Fachbeiträge und Veröffentlichungen

„Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“
(Benjamin Franklin, 1706-1790, u.a. US-amerikanischer Staatsmann, Naturwissenschaftler und Schriftsteller)

Auswahl (Fach-)Artikel MPS Pferderecht

Es ist leider keine Seltenheit, dass Pferde beim Grasen auf der Weide oder beim Fressen von Rau- oder Kraftfutter Giftstoffe aufnehmen, die zu erheblichen gesundheitlichen Schäden (z.B. chronische Lebervergiftungen) oder im schlimmsten Fall sogar zum Tod des geliebten Vierbeiners führen können.

Teil 1 – Die Haftung des Anlagenbetreibers

Betrachten wir uns einmal die klassische Konstellation eines im Pensionsbetrieb mit organisiertem Weidegang eingestallten Pferdes und stellen die Frage, an wen sich der Pferdebesitzer zu halten hat, wenn sein Pferd im Stall oder auf der Weide „giftiges Futter“ zu sich nimmt.

„Jakobskreuzkraut“: nicht nur frisch giftig!

Es ist durch seine rasante und scheinbar unaufhaltsame Ausbreitung aktuell in aller Munde: das hübsch anzusehende, aber giftige „Jakobs-Greiskraut“ (lat: Senecio jacobaea, im Volksmund als „Jakobskreuzkraut“ bekannt). Immer wieder sind Presseberichte zu lesen, in welchen von einer „explosionsartigen Massenvermehrung“ dieser für Tiere gefährlichen Pflanze die Rede ist. Im Rahmen einer förmlichen Petition wurde für diese sogar bereits ein generelles Melde- und Bekämpfungsgebot eingefordert.

Zwar ist den meisten Pferdebesitzern inzwischen bekannt, dass die im Besonderen auf Stilllegungsflächen und extensiv genutzten (Pferde-)Weiden verbreitete und wegen ihrer strahlend gelben, margeritenähnlichen Blüten kaum zu übersehende Pflanze giftig ist und (dennoch) von Pferden gefressen wird. Was jedoch offensichtlich noch immer der Aufklärung bedarf, ist der Umstand, dass Jakobskreuzkraut – und dies gilt selbstverständlich auch für andere Giftpflanzen – nicht nur im frischen Zustand problematisch ist, sondern vielmehr ihre schädlichen Stoffe (die Pflanze enthält sog. Pyrrolizidin-Alkaloide, die zu chronischen Prozessen wie irreversiblen Leberschäden führen können) auch im Rahmen der Verarbeitung zu Heu, Silage oder sonstigen Futtermitteln nicht vollständig abbaut. Hier ist also für alle Beteiligten stets aller größte Vorsicht geboten!

Wer kommt mir aber nun für die Kosten auf, die infolge einer solchen Vergiftung entstehen?

Selbstverständlich sollten im Falle einer „Lebensmittelvergiftung“ das Wohl Ihres Tieres und damit eine sofortige tierärztliche Behandlung an oberster Stelle stehen. Doch spätestens nach Abschluss der kostenintensiven Behandlung des Pferdes – ob mit erfolgreichem Heilungsprozess (best-case) oder einer unvermeidlichen Einschläferung (worst-case) – werden sich die allermeisten Pferdebesitzer die Frage stellen, wer denn letztlich für den entstandenen Schaden einzustehen hat.

Als möglicher Adressat eines Schadensersatzanspruchs kommen je nach Fallkonstellation, d.h. Art und Herkunft des jeweiligen Futtermittels in Betracht: der Anlagenbetreiber, der Hersteller und der Futtermittelverkäufer.

Wie die Frage der Verantwortlichkeit eines Anlagenbetreibers wegen Verfütterung „vergifteten Futters“ rechtlich zu beantworten ist und welche Beweisschwierigkeiten damit oftmals verbunden sind, soll im Folgenden Gegenstand dieses zweiteiligen Beitrags sein.

Schadensersatzanspruch aus Pensionsvertrag – der „Pflichtenkatalog“ des Anlagenbetreibers

Auch wenn sich Haftungsfragen rund um das Thema Giftstoffe im Pferdefutter nicht schablonenartig beantworten lassen. Dies deshalb, weil es gerade wegen der teils komplexen Beweisfragen stets einer Einzelfallbetrachtung bedarf. Einige wesentliche Grundsätze lassen sich aber dennoch herausarbeiten und so eine systematische Annäherung an die Haftungsfrage erreichen.

Völlig klar ist zunächst, dass derjenige, der sein Pferd in einem Pensionsbetrieb mit Weideservice einstallt, auch ohne ausdrückliche schriftliche Fixierung ein Vertragsverhältnis begründet, aufgrund dessen beide Parteien verpflichtet sind, sich bei dessen praktischer Umsetzung so zu verhalten, dass „Leben, körperliche Integrität, Eigentum oder sonstige Güter“ des anderen Teils nicht verletzt werden. Sollte der Anlagenbetreiber also seiner ihm obliegenden Verpflichtung, achtsam mit den Rechtsgütern des Einstellers (z.B. seinem Eigentum Pferd) umzugehen, nicht nachkommen und ihm diesbezüglich ein Verschulden zur Last gelegt werden können, so macht er sich zwangsläufig schadensersatzpflichtig.

Kernfrage: Hat der Anlagenbetreiber schuldhaft einen Fehler begangen und hat sich genau dieser in der Verletzung oder dem Tod des Pferdes realisiert?

Wenngleich jedem Anlagenbetreiber im Zusammenhang mit der art- und verhaltensgerechten Einstallung und Versorgung von Pferden diverse Pflichten zur Vermeidung von Gefahren sowohl für den Einsteller selbst als auch dessen Tier obliegen, so muss andererseits auch klar sein, dass es schlicht nicht möglich ist, jeder denkbaren Gefahr vorzubeugen. Dem Anlagenbetreiber obliegen daher zwar neben seinen spezifischen vertraglichen Pflichten durchaus weitreichende sog. „allgemeine Schutz- und Verkehrssicherungspflichten“. Eine Sicherheitsgarantie schuldet dieser aber richtigerweise nicht.

Dass dem Pensionsbetreiber die Pflicht obliegt, seinen Betrieb zum Schutz von Mensch und Pferd so zu gestalten und zu erhalten, dass dieser sicher ist und keine (Rechtsguts-)Verletzungen verursacht, steht fest.

Nicht fest steht allerdings, was der Anlagenbetreiber in Bezug auf seine Weiden oder hinsichtlich der Fütterung der bei ihm eingestallten Tiere zur Erfüllung besagter Pflichten in welchem Umfang konkret zu beachten hat und welche Maßnahmen er in welchem Umfang nachzuweisen hat, um sich einer etwaigen Verantwortlichkeit zu entziehen, d.h. zu „entschuldigen“. Kurz gefragt:

Muss er also täglich alle Weiden auf Giftpflanzen ablaufen und seine Raufutterballen oder Kraft- und Zusatzfuttersäcke einzeln kontrollieren und dies protokollieren?

Haftung nur, wenn die Gefahrverwirklichung vorhersehbar war und der Anlagenbetreiber nicht alle ihm zumutbaren Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat!

Klar sollte sein, dass es (auch haftungsrechtlich) einen Unterschied machen muss, ob es darum geht, auf einer Weide eine leuchtend gelbe Pflanze zu erkennen und diese zu vernichten, oder ob ein in verschlossenen Säcken zugekauftes Futtermittel (Kraftfutter, Müsli & Co.) rechtzeitig vor seiner Verfütterung als kontaminiert, d.h. verdorben oder mit Giftstoffen belastet, erkannt wird.

Folgerichtig ist das Interesse des geschädigten Pferdebesitzers an einer uneingeschränkten Haftung des sicherungspflichtigen und für das Wohl des Pferdes verantwortlichen Pensionsbetreibers im konkreten Einzelfall stets dessen Schutz vor einem „grenzenlosen Pflichtenkatalog“ gegenüberzustellen.

Haftungsvoraussetzung 1: „Gefahr erkennbar“

Eine erste Eingrenzung des Pflichtenkatalogs wird durch die Rechtsprechung durch das Merkmal der „Vorhersehbarkeit“ vorgenommen. In einfachen Worten bedeutet dies, dass sobald die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung einer Gefahr (z.B. das Fressen von kontaminiertem Futter) als fernliegend einzustufen ist, der Anlagenbetreiber also schlicht nicht mit dieser zu rechnen braucht, er entsprechend wegen fehlender Sicherungsmaßnahmen (sofern im Einzelfall überhaupt möglich) auch nicht zur Haftung gezogen werden kann.

Haftungsvoraussetzung 2: „Sicherung zumutbar“

Als zweites eingrenzendes Merkmal wird schließlich die „Zumutbarkeit“ von Sicherungsmaßnahmen herangezogen. So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass „derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen ihm zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schädigungen anderer möglichst zu verhindern“ (vgl. BGH, Urt. v. 06.02.2007 – VI ZR 274/05). Dabei umfasst die rechtlich gebotene Verkehrssicherung all jene Maßnahmen, die ein „umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren“. Und zwar unabhängig davon, ob die Gefahr durch den Betreiber selbst (z.B. bei gefährlicher Gestaltung einer Reithallenbande) geschaffen wird oder erst durch unerlaubten, schuldhaften Eingriff eines Dritten entsteht.

„Jakobskreuzkraut“ ist als Gefahr erkennbar und dessen Beseitigung von einer Weide auch zumutbar!

Betrachten wir zunächst beispielhaft die Vorhersehbarkeit von mit giftigem Jakobskreuzkraut befallenen Weideflächen, so gilt festzustellen, dass diese bereits deshalb zu bejahen ist, weil es sich um eine bekannte und in der Praxis der Pferdehaltung immer wieder vorkommende Problematik handelt. Der hypothetische Einwand des Anlagenbetreibers, „er habe es nicht ahnen können“, wird daher kaum durchgreifen können.

Etwas komplexer gestaltet es sich jedoch bei dem Merkmal der „Zumutbarkeit“. Um hierbei einmal den zum Verständnis notwendigen Eindruck zu vermitteln, wie Gerichte dieses Kriterium beurteilen und in der Praxis anwenden, sollen auszugsweise drei Entscheidungen dargestellt werden, aus denen sich trotz aller Einzelfallbezogenheit durchaus wertvolle Rückschlüsse auf unsere aufgeworfene Haftungsfrage ziehen lassen:

  • AG Kiel vom 26.11.1993, Az.: 3 C 103/93: „Der Veranstalter eines Reitturniers genügt seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn er den Abreiteplatz jede Woche zwei bis dreimal mit einem speziell für diesen Zweck angeschafften eggeähnlichen Platzplaner abziehen lässt, um Fremdkörper zu entdecken und zu beseitigen.“
  • OLG Saarbrücken vom 28.03.2013, Az.: 4 U 26/12: „Der Betreiber einer sog. Portalwaschanlage ist in Erfüllung der gebotenen Verkehrssicherung nicht gehalten, den Waschbetrieb durch Bereitstellung von Personal oder Videoüberwachung lückenlos zu überwachen. Vielmehr kann es im Einzelfall genügen, die Bürsten zu Beginn des Waschbetriebs sorgfältig nach Fremdkörpern abzusuchen“.
  • BGH vom 24.01.2013, Az.: II ZR 98/12: „Einem Landwirt, der einen Unternehmer damit beauftragt, Lagerraps auf seinem 6,44 ha großen, frei zugänglichen Feld zu dreschen, ist es auch unter Berücksichtigung der werkvertraglichen Fürsorgepflicht i.d.R. nicht zumutbar, vor Ausführung der Arbeiten das Feld darauf hin zu untersuchen, ob Fremdkörper oder Werkzeuge (z.B. eine Kreuzhacke) aus dem Boden herausragen, die zu einer Schädigung des Mähdreschers führen können.“
  • Überträgt man diese Feststellungen auf unseren Fall, so wird es einem Anlagenbetreiber nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Diskussion um die rasante Vermehrung und enorme Schadensträchtigkeit des Jakobskreuzkrauts insbesondere für Pferde auch zuzumuten sein, seine Weideflächen regelmäßig auf das Vorkommen der Giftpflanze zu untersuchen und diese zu entfernen, seinen Grund und Boden zu düngen und sich notwendiges Spezialwissen anzueignen.

    Denn grundsätzlich gilt: je größer die Schadenswahrscheinlichkeit und je schwerer der drohende Schaden, desto mehr ist erforderlich und zumutbar.

    Wie oft allerdings Weiden zu kontrollieren sind, wird in Anlehnung an die dargestellten Entscheidungen im Ergebnis maßgeblich von der Größe der Anlage bzw. seiner Koppeln und Weiden abhängen. Im direkten Vergleich z.B. zum Fall eines Nageltritts dürfte aber wohl zu Lasten des Anlagenbetreibers zu berücksichtigen sein, dass es sich beim „Jakobskreuzkraut“ zumindest in seiner Blütezeit um eine auch auf größeren Flächen nur schwer zu übersehende Pflanze handelt.

    Verantwortlichkeit bleibt Einzelfallentscheidung

    Auch bei der Verfütterung von eingekauften Futtermitteln – so etwa beispielhaft bei Heu und Silage – hat der Anlagenbetreiber grundsätzlich darauf zu achten, dass dieses nicht kontaminiert ist. So sollte es regelmäßig möglich sein, darauf zu achten, keinen mit Schimmel befallenen Heuballen oder sonstiges „in Farbe, Konsistenz oder Duft auffälliges“ Futter zu verfüttern. Wie weit die Kontrollpflicht und damit die Verantwortlichkeit des Betreibers letztendlich allerdings gehen, wird im Endeffekt wieder von den beiden auf den jeweiligen Einzelfall anzuwendenden Kriterien der Vorhersehbarkeit und Zumutbarkeit abhängen.

    Zur praktischen Veranschaulichung der dargestellten Theorie sei beispielhaft ein Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27.03.2003 (Az.: 6 O 202/02) angeführt, mit welchem ein Anlagenbetreiber zum Schadensersatz verurteilt wurde, nachdem mehrere Pferde nach Fütterung mit Grassilage eingegangen waren. Das Gericht sah es in dem Fall als bewiesen an, dass das Pferd der Klägerin an Botulismus eingegangen ist, und dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (ein labortechnischer Nachweis lag nicht vor!) das von dem beklagten Anlagenbetreiber verfütterte kontaminierte Futter dafür ursächlich war.

    Verantwortlichkeit wird gesetzlich vermutet

    Was dem Anlagenbetreiber – und dies gilt es sich einmal vor Augen zu führen – zum juristischen Verhängnis wurde, ist der Umstand, dass es ihm im zu entscheidenden Fall nicht gelungen ist, die im Gesetz in § 280 Absatz 1, Satz 2 BGB normierte Vermutung seines Vertretenmüssens der Pflichtverletzung, d.h. unjuristisch gesprochen seine vermutete Verantwortlichkeit für den eingetretenen Schaden, zu widerlegen.

    Im Rahmen eines solchen vertraglichen Schadensersatzanspruchs ist es zunächst Sache des Einstellers, zu beweisen, dass der Anlagenbetreiber objektiv eine ihm obliegende Pflicht (hier zur Verfütterung von einwandfreiem, d.h. nicht verunreinigtem Futter) verletzt hat und dass zwischen dieser Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden ein sog. Ursächlichkeitszusammenhang bestand, also dass das kontaminierte Futter – was 1:1 auch auf den Fall „Jakobskreuzkraut“ oder „verschimmeltes Heu“ übertragen werden kann – die Erkrankung bzw. den Tod des Pferdes verursacht hat. Der Anlagenbetreiber hingegen hat schlüssig und zur Überzeugung des Gerichts vorzubringen, dass er die Pflichtverletzung wider die gesetzliche Vermutung nicht zu vertreten hat. Erschwert wird dies hierbei durch den Umstand, dass sich sein zu führender Entlastungsbeweis auch auf ein etwaiges Verschulden eines sog. Erfüllungsgehilfen (z. B. eines Mitarbeiters) erstrecken muss. Gelingt ihm diese Entlastung – wie im zu entscheidenden Fall – nicht, so haftet er grundsätzlich in vollem Umfang auf Schadensersatz.

    Fazit!

    Jedes Schadensereignis bedarf einer intensiven Einzelfallbetrachtung, die zusätzlich noch mit erheblichen Beweisschwierigkeiten behaftet sein kann. Ungeachtet dessen dürfen jedoch stets auch „Umstände jenseits des Juristischen“ nicht unberücksichtigt bleiben: sobald nämlich der Einsteller mit seiner Tierarztrechnung auf den Anlagenbetreiber zugehen und damit dessen Verantwortlichkeit für die Vergiftung des Pferdes zum Ausdruck bringen wird, dürfte die „gute Laune im Stall“ dahin sein. Zudem gilt es zu beachten, dass ein entsprechender Rechtsstreit vor Gericht nur ausnahmsweise ohne Einholung eines zeit- und kostenintensiven Sachverständigengutachtens entschieden wird. Gutes Durchhaltevermögen und die Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung sollten daher im Idealfall ebenso als Handwerkszeug in den Prozess mit eingebracht werden, wie das Bewusstsein, dass auch der sorgfältigste und gewissenhafteste Anlagenbetreiber nicht zu 100 % ausschließen kann, dass es auf seiner Anlage zu Beeinträchtigungen kommt. Um das „positive Stallklima“ daher gar nicht erst ins Wanken zu bringen, bietet sich im Falle kontaminierter Futtermittel zunächst die Überlegung an, ob nicht vielleicht im konkreten Fall alternativ ein Vorgehen gegen den Futtermittelverkäufer oder gar den Hersteller in Betracht kommt.

    Eine durchaus spannende und praktische Frage, die Gegenstand der Fortsetzung sein wird, nämlich:

    Teil 2 – Die Haftung des Herstellers oder Verkäufers von Futtermitteln für Pferde
    Die Gruppenhaltung von Pferden gilt bekanntlich als besonders artgerecht. Wer aber zahlt, wenn über unvermeidbare kleinere Blessuren hinaus Tritte und Bisse zu Verletzungen führen, die eine zeit- und kostenintensive tierärztliche Behandlung notwendig machen?

    Dass im Ernstfall niemand schuld und schon gar nicht Rechnungsempfänger sein möchte, dürfte bekannt sein. Es war daher letztlich nur eine Frage der Zeit, wann die Entscheidung des OLG Köln vom 10.12.13 (Az. 18 U 98/13) erstmals in anwaltlichen Schriftsätzen als Argumentationsgrundlage dafür herangezogen wird, dass Pferdebesitzer sich im Rahmen einer Offen-/Aktivstallhaltung nach dem Grundsatz „wir handeln bei dieser Einstallung auf eigene Gefahr“ per se nicht auf die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB berufen können.

    Bleibt man bei Trittverletzungen in einer art- und verhaltensgerechte(re)n Gruppenhaltung im Offen- oder Aktivstall also künftig vollständig auf seinen Kosten sitzen?

    Um die Antwort zur Beruhigung der Gemüter vorwegzunehmen: Nein! Wie die nachfolgenden Ausführungen nämlich aufzeigen, darf das vermeintliche „Schreckgespenst Az. 18 U 98/13“ meines Erachtens unter Einzelfallrechtsprechung verbucht werden. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass die Gerichte die zum Beschluss des OLG Köln führenden hippologischen und haltungsspezifischen Besonderheiten des Sachverhalts künftig auch ohne ausführliche und damit aufwändige schriftsätzliche Ausführungen richtig zu werten wissen.

    Unabhängig davon sollte die Entscheidung jedenfalls einmal mehr all jenen als „Warnung“ dienen, die sich als Tierhalter noch immer nicht ausreichend mit dem Thema „Tierhalterhaftpflichtversicherung & Co.“ beschäftigt haben.

    Was war eigentlich in dem der Kölner Entscheidung zugrundeliegenden Fall passiert?

    Die Besitzerin eines 1990 geborenen Wallachs hatte diesen seit etwa 1,5 Jahren in einer offenen Stallanlage mit insgesamt vier Ständern, Liegebereich und einem ca. 250 qm großen Paddock zusammen mit drei weiteren Pferden untergebracht. Nach einem Huftritt einer der drei Artgenossen erlitt der Wallach Verletzungen am linken Vorderbein (u.a. eine Fissur im Bereich der Elle), welche kostenintensive Behandlungen zur Folge hatten.

    Entgegen den uns Pferdebesitzern mitunter leidlich bekannten Grundsätzen der Tierhalterhaftung i.S.d. § 833 Satz 1 BGB, wonach derjenige, der ein Tier hält, grds. verschuldensunabhängig – ähnlich also wie bei der Betriebsgefahr beim Kraftfahrzeug – für ein von diesem verursachten Schaden einzustehen hat (sog. Gefährdungshaftung), sollte die Besitzerin des verletzten Wallachs nach Ansicht des OLG Köln jedoch „auf Ihren Kosten sitzen bleiben“.

    Da sie – so die Begründung des 18. Zivilsenats – ihr Pferd im Offenstall in eine Gruppenhaltung begeben habe, sei dies als haftungsausschließendes Handeln auf eigene Gefahr anzusehen. Sämtlichen Pferdehaltern habe nämlich im konkreten Fall klar sein müssen, dass es unter Berücksichtigung der Größe der Stallanlage sowie der Anzahl der eingestellten Pferde dauerhaft zu Interaktionen und in gewissem Umfang auch zu Auseinandersetzungen kommen würde. Alle Pferdehalter hätten daher, als sie ihre Tiere in die Herde gegeben hätten, das Risiko von Verletzungen in Kauf genommen, die typischerweise Ausfluss gewöhnlicher Auseinandersetzungen um die Rangordnung in einer kleinen Herde auf begrenztem Raum sind. Wer als Pferdehalter sein Tier in eine Gruppenhaltung gebe, der wisse letztlich um das gewöhnliche, in gewissem Umfang mit dieser Haltungsform untrennbar verbundene Risiko körperlicher Auseinandersetzungen der Tiere (Drohgebärden, Bisse und eben Tritte) und damit die spezifische Verletzungsgefahr. Gebe dieser mit Rücksicht auf Fragen artgerechter Haltung dennoch sein Pferd in eine Gruppe, so käme damit zum Ausdruck, dass man das entsprechende Risiko im wohlverstandenen Interesse des Pferdes zurückstelle.

    „Übersetzt“ bedeutet dies, dass es schlicht widersprüchlich wäre, wenn sich ein Geschädigter gerade die Kosten wiederholen könnte, die aus dem Schaden resultieren, für den er zuvor bewusst selbst das Risiko übernommen hat. Unabhängig von der Frage, welches Tier wie beteiligt war, soll daher nur er alleine im Rahmen dieses Risikos verantwortlich sein.

    Wie ist die Entscheidung des OLG Köln nun rechtlich einzuordnen?

    Aus Sicht des pferderechtsversierten Anwalts wirft der vom Gericht nach den Grundsätzen des Handelns auf eigene Gefahr angenommene Haftungsausschluss mehrere Fragen auf, nämlich zum einen, wie dieser mit dem vom OLG Koblenz in seinem Urteil vom 10.05.12 (Az. 2 U 573/09) zum Thema Weideunfall herausgearbeiteten Schutzzweck des § 833 Satz 1 BGB sowie der zu Fuchsjagten, Stafettenzeitspringen (vgl. BGH VI ZR 255/53 vom 24.11.54 oder VI ZR 69/91 vom 19.11.91) und Segelregatten bekannten Vergleichsrechtsprechung (hierbei OLG Karlsruhe vom 19.03.04 (Az. 23 U 6/03) und OLG Nürnberg vom 28.06.04 (Az. 8 U 202/03)) in Einklang zu bringen ist und zum anderen, wo denn für den Fall der Anwendbarkeit der vorbezeichneten Grundsätze in Bezug auf die Größe und Gestaltung eines Offen- bzw. Aktivstalls die maßgeblichen rechtlichen Grenzen zu ziehen sind.

    Bis zu welcher Fläche bzw. Stallgröße bei wie vielen Pferden soll dann noch von einem „stillschweigenden Haftungsausschluss“ des jeweils einstallenden Tierhalters ausgegangen werden können? Genügt also im Umkehrschluss eine bestimmte Grundfläche, um nicht die zum Wohle des Pferdes bewusst gewählte art- und verhaltensgerechte Haltungsform der Gruppe im Ergebnis teuer mit einem Haftungsverzicht zu bezahlen? Oder genügt bereits die typische Gestaltung eines modernen Aktivstallkonzepts mit unterschiedlichen Bereichen (Rau-, Kraft und Mineralfutter, Ruhe- und Wälzbereich, ggf. Allwettergebäude) und zahlreichen Raumteilerelementen, um der angenommenen Haftungsfreistellung zu entgehen?

    Die Grundsätze der Rechtsprechung des OLG Koblenz („Haftung nach Quote“)

    In seiner Entscheidung vom 10.05.12 stellte das OLG Koblenz fest, dass der Schutzzweck des § 833 BGB gerade den Fall erfasse, dass sich ein Tier unerwartet anders verhält als normal und voraussehbar und hierdurch ein Schaden entstehe. Gerade dies sei – so die schlüssige Urteilsbegründung – der typische Fall des Gefährdungshaftungstatbestands, der folgerichtig auch das ureigene Herdenverhalten von Pferden umfassen müsse.

    Das Gericht stellte weiter ausdrücklich fest, dass ein Berufen auf den Umstand einer fehlenden Aufklärbarkeit des genauen Hergangs eines schädigenden Ereignisses („ob“ und „wie“ der Mitwirkung einzelner Pferde an der Schädigung) nicht statthaft sein könne. Zugunsten des Geschädigten greife nämlich § 830 Absatz 1 Satz 2 BGB, dessen Schutzzweck einerseits die Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 Satz 1 BGB erfasse und dessen Zielsetzung eben gerade darin liege, Beweisschwierigkeiten zu überwinden und sicherzustellen, dass ein Ersatzanspruch nicht daran scheitert, dass nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren beteiligten „Tätern“, deren Handlungen jede für sich geeignet war, den Schaden zu verursachen, der eigentliche Schädiger gewesen ist. Auch in den Fällen der Tierhalterhaftung sei es daher – so die Richter – gerechter, alle haften zu lassen, die sich an der gemeinsamen Gefährdung in einer ihre Haftung begründenden Weise beteiligt haben, als den Geschädigten leer ausgehen zu lassen. Nur im Ausnahmefall sollte daher der Schutzzweck der Norm als nicht eröffnet angesehen werden.

    Fakt ist, Verletzungen, verursacht durch Artgenossen, die eine tierärztliche Behandlung nötig machen, kommen immer wieder mal vor. Wird der Vorfall dabei beobachtet und steht somit außer Frage, welches der Pferde den anderen Schaden zugefügt hat, kann der Halter des geschädigten Pferdes gegen den Halter des schädigenden Pferdes Schadensersatzansprüche aus der Tierhalterhaftung (§ 833 BGB), ggf. gemindert um eine Quote für die mitwirkende Tiergefahr des geschädigten Pferdes (§ 254 BGB), geltend machen.

    Die „Kölner Entscheidung“ ist dennoch für den gegebenen Einzelfall nachvollziehbar

    Auch wenn die Entscheidung des OLG Köln zunächst „große Augen verursacht“ und vermeintlich in Widerspruch zu den Grundsätzen des OLG Koblenz steht, so hat sie doch ihre Berechtigung und vor allem juristische Begründung. Die rechtliche Besonderheit des Falles lag nämlich in der individuellen Gestaltung des „Tatorts“.

    Dass es bei in der Gruppe gehaltenen Pferden wesensbedingt immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt, ist gleichermaßen bekannt wie unvermeidlich. Rangkämpfe oder andere Zwistigkeiten treten dabei erfahrungsgemäß insbesondere dann vermehrt auf, wenn der für die Haltung zur Verfügung stehende Raum recht begrenzt ist und den Tieren nur wenig Ausweichmöglichkeiten bietet. Ob im Zuge konkreter Auseinandersetzungen oder allgemein in Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Auslaufverhalten von Pferden, bei einem Paddock bzw. einer Gesamtfläche von ca. 250 qm ist das Verletzungsrisiko per se als erhöht anzusehen. Denn auf solch eng begrenztem Raum ist es den Tieren nur schwer möglich, bei rascher Bewegung nicht in den sog. Interaktionsbereich eines anderen Pferdes zu gelangen und in jeder Situation verletzungsträchtige Körperkontakte zu vermeiden.

    Kann es nun richtig sein, dass sich jemand auf die allgemeinen Grundsätze der Rechtsprechung des OLG Koblenz berufen und die Halter der übrigen zur Gruppe gehörenden Pferde auch wegen einer Verletzung des eigenen Pferdes in Anspruch nehmen kann, die gerade auf unvermeidbaren Interaktionen und Auseinandersetzungen der Tiere oder auf einem als artgerecht grundsätzlich gewünschten Auslaufverhalten der Tiere beruht? Wohl kaum!

    Dem OLG Köln ist zuzugeben, dass sich der geschädigte Tierhalter insbesondere dann mit der eigenen Entscheidung für eine Haltung des Pferdes in einer Gruppe von Tieren in Widerspruch setzt, wenn die Haltung in einer mit Rücksicht auf die Anzahl der zur Gruppe gehörenden Tiere räumlich eng begrenzten Anlage geschieht.

    Wo ist die räumliche und damit rechtliche Grenze zwischen Haftung und Haftungsausschluss nach den Grundsätzen des Handelns auf eigene Gefahr zu ziehen?

    Auch wenn die Entscheidung des OLG Köln wegen der räumlichen Besonderheiten nachvollziehbar ist, so sollte doch klar sein, dass eine Haftungsfreistellung nach den Grundsätzen des Handelns auf eigene Gefahr stets nur nach einer umfassenden Interessenabwägung und unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände (vgl. BGH vom 20.12.05 (Az. VI ZR 225/04) in eng gesteckten Grenzen greifen darf. Bestehen Zweifel, sollte es meines Erachtens daher sowohl juristisch dogmatisch mit Blick auf den Schutzzweck der Tierhalterhaftung als auch praktisch in Ansehung der Interessen der Einsteller begründet bei den allgemeinen Haftungsgrundsätzen und damit einer Anwendbarkeit des § 833 BGB verbleiben.

    Bedauerlicherweise lassen sich der „Kölner Entscheidung“ für den Rechtsanwender keine allgemeinen Leitlinien zur Bestimmung der Grenze zwischen Haftung (im „normalen Stall“) und Haftungsausschluss (im „räumlich eng begrenzten Stall“) entnehmen. Ebenso wie im konkreten Fall bei einer Grundfläche von lediglich ca. 60 qm/Pferd und gänzlich fehlenden Ausweichmöglichkeiten wegen der obligatorischen permanenten Interaktionen die Annahme eines Ausnahmetatbestands nachvollziehbar und begründbar ist, sollten die Grund-sätze des Handelns auf eigene Gefahr jedenfalls dann nicht zur Anwendung gelangen können, wenn sich der „Unfall“ auf einer Anlage zuträgt, die der typischen Gestaltung eines modernen Aktivstallkonzepts mit separaten Bereichen (Rau-, Kraft- und Mineralfutter-, Ruhe- und Wälzbereich, ggf. Allwettergebäude) und Raumteilerelementen entspricht.

    Fazit!

    Az. 18 U 98/13 ist – insoweit zur Beruhigung eines jeden Anhängers des Offen- bzw. Aktivstallkonzepts – kein Wandel der Rechtsprechung, sondern im Ergebnis lediglich eine stringente Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsregeln. Allerdings vermag auch diese Entscheidung die haftungsrechtlichen Sachverhalte nicht in „schwarz und weiß“ zu teilen, sodass es bei der bekanntermaßen breiten „Grauzone“ verbleibt, in der im Ergebnis stets nur eine individuelle tatrichterliche Einzelfallbetrachtung zielführend sein wird.

    Lediglich in Fällen, in denen gerade ihr eigener Stall in Größe und Gestaltung dem der „Kölner Entscheidung“ entspricht oder zumindest ähnelt, sollten sie „hellhörig“ werden.

    Im Übrigen gilt nach wie vor: Erst ausreichender Versicherungsschutz, dann Einstallung!!!
    Schon schlimm genug, dass Sie plötzlich eine Lahmheit Ihres Pferdes feststellen müssen. Aber dann auch noch die Gewissheit über die Ursache: NAGELTRITT!!!

    Selbstverständlich sollte hier zunächst die Gesundheit Ihres Vierbeiners und damit eine sofortige tierärztliche Behandlung im Vordergrund stehen. Nur allzu häufig treffen wir in der Praxis Fälle an, in denen ein Nageltritt, sei es, weil die Lahmheit vermeintlich nur leicht, oder weil die Einstichstelle aufgrund der Quellfähigkeit und Elastizität des weichen Horns von Strahl und Strahlfurchen nicht mehr sichtbar war, schlicht verschleppt wird. Ein Umstand, den es dringend zu vermeiden gilt.

    Denn: auch ein noch so unscheinbarer Nageltritt sollte stets als Notfall behandelt werden!

    Auch wenn der noch aus den „guten alten Zeiten der Arbeitspferde“ stammende Begriff „Nageltritt“ zumeist mit dem Eintreten eines (schlimmstenfalls rostigen) Nagels verbunden wird, kann es sich letztlich um jeden spitzen oder scharfen Gegenstand handeln, den sich ein Pferd in die Bodenfläche seines Hufs eintritt. Als Beispiele seien etwa Glas- oder Holzsplitter und starre Drähte genannt.

    Fakt ist: in den Huf bzw. das Gewebe eindringende Fremdkörper können unterschiedliche Strukturen, wie den Hornstrahl und Hufknorpel, das Strahlpolster, die (tiefe) Beugesehne, die Schleimbeutel, das Hufgelenk, die Huflederhaut oder gar den Knochen des Hufbeins eines Pferdes schädigen. Zudem besteht das Risiko, dass zusammen mit dem Fremdkörper Bakterien in die Wunde eindringen, die bei ausbleibender oder verspäteter Behandlung Ursache folgenschwerer Infektionen sein können.

    Da die erforderliche Behandlung des Pferdes nach einem Nageltritt mit Kosten verbunden ist, stellt sich abseits der Sorge um die Gesundheit für den Pferdebesitzer natürlich auch die Frage, wer denn nun für den Nagel verantwortlich ist und ob er an den Tierarztkosten „hängen bleibt“?!

    Unglück vs. Unrecht – hinzunehmendes (Lebens-) Risiko oder Haftung des Hallenbetreibers?

    Wie die Frage der Verantwortlichkeit nach einem Nageltritt rechtlich zu beantworten ist und welche (Beweis-) Probleme damit oftmals verbunden sind, soll nun im Überblick dargestellt werden.

    Eine Empfehlung möchte ich aber gerne bereits vorab aussprechen, und zwar: halten Sie den Sachverhalt – soweit es nur eben möglich ist – fest! Machen Sie Fotos, rufen Sie einen objektiven Zeugen hinzu und protokollieren Sie den Ablauf des Geschehens. Dies ist zugegeben Aufwand und in einer solch aufgeregten Situation leicht zu vergessen, kann im Prozess aber Gold wert und für dessen Ausgang (mit-)entscheidend sein. Zum einen ermöglichen Sie dem Gericht auf diese Weise eine gute, weil reale Vorstellung von den Örtlichkeiten im Stall, zum anderen sichern die Fotos die Situation zum Schadenszeitpunkt. Ein Umstand, der kostbare Zeit und Nerven sparen kann, da er dabei hilft, die oftmals phantasievollen und sich typischerweise widersprechenden Geschichten rund um den Schadenshergang bereits von vorneherein einzuschränken. Vor Gericht sind der Phantasie ja bekanntermaßen oftmals keine Grenzen gesetzt. Kaum ein tatsächlicher und rechtlicher Einwand und kaum eine spontane Windung im Sachverhalt, den man noch nicht erleben durfte.

    Auch wenn der vorliegende Beitrag sicher keine Schablone zur Beantwortung von Haftungsfragen rund um das Thema Nageltritt liefern kann, so ist es dennoch möglich, einige wesentliche Grundsätze herauszuarbeiten und sich der Haftungsfrage systematisch zu nähern.

    Ob in unserem Ausgangsfall nun ein Anspruch auf Ersatz der zu verauslagenden Tierarztkosten für die Untersuchung und Behandlung der Wunde sowie im ungünstigsten Fall einen operativen Eingriff besteht, ist davon abhängig, ob eine Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch gegen den Reithallenbetreiber vorliegt.

    Kernfrage: „Hat der Hallenbetreiber schuldhaft einen Fehler begangen und hat sich genau dieser in der Verletzung des Pferdes realisiert?“

    Der Betreiber einer Reitanlage ist dafür verantwortlich, dass von dieser keine Gefahren für Mensch und Tier ausgehen. Er hat auf diese Weise grundsätzlich dafür zu sorgen, dass Anbindevorrichtungen sicher, Weidezäune nicht morsch, Boxen nicht wegen hervorstehenden, scharfen Kanten gefährlich sowie Hallenbanden stabil sind und eben keine Nägel auf dem Hof oder in der Reitbahn herumliegen.

    Stichwort: „Verkehrssicherungspflichten des Stall- und Reithallenbetreibers“

    Gehen wir im Falle des Nagels in unserer Reithalle zudem vom mietvertraglichen Charakter der Nutzungsüberlassung einer Halle an den Pferdebesitzer aus (hier gilt es auch zu bedenken, dass nicht jeder, der eine Reithalle nutzt, notwendigerweise auch Einsteller auf dem Hof ist), so gehört es gemäß § 535 BGB zu den Kernpflichten des Vermieters in Person des Stall- bzw. Reithallenbetreibers, dass er dem Mieter das Mietobjekt (also die Reitbahn) zum vertragsgemäßen Gebrauch überlässt und dieses während der Mietzeit auch in einem vertragsgemäßen Zustand erhält (§ 535 Satz 2 BGB). Zum vertragsgemäßen Zustand einer Reithalle gehört nun zweifelsohne auch, dass der Hallenboden so beschaffen ist, dass sich Pferd und Reiter nicht durch spitze oder scharfkantige Gegenstände verletzen können. Unterlässt der Vermieter daher ihm zumutbare Sicherungsmaßnahmen (ein Absuchen des Bodens nach jeder Hallennutzung ist i.d.R. nicht zumutbar), so handelt er pflichtwidrig, mit der Folge, dass er für dadurch herbeigeführte Verletzungen und Schäden grundsätzlich zu haften hat. Zumindest kurz erwähnt seien an dieser Stelle auch die mietvertraglichen Vorschriften der §§ 536 und 536a BGB. Diese sehen nämlich für den Fall, dass die Gebrauchstauglichkeit einer Mietsache während der Mietzeit wegfällt oder zumindest spürbar eingeschränkt ist (z.B. wegen aufgefundener Fremdkörper in der Tretschicht des Reitbodens), die Möglichkeit zur Minderung oder gar Aussetzung der Miete sowie der Geltendmachung von Schadens- und Aufwendungsersatz vor.

    Letztendlich lässt sich auch mit Blick auf die vorstehend dargestellte vertragliche Haftung die Pflicht des Stallbetreibers so beschreiben, dass dieser durch den Betrieb seiner Anlage (und damit natürlich auch und gerade der Reitbahn als zentralem Ort der Sportausübung) mögliche Gefahrenquellen eröffnet, die er wiederum zu sichern und zu überwachen hat. Den Betreiber treffen sog. Verkehrssicherungspflichten, die mit (miet-) vertraglich begründeten Schutz- und Fürsorgepflichten identisch, aber auch selbständig neben diesen stehen können. Rechtssystematisch prüfen wir die Haftung wegen der Verletzung einer solchen Verkehrssicherungspflicht übrigens im objektiven Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB. Wir befinden uns also juristisch ebenso wie bei der Haftung des Tierhalters nach § 833 BGB im Bereich der sog. „Unerlaubten Handlungen“.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH v. 06.02.2007, Az.: VI ZR 274/05) ist „derjenige, der eine Gefahrenlage, gleich zu welcher Art, schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern“. Zwar ist weder eine vorbeugende Begegnung jeder abstrakten Gefahr möglich, noch besteht in Deutschland ein allgemeines Gebot, andere Personen vor einer Selbstgefährdung zu bewahren, oder das Verbot, diese zu gefährden oder zur Selbstgefährdung zu veranlassen (vgl. BGH VersR 2008, 3083). Derjenige, der sich selbst verletzt, kann denjenigen, der daran mitgewirkt hat, daher nur dann in Regress nehmen, wenn dieser einen zusätzlichen Gefahrenkreis für die Schädigung der betroffenen Person eröffnet hat. Ungeachtet dessen hat derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft, aber Rücksicht auf diese Gefährdung zu nehmen und infolgedessen die allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um Beeinträchtigungen fremder Interessen zu vermeiden. Dass es nun sicher helfen würde, die Reitbahn ständig auf etwaige Fremdkörper abzusuchen, ist klar. Aber ist dies dem Reithallenbetreiber im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht auch (rechtlich) zuzumuten?

    Kernfrage: Welche Sicherungsmaßnahmen sind zumutbar?

    Feststeht, dass für eine geschaffene Gefahrenquelle eine Haftung erst dann begründet wird, wenn sich aus der zu verantwortenden Situation vorausschauend für einen sachkundig Urteilenden die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter Dritter verletzt werden können. Durfte der Betreiber als „umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch“ davon ausgehen, dass seine (Sicherungs-)Maßnahmen ausreichend und weitere Vorkehrungen nicht notwendig waren, so fällt eine dennoch eintretende Schädigung eines Dritten als nicht voraussehbares Unglück in dessen alleinigen Risikobereich (Stichwort: „Unrecht vs. Unglück“). Es genügt nach ständiger Rechtsprechung daher, dass ein Grad an Verkehrssicherheit erreicht ist, den die im jeweiligen Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich, aber auch ausreichend hält.

    Um nun einen Eindruck zu vermitteln, wie Gerichte die Frage der „Zumutbarkeit“ beurteilen, sei nachfolgend auf einige Entscheidungen hingewiesen. Zwar sind auch diese selbstverständlich einzelfallbezogen und „nicht in Zement gegossen“. Es lassen sich aber dennoch wesentliche Grundsätze erkennen, die sich auf unseren Ausgangsfall des Nageltritts übertragen lassen.

  • AG KIEL vom 26.11.1993, Az.: 3 C 103/93: „Der Veranstalter eines Reitturniers genügt seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn er den Abreiteplatz jede Woche zwei bis dreimal mit einem speziell für diesen Zweck angeschafften eggeähnlichen Platzplaner abziehen lässt, um Fremdkörper zu entdecken und zu beseitigen.“
  • OLG KÖLN vom 05.09.1995, Az.: 22 U 23/95: „Auch bei der Teilnahme an einem Wettbewerb (im konkreten Fall einem ländlichen Reitturnier), der auf einer Auslobung beruht, kann der Teilnehmer erwarten, dass die Wettkampfanlagen keine Gefahren aufweisen, mit denen er nicht zu rechnen braucht. Gefahrenursachen, mit denen nach den Umständen zu rechnen ist, begründen keinen Anspruch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Ein Ersatzanspruch aus § 823 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht besteht ebenfalls nicht. Die Verkehrssicherungspflicht des Betreibers einer Sportanlage beschränkt sich darauf, die Benutzer vor Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko der Anlagenbenutzung hinausgehen und nicht ohne weiteres erkennbar sind.“
  • BGH vom 24.01.2013, Az.: II ZR 98/12: „Einem Landwirt, der einen Unternehmer damit beauftragt, Lagerraps auf seinem 6,44 ha großen, frei zugänglichen Feld zu dreschen, ist es auch unter Berücksichtigung der werkvertraglichen Fürsorgepflicht i.d.R. nicht zumutbar, vor Ausführung der Arbeiten das Feld darauf hin zu untersuchen, ob Fremdkörper oder Werkzeuge (z.B. eine Kreuzhacke) aus dem Boden herausragen, die zu einer Schädigung des Mähdreschers führen können.“
  • OLG SAARBRÜCKEN vom 28.03.2013, Az.: 4 U 26/12: „Der Betreiber einer sog. Portalwaschanlage ist in Erfüllung der gebotenen Verkehrssicherung nicht gehalten, den Waschbetrieb durch Bereitstellung von Personal oder Videoüberwachung lückenlos zu überwachen. Vielmehr kann es im Einzelfall genügen, die Bürsten zu Beginn des Waschbetriebs sorgfältig nach Fremdkörpern abzusuchen.“
  • Wie man den gerichtlichen Feststellungen entnehmen kann, spielen die Größe der zu sichernden Gefahrenquelle und damit der mit der Verkehrssicherung verbundene zeitliche und wirtschaftliche Aufwand eine wesentliche Rolle. Während im Falle des „offenen“ Rapsfeldes ein systematisches Durchsuchen sicherlich einen mehrtätigen Aufwand bedeuten würde, ist eine – zumal in der Regel nur bestimmten Personen zugängliche – kleinere Abreite- oder Longierhalle mit deutlich geringerem Aufwand sicher zu gestalten und zu erhalten. Hier wird es dem Verantwortlichen wohl zugemutet werden können, den Hallenboden regelmäßig(er) auf Fremdkörper hin zu untersuchen.

    Je größer die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung und je schwerer der drohende Schaden ist, desto höher ist das Maß des Erforderlichen und Zumutbaren. Vergessen wir auch nicht, dass wir hier nicht von einem Toaster, sondern eben von jenem „Tier als Mitgeschöpf“ sprechen, dessen Leben und Wohlbefinden wir gemäß § 1 TierSchG zu schützen haben. Im Ergebnis bleibt die Beantwortung der Haftungsfrage bei einem Nageltritt stets einer Gesamtabwägung aller Einzelfallgesichtspunkte vorbehalten. Auch für unseren Fall wäre daher entscheidend, wie und wo sich der Nageltritt konkret zugetragen hat und welche (Verkehrs-) Sicherungsmaßnahmen „im Prozess“ behauptet und letztlich auch zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden könnten. Kann der Hallenbetreiber beweisen, dass er den „Tatort“ mehrfach die Woche kontrolliert und der Nagel zwischenzeitlich unbemerkt in die Halle gelangt sein muss, so dürfte die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung aller Voraussucht nach scheitern (Stichwort: „Unglück“).

    Aber Vorsicht: behaupten, was man alles getan hat genügt nicht! Hier kann sich der Betreiber nur dann ausreichend entschuldigen, wenn er seine Verkehrssicherungsmaßnahmen beweisen kann und das Gericht diese unter Abwägung der konkreten Einzelfallumstände für ausreichend erachtet. Würde dieses daher doch feststellen, dass die Gefahrenquelle täglich zu kontrollieren war, so wären wir wieder im Bereich einer Haftung und damit der Verpflichtung zur Übernahme der Tierarztkosten.

    Auf zwei weitere Punkte sei noch ausdrücklich hingewiesen. Erstens begegnen wir in der pferderechtlichen Praxis gelegentlich dem Einwand des Eigentümers einer Reithalle, nicht er, sondern der R-Verein sei ja Betreiber der Anlage. Hier lässt sich kurz und knapp feststellen, dass der Eigentümer unter der Voraussetzung, dass er die Sicherung „seiner“ Gefahrenquelle zuverlässig garantieren kann, seine Verkehrssicherungspflicht zwar durchaus delegieren kann. Kontroll- und Überwachungspflichten, deren Verletzung wiederum zu einer Haftung führen kann, verbleiben aber auch in einen solchen Fall unausweichlich bei ihm. Zweitens kann eine an sich festzustellende Pflichtverletzung noch an der Gestaltung der der Reithallennutzung zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarung (i.d.R. als mietvertragliches Element Teil des Einstellervertrags) scheitern. Ist in dieser nämlich eine rechtlich wirksame Beschränkung der Haftung auf Fälle grober Fahrlässigkeit (Vorsicht bei formularmäßigen Verträgen!) vorgesehen, so würde dies vermutlich einen „gehörigen Dämpfer“ für die eigenen Erfolgsaussichten darstellen. Der Nachweis grober Fahrlässigkeit ist nämlich deutlich schwerer zu erbringen, als derjenige lediglich einfach fahrlässiger Schadensverursachung.

    Ungeachtet dessen dürfte klar sein: sobald Sie auf den Stallbetreiber mit Ihrer Forderung zugehen, die Tierarztkosten zu übernehmen und damit quasi zuzugeben, dass er an der Verletzung Ihres Pferdes schuld ist, dürfte die „gute Laune im Stall“ dahin sein. Sofern es zu einem Rechtsstreit kommt, sollte zudem bedacht werden, dass ein solcher vor Gericht praktisch nur im seltensten Fall ohne Einholung eines zeit- und kostenintensiven Sachverständigengutachtens entschieden wird. Gutes Durchhaltevermögen und die Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung sollten daher bestenfalls ebenso als Handwerkszeug in einen solchen Prozess mit eingebracht werden, wie das Bewusstsein, dass auch der sorgfältigste und gewissenhafteste Betreiber nicht zu 100% ausschließen kann, dass es auf seiner Anlage zu Beeinträchtigungen kommt.

    Fazit!

    Ob „noch Unglück oder schon Unrecht“ hängt letztlich von den Umständen des Einzelfalls, dem Nachweis der tatsächlich erbrachten Verkehrssicherung sowie der gerichtlichen Bewertung der Frage ab, ob dem Verantwortlichen weitere Sicherungsmaßnahmen zumutbar gewesen wären.
    Hunde trifft man in fast jedem Reitstall. Entsprechend kommt es beim Aufeinandertreffen von „Hund und Mensch“ oder „Hund und Pferd“ auch unvermeidlich immer wieder zu Zwischenfällen, die rechtliche und mitunter auch schmerzliche finanzielle Folgen für den Hunde- oder Pferdebesitzer haben können. Hierzu drei konkrete Fragen:

    Wer haftet, wenn Hund und Pferd auf einer Koppel aufeinandertreffen und es dabei zu einem Schaden kommt?

    2010 hatte das OLG Rostock einen Fall zu entscheiden, in dem ein auf eine Koppel gelaufener Dalmatiner ein Freizeitpferd derart erschreckt hatte, dass sich dieses beim Versuch, das Gatter zu überspringen, schwer verletzte. Das OLG urteilte, dass der Hundehalter dennoch nicht den gesamten Schaden zu ersetzen habe, da bei einem solchen Unfall wegen der bei hobbymäßig gehaltenen Tieren verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung (§ 833 S.1 BGB) nicht nur die vom unberechenbaren Verhalten des Hundes ausgehende sog. Tiergefahr eine Rolle spiele, sondern eben grundsätzlich auch das „typisch tierische“ Scheuen und in Panik geraten des Fluchttieres Pferd als Mitverschuldensanteil (i.d.R. 50%!) haftungsmindernd anzurechnen sei. Der Fall verdeutlicht, dass in Fällen, in denen Tiere aufeinander treffen, ein erhebliches Risiko dafür besteht, dass jeder der Halter auf seiner Tiergefahr und damit zumindest einer Quote sitzen bleibt. Ein Zurückdrängen des Verschuldensanteils des Pferdebesitzers (bis) auf null (dies mag unbillig erscheinen) käme in einem vergleichbaren Fall daher wohl letztlich nur dann in Betracht, wenn das nachweislich völlig passive Pferd förmlich angegriffen wurde und sich unmittelbar dabei verletzte. Was im Ausgangsfall das Bestehen einer Anleinpflicht für die Frage der Haftungsquoten konkret geändert hätte, ist durchaus fraglich. Meines Erachtens hätte dies mit Blick auf die Gerichtspraxis wohl höchstens zu einer Minderung der Pferdehalterquote (z.B. 30:70) geführt. Fazit: es bleibt dabei: erst Tierhalterhaftpflicht abschließen und dann mit Tieren raus!

    Wer haftet, wenn der Hund eines Einstellers im Reitstall ausgelegten Rattenköder frisst?

    Sei es wegen der Verletzung einer Schutz- bzw. Nebenpflicht aus dem Einstellervertrag oder aus dem Gesichtspunkt der Verletzung einer sog. Verkehrssicherungspflicht, der Reitstallbetreiber wird grundsätzlich bei sorgfaltswidriger Wahl des Ortes bzw. Art des Köders sowie bei unzureichender Kontrolle oder Kennzeichnung für einen am Eigentum des Einstellers (vgl. Hund = § 90a S.3 BGB) entstehenden Schaden einzustehen haben (§ 823 I BGB). Vorbehaltlich des in der Praxis eher untypischen Falles, dass Hunde verboten oder strikt anzuleinen sind und dies auch nachweislich Stallpraxis ist, oder, dass eine entsprechende Haftung zwischen Pensionsbetrieb und Einsteller wirksam ausgeschlossen oder begrenzt wurde, hat daher der Stallbetreiber etwaig entstehende Tierarztkosten oder schlimmstenfalls den Wert des Hundes zu ersetzen. Fraglich ist jedoch, ob nicht auch hier dem Hundebesitzer die Tiergefahr seines Hundes oder gar ein aktives Mitverschulden in Form einer Quote entgegenzuhalten ist. Im Ergebnis dürfte dies wohl immer dann relevant werden, wenn der Stallbetreiber tatsächlich hinreichend deutlich auf den Köder bzw. ein Hundeverbot oder zumindest die entsprechende Beaufsichtigungspflicht hingewiesen hat. Ebenso dürfte es zugunsten des Stallbetreibers zu berücksichtigen sein, wenn dieser den Köder an einem Ort ausgelegt hat, an dem schlicht nicht mit Hunden zu rechnen oder eine noch intensivere Kontrolle des Köders nicht zumutbar war. Fazit: Rattenköder im Stall birgt stets ein erhebliches Haftungsrisiko!

    Wer haftet, wenn der Reitstallbetreiber den Hund eines Einstellers mit dem Traktor anfährt?

    Grundsätzlich hat derjenige, der zumindest fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, diesem den entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 823 I BGB). Dies bedeutet, dass auch der Reitstallbetreiber, der einen im Eigentum eines Einstellers stehenden Hund anfährt, diesem die ggf. anfallenden Tierarztkosten zu ersetzen hat. Natürlich auch hier vorausgesetzt, es ist nicht ausnahmsweise wirksam die Haftung ausgeschlossen und dem Stallbetreiber ist überhaupt ein objektiv pflichtwidriges und subjektiv vorwerfbares Verhalten anzulasten. Musste er nämlich etwa wegen eines vertraglich vereinbarten Hundeverbots oder einer generellen Anleinpflicht auf dem Hof gar nicht mit freilaufenden Tieren rechnen oder fuhr er bereits sehr sorgsam und der Hund rannte ihm unvorhersehbar und damit letztlich unvermeidbar vor den Traktor, so muss eine Haftung richtigerweise bereits dem Grunde nach ausscheiden. Gehen wir von dem Fall aus, dass der Stallbetreiber grundsätzlich mit Hunden auf seinem Hof rechnen musste, so dürfte dennoch auch hier, sei es wegen Realisierung der spezifischen Tiergefahr des Hundes oder einem aktiven Mitverschulden des ggf. seine Anlein- oder Aufsichtspflicht verletzenden Hundehalters (§ 254 II BGB) haftungsmildernd zu berücksichtigen sein, dass der Unfall eben gerade auf einem Privatgrundstück passiert, auf dem bestimmungsgemäß Fahrzeuge bewegt werden. Es ist dem Hundehalter daher – unjuristisch gesprochen als „eigenes Risiko“ – zumindest anteilig zuzurechnen, dass dieser seinen Hund unbeaufsichtigt frei laufen lässt. Die Beantwortung der Frage, ob und ggf. mit welcher Quote ein Gericht eine Haftung des Stallbetreibers feststellen würde, dürfte im Ergebnis wesentlich von den Faktoren „Sorgfalt beim Traktorfahren“, „Hundeverbot bzw. Anleinpflicht, ja oder nein?“ sowie ggf. „Vorhersehbarkeit des Auftauchens eines Hundes am konkreten Ort des Unfalls“ abhängen. Folge: da der Stallbetreiber regelmäßig mit Hunden und der Hundebesitzer im Umkehrschluss typischerweise mit einem fahrenden Traktor auf dem Hof zu rechnen hat, wird auch in diesem Fall – nicht zuletzt wegen der üblichen Beweisproblematik – eine Haftungsverteilung im Verhältnis 100:0 oder 0:100 die seltene Ausnahme bleiben.

    Fazit!

    Da es dem Pferde- und/oder Hundebesitzer nach den Grundsätzen der verschuldensunabhängigen Tierhalterhaftung im Ergebnis nur in den seltensten Fällen gelingen wird, seine (Mit-)Haftungsquote zur Überzeugung des mit der Sache befassten Gerichts auf null zu reduzieren, kommt es letztlich einmal mehr maßgeblich darauf an, rechtzeitig und ausreichend versichert zu sein.

    Daher gilt: Erst Versicherung, dann raus mit Hund und Pferd!
    Eine der häufigsten Fragen zum Thema Reitbeteiligung dürfte sein, wer im Falle eines Unfalls an wen Ersatzansprüche geltend machen kann. Was passiert, wenn sich jemand bei einem Ausritt verletzt? Hätte ich mich selbst um eine Versicherung kümmern oder gar einen schriftlichen Vertrag abschließen müssen?

    Sie möchten eigentlich gerne wieder reiten, aber es fehlen die Mittel oder die Zeit für ein eigenes Pferd? Dann liegt eine Reitbeteiligung doch quasi auf der Hand. Reitbeteiligung bedeutet: die Mitnutzung eines fremden Pferdes gegen Bezahlung oder – noch „günstiger“ – gegen eine gewisse Arbeitsleistung (Füttern, Misten & Co.). Eine solche zu finden erscheint auf den ersten Blick auch gar nicht so schwierig. Gerade im Internet finden sich inzwischen diverse Seiten, die sich auf das Thema Reitbeteiligung konzentrieren. Aber auch für den Pferdebesitzer selbst kann eine Reitbeteiligung große Vorteile mit sich bringen. Zu denken ist etwa an die Arbeitserleichterung, reduzierte Kosten, die zusätzliche Ansprechperson „wenn’s mal zeitlich eng wird“ oder im besten Fall eine kompetente „Ausbildungskraft“ für das geliebte Pferd. Der Entschluss: „Lass es uns mit einer Reitbeteiligung versuchen“ drängt sich damit in vielen Fällen geradezu auf.

    Was nun Reitbeteiligung aus rechtlicher Sicht bedeutet bzw. wie diese im konkreten Einzelfall umgesetzt wird, hängt maßgeblich von der zugrundeliegenden schriftlichen oder – wie so häufig nur – mündlichen Vereinbarung ab. Je nach Ausgestaltung bestimmen sich dann auch die Rechte und Pflichten der beteiligten Personen. Oft heißt es: „Brauchen wir einen schriftlichen Vertrag? Denke nicht, was sollen wir denn da auch groß regeln?“

    Die Reitbeteiligung aus vertraglicher Sicht

    Da es keinerlei gesetzliche Bestimmungen zur Reitbeteiligung gibt, handelt es sich bei dieser letztlich um eine frei gestaltbare Vereinbarung zwischen dem Pferdebesitzer als Tierhalter und mindestens einer weiteren Person über die gemeinsame Nutzung bzw. den gemeinsamen Umgang mit einem Pferd. Der Reitbeteiligungsvertrag als sogenannter atypischer Vertrag sollte im Idealfall so detailliert wie möglich das gewünschte Verhältnis zwischen Pferdebesitzer und Reitbeteiligung widerspiegeln.

    Dazu ist erforderlich, dass sich die Vertragsparteien darüber einig werden, also auch darüber sprechen, was tatsächlich gewollt ist.

    Wesentliche und damit im Rahmen jeder Reitbeteiligung zu klärenden Fragen sind (u.a.):

  • Wer soll was dürfen und wozu im Gegenzug verpflichtet sein?
  • Was soll passieren, wenn sich eine Partei nicht an die Abmachungen (z.B. einen Nutzungsplan) hält oder es gar zu einem Unfall kommt?
  • Soll es Einschränkungen in Bezug auf Nutzungsumfang und -zeiten geben (z.B. „nicht Springen“, „Nutzung nur Di. und Do. von … bis …“, o.ä.)?
  • Darf sich die Reitbeteiligung selbst um eine Vertretung kümmern oder an einem Turnier teilnehmen und muss die Reitbeteiligung an ihren Nutzungstagen auch misten und füttern?
  • Ab wann soll ein vereinbartes Nutzungsentgelt, z.B. wegen andauernder Krankheit des Pferdes, ausnahmsweise entfallen?
  • Hat die Reitbeteiligung gegenüber dem Pferdehalter für die durch sie verursachten Schäden aufzukommen?
  • Grundfrage: Schriftlich oder mündlich?

    Ist es nun eigentlich generell egal, ob ich einen schriftlichen Vertrag über die Reitbeteiligung habe oder nicht? Da die Reitbeteiligung mangels gesetzlicher Vorgaben keiner bestimmten Form unterliegt, kann diese grundsätzlich „per Handschlag“ zwischen den Beteiligten abgeschlossen werden. Auch bei einer solchen nur mündlichen Absprache handelt es sich um einen verbindlichen Vertrag, der gerichtlich durchsetzbare Rechte und Pflichten begründet. Insoweit besteht kein Unterschied zum schriftlichen Vertrag. Sofern sie Ihre Reitbeteiligung jedoch nur mündlich regeln, sollten Sie bedenken, dass Sie die getroffenen Absprachen gegebenenfalls im Streitfall nachzuweisen haben. Nur durch Beweismittel wie etwa Zeugen dürfte es Ihnen daher gelingen, eines der bekanntesten Phänomene in den oftmals emotionalen rechtlichen Auseinandersetzungen wegen fehlender schriftlicher Fixierung zu vermeiden: Das „Das haben wir so nie besprochen-Phänomen“.

    Sichern Sie sich ab und halten Sie, vor allem wegen den bestehenden Haftungsrisiken (Stichwort: Tierhalterhaftung) die wesentlichen Punkte (u.a. Vorerkrankungen oder Verhaltensauffälligkeiten des Pferdes) schriftlich fest. Der Aufwand lohnt sich, zumal es inzwischen eine Vielzahl an Vertragsmustern zur Reitbeteiligung im Netz gibt, die im Gegensatz zu manchen anderen Pferdeverträgen, wirklich brauchbar sind. Je wertvoller (Ihnen) Ihr Pferd ist, desto eher sollte Ihr Augenmerk auf eine vertragliche Vereinbarung gehen. Gleiches gilt im Übrigen, wenn Minderjährige an der Reitbeteiligung beteiligt sind. In diesem Fall ist nämlich unbedingt darauf zu achten, dass Verträge von den Eltern als gesetzliche Vertreter unterzeichnet werden.

    Fazit: So lange alles „gut geht“, wird man auch mit einer mündlichen Vereinbarung prima leben können. Wehe aber, es kommt zum Streit. Da geschieht es nicht selten, dass eine ungünstige Vereinbarung niemals getroffen sein will. Ich empfehle daher dringend, zumindest die wesentlichen Absprachen schriftlich festzuhalten. Dies erscheint vielleicht lästig, hilft im Streitfall aber ganz sicher, Nerven zu sparen!

    Die Reitbeteiligung aus haftungsrechtlicher Sicht

    Wesentlich, weil oft mit weitreichenden negativen Folgen verbunden, ist die Frage der Haftung im Rahmen einer Reitbeteiligung. Hierzu bedarf es zunächst eines einleitenden Exkurses zum Begriff der sogenannten Tierhalterhaftung. Denn: wenn auch die Reitbeteiligung als Tierhalter anzusehen wäre, würde diese neben dem Pferdebesitzer Dritten gegenüber grundsätzlich verschuldensunabhängig für sämtliche Schäden haften, die das Pferd verursacht. Und zwar ohne, dass es auf einen „eigenen Fehler“ der Reitbeteiligung ankommt (§ 833 S.1 BGB).

    Tierhalter nach Maßgabe des Paragraphen 833 BGB ist, wer „die tatsächliche Bestimmungsmacht über das Tier übernimmt, aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nimmt und letztlich auch das Risiko seines Verlustes trägt“. Hiernach können sowohl Minderjährige Tierhalter im Sinne des Gesetzes sein, als auch mehrere Personen gleichzeitig als Mithalter in Frage kommen. Auf die Eigentumsverhältnisse am Tier kommt es dabei ebenso wenig an wie auf die Fragen, ob sich dieses zum Schadenszeitpunkt im (Eigen-)Besitz des Halters befunden hat oder den Halter tatsächlich ein Verschulden (z.B. eine Aufsichtspflichtverletzung) trifft. Grund für diese sogenannte Gefährdungshaftung ist die Annahme, dass aufgrund der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens mit einer Tierhaltung stets die Gefahr von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter verbunden ist.

    Der Tierhalter haftet somit per se, es sein denn, im Schadensereignis hat sich nachweislich nicht die „typische Tiergefahr“ verwirklicht. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung nur ausnahmsweise dann der Fall, wenn die Ursache des Fehlverhaltens nicht in einem „der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres“ liegt. Hiernach scheidet eine Haftung etwa bei bloßen Reflexbewegungen des Pferdes sowie in Fällen „höherer Gewalt“ ebenso aus, wie bei Schäden, die letztlich allein durch menschliche Fehllei(s)tung (z.B. Reitfehler) verursacht oder gerade mit bewusster Einwilligung in eine besondere Gefahrensituation, sogenanntes „Handeln auf eigene Gefahr“, entstanden sind. Heißt im Klartext: Steuert Ihre Reitbeteiligung das Pferd absichtlich in vollem Galopp über einen Golfplatz, so haften nicht Sie als Pferdebesitzer, sondern die Reitbeteiligung. Geht das Pferd jedoch durch, haften Sie. Denn dann ist der Schaden durch typisch tierisches Verhalten entstanden.

    Grundfrage: Wer ist eigentlich „Halter“ des Pferdes?

    Um die Frage der Haltereigenschaft einer Reitbeteiligung nun im konkreten Fall beantworten zu können, sind die individuellen Absprachen bzw. die tatsächliche Umsetzung der Reitbeteiligung zu untersuchen. Erfolgt die Überlassung des Pferdes nur gelegentlich und vor allem unentgeltlich? Oder sind an die Mitnutzung wesentliche Pflichten geknüpft, wie etwa die regelmäßige Fütterung, Pflege und Bewegung des Pferdes oder gar eine anteilige Übernahme der monatlichen (Unterhalts-) Kosten?

    Während im ersten Fall eine reine Gefälligkeit anzunehmen sein dürfte, die die Rechtsstellung und alleinige Haftung des Pferdebesitzers unberührt lässt, handelt es sich mit Blick auf die dargestellte Definition des Begriffs Tierhalter im Letzteren um eine Reitbeteiligung, in der diese regelmäßig als Mithalter angesehen wird.

    Bitte beachten Sie dabei, dass in der Frage des Vorliegens einer Gegenleistung die Übernahme von Pflichten, wie etwa Misten und Füttern, einer anteiligen Kostenübernahme immer dann gleichstehen kann, wenn diese ein gewisses wirtschaftliches Ausmaß erreicht, der Besitzer durch die erbrachten Leistungen also gerade finanzielle Aufwendungen erspart. Beide Fälle führen im Zweifel zur Annahme der Mithaltereigenschaft mit allen Konsequenzen der Tierhalterhaftung „auf Zeit“ (vgl. OLG Nürnberg v. 27.06.2011, Az.: 8 U 510/11)!

    Ist die Reitbeteiligung nun als Tierhalter anzusehen, so bedeutet das zum einen, dass auch diese gegenüber Dritten grundsätzlich verschuldensunabhängig für die vom Pferd verursachten Schäden einzustehen hat. Zum anderen sind eigene Schäden der Reitbeteiligung, d.h. Ansprüche gegenüber dem Pferdebesitzer ausgeschlossen. Diese werden weder durch die Tierhalterhaftpflicht des Pferdebesitzers noch (sofern das Risiko „Reiten“ nicht ausdrücklich einbezogen wurde) durch die private Haftpflicht abgedeckt. Ein Umstand, den es bei der Risikoabsicherung zu bedenken und etwa durch eine private Unfall-/Haftpflichtversicherung aufzufangen gilt!

    Wie Sie sicherlich bemerkt haben, gibt es neben den recht eindeutig als Reitbeteiligung oder Gefälligkeit zu wertenden Vereinbarungen auch „Grenzfälle“. Ist die gelegentliche Übernahme des Mistens oder Fütterns im Rahmen meiner unentgeltlichen Reitbeteiligung nun von solchem Ausmaß, dass ich als Mithalter anzusehen bin? Oder anders herum: Muss ich bei einem Reitunfall für den Schaden aufkommen, weil meine Reitbeteiligung – z.B. nach den Versicherungsbedingungen – eben nicht als solche gewertet wird und ich alleiniger Tierhalter bin?

    Fazit: Minimieren Sie das Risiko und treffen Sie – wie bereits gezeigt – eine schriftliche Vereinbarung, die neben den Rechten und Pflichten aus der Reitbeteiligung auch das Haftungsverhältnis aller Beteiligten sowohl bei Schädigungen Dritter, als auch derjenigen des Pferdes und der Reitbeteiligung selbst untereinander regelt.

    Die Reitbeteiligung aus versicherungstechnischer Sicht

    Die Bedeutung des Themas Versicherung, welches sich zentral mit der Haftung im Rahmen einer Reitbeteiligung und damit der konkreten Frage einer Schadensübernahme beschäftigt, kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Hier kann wegen den Haftungsrisiken nur die dringende Empfehlung ausgesprochen werden, sich so früh wie möglich mit der Tierhalterhaftpflicht über das zusätzlich abzusichernde Risiko eines neuen Reiters zu unterhalten. Viele Versicherungen haben die Relevanz dieses Themas ohnehin schon längst erkannt und bieten ihren Kunden – oftmals sogar ohne Prämienaufschlag – die Möglichkeit, eine Reitbeteiligung ganz unkompliziert in den bestehenden Vertrag miteinzubeziehen. Einen besseren Grund, dieses Angebot wahrzunehmen, dürfte es wohl kaum geben.

    Zwar umfasst eine Tierhalterhaftpflichtversicherung mit dem sog. „Gast- und Fremdreiterrisiko“ regelmäßig per se ein unentgeltliches, nur gelegentliches Fremdreiten, d.h. Ausleihen des Pferdes (bitte prüfen Sie insoweit Ihren Vertrag!). Die typische Reitbeteiligung unterfällt jedoch gerade nicht diesem Risiko und ist mit ihren vielfältigen Haftungsrisiken daher separat und vor allem ausdrücklich abzusichern.

    Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

    Zunächst einmal genießt die Reitbeteiligung den gleichen Versicherungsschutz wie der Pferdebesitzer, da sie nunmehr zu den mitversicherten Personen im Sinne der Versicherungsbedingungen zählt. Allerdings kann diese keine Ansprüche für eigene Schäden geltend machen, da diese vertragsgemäß als „Eigenschäden“ ausgeschlossen und daher selbst zu tragen sind. Im Gegenzug dazu verzichtet der Versicherer jedoch auf den Regress gegenüber der Reitbeteiligung, in den diese stets dann genommen werden würde, wenn sie z.B. durch Unterschreiten des Mindestabstands, also pflichtwidriges Verhalten, den Schadensfall (mit) ausgelöst hat.

    Eine weitere Absicherungsmöglichkeit besteht im Abschluss einer Unfallversicherung. Die in dieser vereinbarten Versicherungsleistungen (z.B. Invaliditätsentschädigung oder Krankenhaustagegeld) können bei entsprechender Einbeziehung im Schadensfall nämlich gleichsam auch der Reitbeteiligung zugutekommen.

    Zudem sollte unbedingt auf das Unterhalten einer Privathaftpflicht mit eingeschlossenem Risiko „Pferd“ bzw. „Reiten“ geachtet werden. Nur auf diesem Wege kann eine effektive Absicherung dahingehend erfolgen, dass auch durch reiterliche oder sonstige Fehler, also nicht allein durch die „Unberechenbarkeit und Willkürlichkeit tierischen Verhaltens“ verursachte Schäden ersetzt werden. Dass die Tierhalterhaftpflicht in solchen Fällen keine Zahlungen leisten würde, dürfte allgemein bekannt und verständlich sein.

    Fazit!

    Minimieren Sie das Haftungsrisiko durch Einbeziehung der Reitbeteiligung in die Pferdehalterhaftpflicht, Abschluss einer Privathaftpflicht mit Risiko „Reiten“ sowie einer internen vertraglichen Haftungsregelung. Und vor allem: Lassen Sie sich den Spaß an der Reitbeteiligung nicht verderben. Dies ist bei entsprechender vertraglicher und versicherungstechnischer Absicherung nämlich schlicht nicht notwendig!
    Wonach bemisst sich, ob eine bestimmte Haltungsform art- und verhaltensgerecht und damit tierschutzgemäß ist? Wie ist die verbreitete Einzelboxenhaltung von Pferden eigentlich im Lichte des Tierschutzgesetzes zu beurteilen? Und: Ergeben sich daraus konkrete Anweisungen für Pferdehalter? All dies sind Fragen, die mir in meiner Pferderechtspraxis regelmäßig begegnen und die es meines Erachtens einmal ausführlich darzustellen lohnt. Aufgabe und Ziel des Beitrags soll daher sein, einen systematischen Überblick über den Themenkomplex Pferdehaltung & Tierschutz zu vermitteln. Die Frage, ob letztlich im Einzelfall eine tierschutzgemäße Pferdehaltung vorliegt, lässt sich nämlich stets nur auf Grundlage einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände beantworten.

    Im Wesentlichen unterscheiden wir folgende Haltungsformen: Anbindehaltung, saisonale Weidehaltung („X/365“) oder Robusthaltung („365/365“), Gruppenhaltung in Lauf- oder Offenställen sowie Einzelboxenhaltung (ggf. kombiniert mit zeitweise Weide/Paddock).

    Dauerhafte Anbinde- bzw. Ständerhaltung ist tierschutzwidrig!

    Nicht zuletzt nach den im Juni 2009 aktualisierten Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten (Leitlinien 2009) ist die dauerhafte Anbindehaltung von Pferden, das heißt eine Haltungsform, bei der die Pferde in engen Ständern angebunden sind und sich neben dem Ablegen und Aufstehen weder frei bewegen oder wälzen, noch ausgestreckt liegen können, zunächst als generell tierschutzwidrig anzusehen. Mehr als nachvollziehbar, wenn man bedenkt, in welchem Ausmaß hier wesentliche Funktionskreise, d.h. Verhaltensbedürfnisse des Pferdes, eingeschränkt oder gar blockiert werden. Weder kann das Grundbedürfnis nach Bewegung, Körperpflege und Sozialkontakt gestillt werden, noch können sich die Pferde in die für den Tiefschlaf unerlässliche Seitenlage begeben. Es verwundert kaum, dass Verhaltensstörungen bei diesem Haltungssystem quasi vorprogrammiert sind. Folgerichtig wird mit Bayern im nächsten Jahr das letzte Bundesland diese tierschutzwidrige Haltungsform gänzlich unter ein gesetzliches Verbot stellen.

    Bricht man nun die verbleibenden Haltungssysteme auf ihre Grundform herunter, so stehen sich zwei konträre Modelle gegenüber: die Einzelboxenhaltung und die Gruppenhaltung.

    Beurteilungsmaßstab ist § 2 TierSchG

    Zwar ist der Tierschutz seit 2002 explizit in Art. 20 Grundgesetz als Staatszielbestimmung normiert. Diese stellt hierbei auch eine verfassungsrechtliche Wertentscheidung dar, die von der Politik bei ihrer Gesetzgebung sowie von den Verwaltungsbehörden und Gerichten bei der Auslegung und Anwendung des geltenden Rechts (insbesondere des TierSchG) zu beachten ist. Doch kann der Bürger aus dieser Vorschrift weder individuelle Ansprüche herleiten, noch hilft diese in ihrer nötigen Abstraktheit bei der Frage nach der konkreten Ausgestaltung einer Tierhaltung unter tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten. „Tierschutz ist eine Verantwortung, die die gesamte Gesellschaft trägt“, so Bundesministerin Ilse Aigner 2012 anlässlich des Vortrags „10 Jahre Staatsziel Tierschutz, Bilanz und Ausblick“.

    Es bleibt also dem geltenden Recht und damit letztlich § 2 TierSchG als Zentralnorm vorbehalten, den gesetzlichen Maßstab zur Beurteilung der „Zulässigkeit“ einer konkreten Haltungsform zu bilden. § 2 ist hierbei jedoch stets im Lichte des § 1 TierSchG zu sehen, dessen Wesenskern („Der Schutz des Lebens und Wohlbefindens eines Tieres als Mitgeschöpf liegt in der Verantwortung des Menschen“) es im Rahmen der Auslegung der in § 2 TierSchG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe (z.B. „angemessen“) zu bewahren gilt.

    Jeder, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, ist nach Maßgabe von §2 i.V.m. §1 TierSchG zum Schutze dessen Lebens und Wohlbefindens verpflichtet, das Tier in einer seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechenden Weise angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen. Außerdem darf er die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.

    Was bedeutet nun „angemessene verhaltensgerechte Unterbringung“?

    Trotz Domestizierung über Jahrtausende, dem Wandel vom Nutz- zum Begleittier, sowie aller züchterischer Bemühungen gilt nach wie vor: Das Pferd ist natur- und wesensgemäß ein Steppen-, Lauf-, Flucht- und Herdentier mit unverändertem stetigen Bedürfnis nach Bewegung, Luft, Licht und Kontakt zu Artgenossen. Die wesentlichen Funktionskreise des Pferdes sind neben dem Erkundungs-, Nahrungserwerbs-, Ausscheidungs-, Fortpflanzungs-, Mutter-Kind- und Spielverhalten im Besonderen das Sozialverhalten in Form von Kontakt zu Artgenossen, das sich vornehmlich in arteigener Körperpflege entfaltende Komfortverhalten, das arttypische Ruheverhalten in Gestalt des stehend sowie in Bauch- und Seitenlage stattfindenden Dösens, Schlummerns und Schlafens, sowie „last but not least“, das Bewegungsverhalten. Da Pferde sich zur Futter- und Wasseraufnahme bis zu 16 Stunden täglich im Sozialverband bewegen, dürfte rasch klar werden, dass wir Menschen einige zusätzliche Aufgaben zu erledigen haben, wenn wir unsere Pferde in kleineren (Lauf-)Ställen oder Einzelboxen halten.

    Was nun das Tierschutzgesetz in Bezug auf Haltungsform, Unterbringung und Bewegung eines Pferdes konkret fordert, lässt sich aus seinem Wortlaut allein nicht abschließend herleiten. Die Norm enthält unbestimmte Rechtsbegriffe, die wir für unseren Fall zunächst mit Leben füllen müssen. Als maßgebliche Quellen, d.h. letztlich als Auslegungswerkzeuge, stehen uns für die Bestimmung von tierschutzgemäßen Haltungs-, Nutzungs- und Umgangsformen neben der tiermedizinischen und verhaltenswissenschaftlichen Literatur (etwa die Merkblätter und Checklisten der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT)) im Besonderen die allgemeinen sachverständigen Äußerungen in Gestalt sog. „antizipierter Sachverständigengutachten“ zur Verfügung, zu denen auch unsere BMELV-Leitlinien aus 2009 gehören. Sie geben in ausführlicher Form Informationen und Anweisungen zur Ausgestaltung tierschutz-, weil art- und verhaltensrechter Haltungsbedingungen und können unmittelbar als Urkundsbeweis in einen Prozess einbezogen werden. Zusammengefasst: sie sind Pflichtlektüre für jeden Pferdehalter.

    Auf S. 17 der Leitlinien heißt es ausdrücklich wie folgt:

    „Grundsätzlich sind alle Pferde, unabhängig von Alter, Rasse, Geschlecht und Nutzungsart für die Gruppenhaltung geeignet. Wo immer möglich, sollen Pferde in Gruppen gehalten werden“.

    Das praktische Ideal des TierSchG ist also die mit ausreichend Bewegung und Sozialkontakten einhergehende Gruppenhaltung. Untermauert durch die „Leitlinien für den Tierschutz im Pferdesport“ (BMELV, 1992) ist nämlich davon auszugehen, dass Pferde ihre angeborenen Anlagen nur bei einem an die artgemäßen Anforderungen angepassten Haltungsumfeld voll entfalten können. Berücksichtigung findet somit die unstreitige Tatsache, dass die Einzelboxenhaltung wesentliche Funktionskreise wie das Sozial-, Erkundungs- und Bewegungsverhalten eines Pferdes einschränkt.

    Das praktische Ideal des Tierschutzgesetzes ist oft nicht realisierbar

    Kein Grundsatz ohne Ausnahme: Wie bereits angedeutet, enthält das Tierschutzrecht selbst Öffnungsklauseln. So normiert § 2 TierSchG „nicht so einschränken, dass“, sprechen die Leitlinien 2009 von „Wo immer möglich, sollen“ und kodifizieren die „Ethischen Grundsätze des Pferdefreundes“ der FN den Ausnahmefall des „unausweichlichen Zwangs“. Zudem fordert auch die faktische Handhabbarkeit der Pferdehaltung, d.h. nicht zuletzt die Tatsache, dass das praktische Ideal in vielen Fällen aus hippologischen, rechtlichen, wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen schlicht nicht realisierbar ist, dass eine Einzelboxenhaltung zuzulassen ist, WENN dies der konkrete Einzelfall (ob wegen Krankheit oder mangelnder Integrierbarkeit des Pferdes mit Schadensrisiko) gebietet und allgemein die Haltung so gestaltet wird, dass es dem Pferd die größtmögliche Entfaltung seines arttypischen Verhaltens ermöglicht, es vor Schäden bewahrt und in seiner Entwicklung nicht behindert („das Mindeste, aber auch Ausreichende“; vgl. Leitlinien 2009, S.15). Mindestanforderungen an eine Einzelboxenhaltung sind neben einem stetigen Sicht-, Hör-, Geruchs- und Körperkontakt zu Artgenossen (Leitlinien 2009, S.4) und einer ausreichenden Beschäftigung („Artgerechte Pferdehaltung“ des Deutschen Tierschutzbundes e.V. (2004), S.6f.) im Besonderen eine den physiologischen Anforderungen entsprechende Bewegung des Pferdes. Diesem ist täglich eine mehrstündige, freie Bewegung zu ermöglichen. Das VG Düsseldorf spricht hierbei in seiner Entscheidung vom 04.12.2006 (Az.: 23 K 4059/05) explizit von einer „3- bis 4-stündigen Bewegungsmöglichkeit im Freien, die sowohl die verhaltensgerechte Unterbringung wie auch die Möglichkeit zu artgemäßer Bewegung betrifft und für die Erfüllung der in § 2 Nr.1 und 2 TierSchG genannten Anforderungen erforderlich ist“. Kann diese nicht dauerhaft gewährleistet und dem Pferd etwa lediglich eine regelmäßige kontrollierte Arbeit angeboten werden, so scheidet die Einzelboxenhaltung nach Maßgabe des Tierschutzgesetzes und gestützt auf die Leitlinien 2009 sowie den „Nationalen Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren“ des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL- Schrift Nr.446, S.721) aus. Der Wert eines Pferdes allein kann die Einzelboxenhaltung tierschutzrechtlich übrigens nicht rechtfertigen.

    Fazit!

    Es ist im Grundsatz ein Verstoß gegen das TierSchG anzunehmen, wenn einem Pferd in Einzelboxenhaltung nicht täglich eine 3 bis 4-stündige, freie Bewegung angeboten wird. Sofern es hierbei bei einem Unterschreiten der Minimum-Standards oder generell ohne vernünftigen Grund zu Schmerzen, Leiden oder Schäden eines Pferdes kommt, ist sogar per se von einer Tierschutzwidrigkeit auszugehen. Ein Beispiel für ein verhaltensbedingtes Leiden nach Einschränkung der Funktionskreise des Pferdes sind zum Beispiel Abwehrreaktionen aufgrund von Rückenschmerzen wegen Bewegungsarmut. Erforderlich für einen Gesetzesverstoß ist mit dem AG Starnberg vom 06.02.2012 an dieser Stelle jedoch keineswegs, dass bereits tatsächlich ein negativer Erfolg eingetreten ist. Vielmehr genügt zur Bejahung eines Leidens und damit der Tatbestandsmäßigkeit, dass entweder mehrere Grundbedürfnisse in nicht unerheblichem Ausmaß oder ein bestimmtes Grundbedürfnis in ganz erheblichem Ausmaß unterdrückt werden bzw. wird.

    Einerseits: Artgerecht heißt nicht „wie in freier Wildbahn“
    Andererseits: 23-stündige Boxenhaltung ist gesetz-, weil tierschutzwidrig

    Die Gruppenhaltung stellt ohne Zweifel das naturähnlichere Haltungssystem dar. Sofern Sie jedoch – wie aufgezeigt – die natürlichen Verhaltensbedürfnisse Ihres Pferdes erkennen (lernen) und durch Erfüllung der Minimum-Standards deren Ausleben soweit wie rechtlich und tatsächlich (nicht ökonomisch!) praktikabel ermöglichen, ist die Einzelhaltung in Boxen am Maßstab des Tierschutzgesetzes als art- und verhaltensgerechte Pferdehaltung anzusehen.