspruchnahme des Tierhalters nicht als widersprüchlich.
(18) So liegt es hier. Der VN wurde als Reitlehrer und Bereiter damit beauftragt das Pferd zuzureiten. Aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Bekl. bestand ein triftiger Grund das Pferd an dem Unfalltag zu bereiten und sich hierzu in den Gefahrenkreis des Tieres zu begeben. Der VN handelte somit nicht auf eigene Gefahr, sondern in Erfüllung seiner, der Tierhalterin gegenüber eingegangen vertraglichen Verpflichtung.
(20) Dass die Bekl. dem VN im vorliegenden Fall angeboten hatte, die Unterrichtsstunde auf einen anderen Tag zu verlegen, ändert hieran nichts. Hierdurch wurde der VN nicht aus seinem Vertragsverhältnis entlassen oder der Vertragszweck als solcher verändert. Der VN sah sich in dieser Situation – aus seiner Sicht – mit der Entscheidung konfrontiert, seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Bekl. zu erfüllen und seine Gesundheit einem aufgrund des damaligen Verhaltens des Pferdes erhöhten Risiko auszusetzen oder durch Abstandnahme von einem Beritt den Vertragszweck zu gefährden. Nachdem sich der VN in dieser Situation für die Erfüllung seiner Vertragspflichten entschieden hat, ist es nicht als treuwidrig anzusehen, wenn nunmehr die Kl. aus übergegangenem Recht gegen die Bekl. Ansprüche wegen der Folgen des Abwurfs geltend macht. Wenn sich die Bekl. ihrer Tierhalterhaftung in der damaligen Situation hätte entziehen wollen, hätte sie den VN anweisen müssen, das Pferd nicht zu bereiten, so dass der Inhalt des Vertragsverhältnisses verändert worden wäre. Den Zuritt des Tieres an diesem Tag in das fachmännische Ermessen des VN zu stellen, war hierfür nicht ausreichend.
(21) b) Der grundsätzlichen Tierhalterhaftung der Bekl. steht auch nicht entgegen, dass der VN das Pferd zum Unfallzeitpunkt selbst geritten hat noch, dass er von der Bekl. damit beauftragt wurde, das Pferd zu bereiten. Der VN könnte damit zwar als Tieraufseher iSv. § 834 BGB anzusehen sein (vgl. unter II. 2 b). Die Haftung des Tierhalters nach § 833 BGB greift grundsätzlich aber auch dann ein, wenn der Tieraufseher im Rahmen seiner Aufsichtsführung durch das betreute Tier verletzt wird (BGH r+s 2014, 304, juris Rn. 6).
(22) c) Die Haftung der Bekl. war auch nicht durch einen stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses abbedungen. Abgesehen von der erkennbaren Gefahrträchtigkeit der übernommenen Tätigkeit gab es keine weiteren Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf einen entspr. Willen der Parteien zulassen würden. Die bloße Gefahrträchtigkeit der Tätigkeit genügt aber nicht für die Annahme eines stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses. Darüber hinaus entspricht es auch nicht der Interessenlage der Parteien, dass derjenige, der sich im Interesse seines Auftraggebers der mit seinem Beruf notwendig einhergehenden Tiergefahr aussetzt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, den Tierhalter vollständig von dessen gesetzlicher Haftung entbindet. Dies gilt insbes. unter Berücksichtigung, dass hinter der Bekl. eine Versicherung steht. Ein Haftungsverzicht, der lediglich den Versicherer entlasten würde, entspricht idR nicht dem Willen der Parteien und ihrem wohlverstandenen Interesse (BGH r+s 1992, 373, juris Rn. 14).
(23) 2. Die Tierhalterhaftung der Bekl. aus § 833 BGB ist allerdings in Anwendung des § 254 BGB einzuschränken, weil den VN der Kl. bei der Entstehung des Schadens ein eigener Verursachungsbeitrag traf, der mit 50 % zu bewerten ist.
(24) a) Ein Mitverschulden des VN ist allerdings nicht bereits darin zu sehen, dass er die Aufgabe des Zureitens und damit eine besonders gefahrgeneigte Tätigkeit übernommen hat.
(25) Im Rahmen von § 254 BGB kann lediglich vorwerfbares bzw. unsachgemäßes Verhalten anspruchsmindernd in Ansatz gebracht werden (vgl. auch BGH r+s 1992, 373; BGH r+s 2009, 395, juris Rn. 15). Ein Verhalten ist dabei nur dann als vorwerfbar anzusehen, wenn sich ein Arbeitnehmer aus freier Willensentschließung in eine Gefahrenlage begeben hat, diese Gefahrenlage aber ebenso hätte meiden können (OLG Hamburg, VersR 1965, 1009; vgl. auch OLG Naumburg, VersR 2008, 704).
(26) Mit der Übernahme einer bestimmten Tätigkeit geht das Risiko einher, bestimmte Verletzungen zu erleiden. Hierfür hat der Auftraggeber idR nur einzustehen, wenn ihn seinerseits ein Verschulden trifft, so dass es interessengerecht ist, dem Auftragnehmer nicht gleichzeitig die Gefahrträchtigkeit der von ihm übernommenen Handlung entgegenzuhalten. Sofern der Auftraggeber – wie hier die Bekl. – ein Tierhalter ist, trifft diesen zwar unabhängig von eigenem Fehlverhalten eine Einstandspflicht für etwaige Schäden, die der vom ihm Beauftragte im Zusammenhang mit der Arbeit an bzw. mit dem Tier erleidet. Aus dem Gesetz lassen sich aber keine Anhaltspunkte ableiten, in diesem Fall ausnahmsweise das Berufsrisiko des Auftragnehmers im Rahmen eines etwaigen Mitverschuldens zu berücksichtigen. Allein der Umstand, dass der Auftraggeber einer verschärften Haftung unterliegt, kann nicht dazu führen, das mit der Übernahme einer Tätigkeit verbundene Risiko der eigenen Verletzung anders zu bewerten und hierin bereits ein Mitverschulden zu sehen.
(27) b) Auch die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des VN als Tierhüter an dem Abwurf selbst kommt nicht in Betracht. Grundsätzlich gilt allerdings, dass ein Tieraufseher, der sich wegen der eigenen Schädigung an den Tierhalter hält, im Rahmen des Mitverschuldens auch die Vermutung des eigenen Verschuldens nach § 834 Satz 1 BGB gegen sich gelten lassen muss (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 833 Rn. 21).
(28) Tierhüter ist derjenige, der durch Vertrag jedenfalls als Nebenpflicht die Führung der Aufsicht über das Tier für den Tierhalter und damit die Sorge übernommen hat, dass kein Dritter durch das Tier geschädigt wird (Wagner in MüKo/BGB, 6. Aufl., § 834 Rn. 3; Palandt/Sprau, aaO, § 834 Rn. 2). Bei Zugrundelegung einer eher formalen räumlichen Betrachtungsweise liegt es nahe, den VN nicht als Tierhüter anzusehen. Denn die Bekl. als Tierhalterin war unstreitig während der gesamten Unterrichtsstunde anwesend, so dass sich das Pferd damit noch in ihrem räumlichen Einflussbereich befand. Legt man hingegen eine eher funktionale Betrachtungsweise zugrunde, erscheint es näherliegend, den VN trotz der Anwesenheit der Bekl. als Tierhüter anzusehen. Denn zum Zeitpunkt des Abwurfs hatte der VN die alleinige Einflussmöglichkeit auf das Pferd und aufgrund seines überlegenen Wissens in Bezug auf Pferde hätte für die Bekl. auch kein Anlass bestanden, dem VN bei Problemen zu Hilfe zu kommen. Vielmehr hatte sie ihn gerade wegen ihrer Probleme mit dem Pferd beauftragt, diesem die Unarten abzugewöhnen.
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Feststellungen: Sofern durch die Begegnung von zwei Pferden auf einem Landwirtschaftsweg genannten wechselseitig unberechenbare Reaktionen ausgelöst werden, die bei einem Kutschpferd zu einer unkontrollierten Fahrt des Gespanns über einen angrenzenden Acker führt, bei der sodann die Kutsche kippt und der Fahrer Verletzungen erleidet, haften beide Pferdehalter je zur Hälfte (also 50:50), wenn nicht genau geklärt werden kann, welches der beiden Pferde die primäre Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat.
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Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung zwischen Pferdehalterin und Reiterin, die es der Reiterin erlaubt, gegen Zahlung eines regelmäßigen Entgelts und Unterstützung im Stall an bestimmten Tagen selbstständige Ausritte mit dem Pferd machen zu dürfen, begründet keine Mithaltereigenschaft der Reiterin. (b) Eine solche Reitbeteiligung rechtfertigt auch dann nicht ohne weiteres die Annahme eines stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses, wenn Unfälle im Rahmen einer Reitbeteiligung vom Versicherungsschutz der Pferdehalterin ausgenommen sind. (c) Stürzt die Reiterin bei einem selbstständigen Ausritt und kann diese sich nicht entlasten, ist bei der Prüfung der Ersatzansprüche gegen die Pferdehalterin ein vermutetes Mitverschulden der Reiterin als Tieraufseherin anspruchsmindernd zu berücksichtigen. (d) Bei Unaufklärbarkeit der näheren Umstände des Sturzes können die Haftungsanteile der Halterin und der Reiterin gleich hoch, also 50:50, zu bewerten sein.
Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Im streitgegenständlichen Fall wünschte die Klägerin als gesetzliche Krankenversicherung einer Reiterin vom Gericht die Feststellung des Bestehens von Schadensersatzansprüchen ihres Mitglieds aufgrund eines Reitunfalls. Zwischen der Reiterin und der beklagten Eigentümerin des Pferdes bestand dabei eine Vereinbarung dahingehend, dass die Reiterin das Pferd an 3 Tagen die Woche nach Belieben ausreiten durfte und hierfür monatlich EUR 100 zu zahlen hatte. Kurzum: es wurde eine Reitbeteiligung vereinbart. Sodann kam es zum worst case-Szenario: die Reitbeteiligung stürzte bei einem Ausritt auf der Koppel vom Pferd und erlitt eine Querschnittslähmung. Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 12.4.2013, Az.: 12 O 7714/12) hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der klagenden Krankenversicherung dagegen hatte jedoch (zumindest) teilweise Erfolg.
Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?
Aus den Gründen (m. Leseziffern; mitgeteilt von der 4. Zivilkammer des OLG Nürnberg; veröffentlicht in NJW-RR 2017, 1173):
„16 B. Die Bekl. hat der Kl. aus übergegangenem Recht 50 % des Schadens und Aufwands zu ersetzen, der in der Kranken- und Pflegeversicherung aus dem Reitunfall vom 8.10.2009 der H entsteht und entstanden ist.
17 I. Die Feststellungsklage ist zulässig.
Prozessvoraussetzung einer Feststellungsklage ist neben den allgemeinen
Sachurteilsvoraussetzungen das schutzwürdige Interesse der Klagepartei an
alsbaldiger Feststellung des Bestehens des behaupteten Rechtsverhältnisses, §
256 ZPO. Im vorliegenden Fall hat die Kl. in der Vergangenheit für ihr bei dem
Reitunfall verletztes Mitglied H bereits Leistungen in einem Umfang erbracht,
den sie bis zur Klageeinreichung mit 129.177,83 Euro beziffert. Da die
Geschädigte bei dem Reitunfall eine Querschnittslähmung erlitten hat, ist auch
in Zukunft mit Leistungen der Kl. für die Geschädigte in erheblichem Umfang zu
rechnen. Es ist deshalb nicht möglich, den Schaden abschließend zu beziffern.
18 II. Die Bekl. hat als Halterin des Pferds S gem. § 833 S.
1 BGB den durch ihr Pferd verursachten Schaden zu ersetzen, der dadurch
entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Geschädigte am 8.10.2009 beim
Reiten verunfallt ist und hierbei eine Querschnittslähmung erlitten hat. Die
Haftung der Bekl. ist weder durch eine freiwillige Risikoübernahme der
Geschädigten noch durch einen ausdrücklichen oder konkludenten
Haftungsausschluss beschränkt oder ausgeschlossen. Der Umfang der Haftung ist
jedoch auf die Erstattung der Hälfte der berechtigten Ansprüche reduziert, da
es der Kl. nicht gelungen ist, die zulasten der Geschädigten als Tieraufseherin
gem. § 834 S. 1 BGB sprechende Vermutung einer Pflichtverletzung und ihrer
Ursächlichkeit für den Schaden zu entkräften. Die Abwägung der beiderseitigen
Haftungsanteile in entsprechender Anwendung des § 254 BGB führt hier dazu, dass
die Bekl. die Hälfte des Schadens zu tragen hat. Die in der Person der Geschädigten
entstandenen Ansprüche sind gem. § 116 I 1 SGB X auf die Kl. übergegangen.
19 1. Die Kl. ist für die Geltendmachung des
Feststellungsanspruchs aktivlegitimiert. Die Schadensersatzansprüche der
Geschädigten aus dem Reitunfall sind gem. § 116 I SGB X auf die Kl. als
gesetzliche Krankenversicherung übergegangen.
20 2. Die Bekl. war Halterin des Pferds S. Das Pferd war
nicht dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt der Bekl. zu dienen
bestimmt. Die Bekl. hat deshalb nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung
gem. § 833 S. 1 BGB für den Schaden einzustehen, der durch das Pferd verursacht
worden ist. Die Haftung des Pferdehalters aus § 833 I BGB gilt grundsätzlich
auch zugunsten des Reiters, der durch die Tiergefahr des Pferds verletzt wird (stRspr,
vgl. BGH, NJW 1977, 2158; NJW 1993, 2611; NJW 2013, 2661).
21 3. Die Geschädigte, die mit der Bekl. vereinbart hatte,
das Pferd an einzelnen Tagen gegen Zahlung von monatlich 100 Euro selbstständig
reiten zu dürfen, wurde hierdurch nicht zur (Mit-)Halterin des Pferds.
22 Die Vereinbarung einer derartigen „Reitbeteiligung“
ändert nichts an der Haltereigenschaft der Bekl. und begründet ebenso wie der
Reitvorgang als solcher keine (Mit-)Haltereigenschaft der Geschädigten (vgl.
OLG Schleswig, Urt. v. 21.6.2007 – 7 U 50/06, BeckRS 2008, 02817; OLG Frankfurt
a. M., NJW-RR 2009, 894). Auch unter Zugrundelegung der eigenen Angaben der
Bekl. zu den Einzelheiten der Vereinbarung, wonach die Geschädigte neben
Zahlung des Entgelts an den Reittagen das Pferd auch füttern und den Stall
ausmisten sollte, behielt die Bekl. auch an den Reittagen der Geschädigten das
Bestimmungsrecht über das Tier. Die Bekl. gab vor, auf welchen Flächen die
Geschädigte das Pferd reiten durfte und untersagte der Geschädigten, andere Personen
auf dem Pferd reiten zu lassen. Die Stallkosten, die Pacht für die Koppel sowie
die Kosten für Futter, Tierarzt und Versicherung wurden alleine von der Bekl.
getragen. Das von der Geschädigten an die Bekl. zu zahlende Entgelt deckte nur
einen geringen Teil der laufenden Kosten ab. An unvorhergesehenen Ausgaben,
etwa im Falle einer Verletzung oder Krankheit des Tiers, war die Geschädigte
ohnehin nicht beteiligt.
23 4. In dem Unfallgeschehen hat sich die spezifische
Tiergefahr des Pferds verwirklicht.
24 Aufgrund der glaubhaften Angaben der Geschädigten zum
Unfallhergang ist das Pferd beim Reiten auf der Koppel durchgegangen, nachdem
die Geschädigte bereits eine gewisse Zeit in den Gangarten Schritt, Trab und
Galopp geritten war. Aus der Lage der Zügel, die sich nach dem Sturz der
Geschädigten über dem Kopf des Pferds befanden, kann geschlossen werden, dass
die Geschädigte über den Kopf des Tiers gestürzt ist beziehungsweise abgeworfen
wurde. Eine genauere Aufklärung des Unfallhergangs ist nicht mehr möglich, da
die Geschädigte selbst nur noch lückenhafte Erinnerungen hat und weder der
Zeuge H noch die Bekl. den Sturz beobachtet haben. Es bleibt daher auch
unaufklärbar, aus welchem Grund das Pferd plötzlich losgerannt ist.
25 Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung liegt jedoch
gerade in der typischen Tiergefahr, das heißt in dem der Natur des Tiers
entsprechenden unberechenbaren selbstständigen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen
Gefährdung von Rechtsgütern Dritter (BGH, NJW 2014, 2434). Dadurch, dass das
Pferd aus Sicht der Geschädigten ohne erkennbaren Grund durchgegangen und
plötzlich losgerannt ist, entstand für die Geschädigte aus dem Verhalten des
Tiers eine schwer beherrschbare Gefahr, die sich schließlich in dem Sturz vom
Pferd verwirklichte. Dabei kann es letztlich dahinstehen, ob sich die
Geschädigte allein wegen des plötzlichen Loslaufens des Pferds nicht mehr im
Sattel halten konnte oder ob das Pferd zusätzlich abrupt gestoppt oder sogar
hinten hoch gegangen ist. Die typische Tiergefahr hat sich in jedem Fall
verwirklicht. Anhaltspunkte für den von der Bekl. für möglich gehaltenen
Unfallhergang, wonach das Pferd auf der Koppel stand, Gras fressen wollte und den
Kopf gesenkt hat und die Geschädigte dabei vom Pferd gefallen sei, sind in der
Beweisaufnahme nicht zutage getreten. Die Geschädigte als einzige Zeugin des
Unfalls konnte diesen Hergang ausschließen.
26 Selbst ein denkbarer Reitfehler der Geschädigten, der zu
dem plötzlichen Losrennen des Pferds oder zu dessen abruptem Stehenbleiben
geführt haben könnte, würde nichts an der Verwirklichung der spezifischen
Tiergefahr ändern und kann nur bei der Prüfung des Mitverschuldens des Reiters
zu berücksichtigen sein (BGH, NJW 1999, 3119).
27 5. Die Haftung der Bekl. ist weder durch eine freiwillige
Risikoübernahme der Geschädigten noch durch einen ausdrücklichen oder
konkludent vereinbarten Haftungsausschluss beschränkt oder ausgeschlossen.
28 a) Unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr
oder der freiwilligen Risikoübernahme kann die Haftung des Pferdehalters dann
entfallen, wenn sich der Geschädigte bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt,
die über die normalerweise mit dem Reiten verbundene Gefahr hinausgeht (BGH,
NJW 1992, 2474; NJW-RR 2006, 813; NJW 2013, 2661; OLG Hamm, NJW-RR 2001, 390).
Derartigen, über die gewöhnliche Reitgefahr hinausgehenden Risiken (zB beim
Zureiten, Dressur- oder Springreiten) hat sich die Geschädigte hier nicht
ausgesetzt. Dass das Pferd nach den Bekundungen der Zeugin bereits früher
einmal durchgegangen war, begründet kein besonderes, ungewöhnliches Risiko,
zumal es der Geschädigten damals gelungen war, gefahrlos mit der Situation
umzugehen. Eine besondere, über die gewöhnliche Tiergefahr eines Reitpferds
hinausgehende Gefährlichkeit des Pferds S wird auch von der Bekl. nicht
vorgetragen.
29 b) Die Bekl. hatte mit der Geschädigten keinen
Haftungsausschluss vereinbart. Die Vereinbarung eines ausdrücklichen
Haftungsausschlusses wird nicht behauptet. Auch die Annahme eines konkludenten
Haftungsausschlusses ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des
vorliegenden Falls und der Interessenlage der Bet. nicht gerechtfertigt.
30 Wegen der weitreichenden Konsequenzen kann von einem
stillschweigenden Haftungsausschluss zwischen Pferdehalter und Reiter nur im
Ausnahmefall ausgegangen werden. Die Qualifizierung der Überlassung des Pferds
zum selbstständigen Reiten als „Reitbeteiligung“ rechtfertigt für sich genommen
ebenso wenig die Annahme einer Haftungsfreistellung wie der Umstand, dass die
Überlassung auch Elemente einer Gefälligkeit aufwies.
31 Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung oder die
Überlassung des Pferds gefälligkeitshalber rechtfertigt im Wege ergänzender
Vertragsauslegung auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur dann
eine Haftungsfreistellung des Tierhalters, wenn die Überlassung des Tiers im
besonderen Interesse des Geschädigten lag und dieser sich deshalb einem
ausdrücklichen Ansinnen eines Haftungsverzichts, wäre es an ihn gestellt
worden, billigerweise nicht hätte verschließen können (BGH, NJW 1992, 2474 mwN;
NJW-RR 2017, 272 = r + s 2016, 424; OLG Schleswig, Urt. v. 29.2.2012 – 7 U
115/11, BeckRS 2013, 02597). Bei den hierbei anzustellenden
Billigkeitserwägungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Pferdehalter gegen
Haftpflicht versichert ist, denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den
Schädiger, sondern den Haftpflichtversicherer entlastet, entspricht in der
Regel nicht dem Willen der Bet. (BGH, NJW-RR 2017, 272 = NZM 2017, 303 = r + s
2016, 424).
32 Aufgrund der Angaben der informatorisch angehörten Bekl.
und der als Zeugin vernommenen Geschädigten geht der Senat vorliegend davon
aus, dass die Bekl. als Halterin des Pferds S mit der Geschädigten vereinbart
hatte, dass diese jede Woche an einzelnen, jeweils zu vereinbarenden Tagen
selbstständig das Pferd reiten durfte und hierfür nach Angaben der Geschädigten
monatlich 100 Euro an die Bekl. bezahlen und bei Bedarf den Stall ausmisten
sollte. Nach ihren eigenen Angaben war es der Bekl., die sich selbst nicht
täglich um das Pferd kümmern konnte, vor allem wichtig, dass ihr Pferd an den
vereinbarten Tagen bewegt und versorgt wird. Die Reitbeteiligung bestand seit
Juli 2009, also seit circa dreieinhalb Monaten vor dem Unfall und kam dadurch
zustande, dass die Bekl. ein entsprechendes Inserat in der Zeitung aufgegeben
hatte. Die Bekl. hatte zur Deckung ihrer Haftpflicht als Pferdehalterin eine
Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Nach den dem Versicherungsvertrag
zugrundeliegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen war der
Versicherungsschutz jedoch für die entgeltliche Überlassung des Pferds im
Rahmen einer Reitbeteiligung ausgeschlossen. Über Versicherungsfragen wurde
zwischen der Bekl. und der Geschädigten vor dem Unfall nicht gesprochen. Die
Bekl. selbst ging auch nach dem Unfall davon aus, dass dieser von der
abgeschlossenen Haftpflichtversicherung umfasst sei. Tatsächlich hat jedoch die
Haftpflichtversicherung unter Berufung auf den vereinbarten Ausschluss für
entgeltliche Reitbeteiligungen die Erfüllung von Ansprüchen der Geschädigten
endgültig abgelehnt.
33 Anders als in der Fallgestaltung, die dem Urteil des OLG Nürnberg vom 27.6.2011 (MDR 2011, 1037 = BeckRS 2011, 19752) zugrunde lag, bestand vorliegend keine langjährige Reitbeteiligung im überwiegenden Interesse der Geschädigten mit untergeordneter Zahlungsverpflichtung der Geschädigten. Die Initiative für die Reitbeteiligung ging von der Bekl. aus, die sich selbst nicht ausreichend um ihr Pferd kümmern und dieses bewegen konnte und die sich hierfür die Unterstützung der Geschädigten versprach. Die Reitbeteiligung bestand vor dem Unfall erst seit circa dreieinhalb Monaten, das von der Geschädigten zu zahlende Entgelt von 100 Euro monatlich war nicht unbedeutend, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Geschädigte nach Angaben der Bekl. damals arbeitslos gewesen ist.
34 Wäre die Haftungsthematik zwischen den Bet. vor dem
Unfall ausdrücklich zur Sprache gekommen, kann nicht davon ausgegangen werden,
dass die Bekl., die ja selbst davon ausgegangen war, dass die von ihr
abgeschlossene Haftpflichtversicherung etwaige Reitunfälle der Geschädigten
umfassen würde, der Geschädigten einen Haftungsverzicht angesonnen hätte.
Umgekehrt hätte auch die Geschädigte in diesem Fall aller Voraussicht nach auf
einen Hinweis der Bekl. auf die bestehende Haftpflichtversicherung vertraut und
hätte keine Motivation für einen Haftungsverzicht gehabt.
35 Doch selbst dann, wenn die Bekl. vor Abschluss der
Vereinbarungen mit der Geschädigten zutreffend erkannt hätte, dass eine
entgeltliche Reitbeteiligung vom Versicherungsschutz ihrer
Haftpflichtversicherung nicht umfasst ist und sie dies der Geschädigten
offengelegt hätte, hätte die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses eher fern
gelegen. Näherliegender wäre es gewesen, den Versicherungsschutz um den
„Baustein Reitbeteiligung“ zu erweitern, was nach der Mitteilung der
Haftpflichtversicherung vom 27.10.2010 jederzeit möglich gewesen wäre. Der
Abschluss der Pferdehalterhaftpflichtversicherung zeigt ja gerade, dass die
Bekl. daran interessiert war, für die von ihrem Pferd verursachten Schäden
Versicherungsschutz zu erlangen. Anhaltspunkte dafür, dass sie bei zutreffender
rechtlicher Beurteilung gerade die Schäden ausnehmen hätte wollen, die der
Geschädigten bei dem (auch) im Interesse der Bekl. liegenden Umgang mit dem
Pferd entstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
36 Noch weniger spricht für die Annahme, die Geschädigte,
die regelmäßige Entgeltzahlungen an die Bekl. leistete, hätte sich auf ein
derartiges Ansinnen eingelassen. Aus Billigkeitsgründen wäre sie dazu
jedenfalls nicht gehalten gewesen.
37 6. Der Bekl. kommt auch nicht das Haftungsprivileg des §
104 I SGB VII zugute. Der streitgegenständliche Reitunfall war kein
Arbeitsunfall iSv § 8 SGB VII. Die B-Unfallkasse hat als zuständige
Berufsgenossenschaft mit rechtskräftigem Bescheid vom 2.5.2016 festgestellt,
dass es sich bei der Geschädigten nicht um eine „Wie-Beschäftigte“ iSv § 2 II 1
SGB VII handelte und dass deshalb kein Arbeitsunfall vorlag. Der Bescheid wurde
gegenüber der Geschädigten, der Kl. und der Bekl. bestandskräftig. An diese
Entscheidung sind die Zivilgerichte gem. § 108 I SGB VII gebunden (vgl. auch
BGH, NJW 2013, 2031).
38 7. Die Haftung der Bekl. ist jedoch aufgrund eines
anrechenbaren Mitverschuldens der Geschädigten an dem Reitunfall auf 50 %
beschränkt, § 834 S. 1 BGB in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des
§ 254 I BGB.
39 a) Die Geschädigte war im Moment des Unfalls
Tieraufseherin iSd § 834 S. 1 BGB. An den vereinbarten Reittagen durfte die
Geschädigte selbstständig mit dem Pferd S auf der Koppel reiten. Sie kümmerte
sich an diesen Tagen auch sonst um das Pferd, gab ihm „Leckerli“ und mistete
bei Bedarf den Stall aus. An den Reittagen der Geschädigten war die
berufstätige Bekl. absprachegemäß nicht anwesend, hätte also dann, wenn es dem
Pferd beispielsweise gelungen wäre, aus der Koppel auszubrechen, keine
Möglichkeit gehabt, auf das Pferd einzuwirken. Wie die Bekl. glaubhaft angab,
bestand ihr Interesse an der Vereinbarung neben der Kostenbeteiligung der
Geschädigten vor allem auch darin, dass sich jemand an den betreffenden Tagen
um das Tier kümmert. Diese Aufgabe hat die Geschädigte übernommen und wurde dadurch
an ihren Reittagen zur Tieraufseherin (vgl. auch OLG Saarbrücken, NJW-RR 1988,
1492; OLG Schleswig, Urt. v. 21.6.2007 – 7 U 50/06, BeckRS 2008, 02817).
40 b) Als Tieraufseherin ist auch die Geschädigte gem. § 834
S. 1 BGB für den auf die Tiergefahr des Pferds zurückzuführenden Schaden
verantwortlich. Danach muss derjenige, der die Obhut über ein Tier übernommen
hat, die Vermutung gegen sich gelten lassen, dass ihn ein Sorgfaltsverstoß
trifft und dieser für den Schaden ursächlich geworden ist. Diese Beweislastregel
gilt zur Begrenzung der Tierhalterhaftung der Bekl. auch bei der Prüfung des
Mitverschuldens der Geschädigten als Reiterin (vgl. BGH, NJW 1992, 2474; NJW
1993, 2611; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2009, 453).
41 Im vorliegenden Fall ist es der Geschädigten nicht
gelungen, die gegen sie sprechende Vermutung zu widerlegen. Der genaue
Unfallhergang war nicht mehr aufzuklären. Die als Zeugin vernommene Geschädigte
konnte sich nur noch daran erinnern, dass das Pferd durchgegangen, also
plötzlich losgerannt ist und dass sie nach dem Sturz am Boden lag und die Zügel
über dem Kopf des Pferds hingen. Ursachen dafür, weshalb das Pferd plötzlich
losgerannt ist und weshalb es ihr – anders als bei einem wohl ähnlichen Vorfall
in der Vergangenheit – diesmal nicht gelungen ist, das Pferd zu zügeln und sich
im Sattel zu halten, vermochte auch die Geschädigte nicht zu nennen. Die
Unaufklärbarkeit des Reitunfalls führt gem. § 834 S. 1 BGB in Verbindung mit
einer entsprechenden Anwendung des § 254 I BGB hier dazu, dass das vermutete
(Mit-)Verschulden der Geschädigten anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist
(vgl. BGH, NJW 1992, 2474; NJW 2014, 2434 = VersR 2014, 640; OLG Hamm, VersR
1975, 865 = BeckRS 1974, 00536).
42 c) Der Senat erachtet die anrechenbaren (Mit-)Haftungsanteile
der Bekl. als Pferdehalterin und der Geschädigten als Reiterin und Aufseherin
des Pferds als gleich hoch. Die durchgeführte Beweisaufnahme zum Hergang des
Unfalls hat keine tatsächlichen Hinweise für ein subjektiv vorwerfbares
Fehlverhalten der Bekl. oder der Geschädigten zutage gebracht. Die
Eintrittspflicht der Bekl. resultiert somit einzig aus der gesetzlichen
Gefährdungshaftung als Tierhalterin gem. § 833 S. 1 BGB. Andererseits beruht
auch die Mithaftung der Geschädigten lediglich darauf, dass es ihr nicht
gelungen ist, die in § 834 S. 1 BGB normierte Vermutung einer Pflichtverletzung
und ihrer Kausalität für den Unfall zu widerlegen. Die in entsprechender
Anwendung des § 254 I BGB anzustellende Abwägung der Verursachungsanteile führt
hier dazu, dass die Haftung der Bekl. auf 50 % beschränkt ist (so in ähnlichen
Fällen auch OLG Frankfurt a. M., r + s 1996, 137 und LG Bonn, Anerkenntnisurt.
v. 21.10.2011 – 3 O 272/06, BeckRS 2013, 06187; vgl. auch BGH, NJW 1993, 2611).
43 Die Mithaftung der Geschädigten muss sich die Kl. im
Rahmen der auf sie gem. § 116 SGB X übergegangenen Ansprüche anspruchsmindernd
zurechnen lassen.
44 8. Eine darüber hinausgehende Mithaftung der Geschädigten
folgt nicht aus dem Umstand, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls keinen Rückenprotektor
getragen hat. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der Senat davon
überzeugt, dass bei der Geschädigten eine „Glasknochenkrankheit“ oder eine
ähnliche (von der Bekl. vermutete) medizinische Vorbelastung nicht vorgelegen
hat. Die Geschädigte hat als Zeugin angegeben, definitiv weder damals noch
heute an der Glasknochenkrankheit gelitten zu haben oder zu leiden. Lediglich
bei ihrem Bruder sei eine leichte Form der Erkrankung festgestellt worden,
worüber sie sich damals mit der Bekl. unterhalten habe. Auch die im
beigezogenen Parallelverfahren (LG Nürnberg-Fürth, Az. 12 O 9015/11)
vorgelegten Arztbriefe zu den Unfallverletzungen der Geschädigten geben keinerlei
Hinweise auf eine bestehende Vorerkrankung. Dass die damals gesunde, 28-jährige
Geschädigte beim Reiten auf der Koppel keinen Rückenprotektor getragen hat, hat
somit keinen Einfluss auf die Haftungsquote.
45 Jedenfalls beim normalen Reiten auf der Koppel (anders mag es beispielsweise sein bei einer Fuchsjagd im Gelände oder Ähnliches) auf einem vertrauten Pferd besteht keine allgemeine Pflicht oder Obliegenheit, besondere Schutzkleidung, insbesondere einen Rückenprotektor, zu tragen. Spezielle Absprachen diesbezüglich werden auch von der Bekl. nicht behauptet.“
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