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Zu den Ansprüchen auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Reitunfall im Reitunterricht

LG Potsdam, Urt. v. 21.04.2021 – 14 O 2/20, BeckRS 2021, 38465

Was macht die Entscheidung interessant? Das Urteil des Landgerichts Potsdam beschäftigt sich mit dem Thema Haftung nach Reitunfall im Reitunterricht – einem sehr praxisrelevanten Thema. Hierbei wird aber nicht nur die wichtige Unterscheidung zwischen der in § 833 Satz 1 BGB normierten verschuldensunabhängigen Haftung des Halters eines sog. Luxustieres (also klassisch dem „privat genutzten Pferd“) und der verschuldensabhängigen Haftung bei einem zu Erwerbszwecken (also zum Geldverdienen) gehaltenen und genutzten Pferdes (also z.B. zu Therapie-, Reitschul- oder Zuchtzwecken) behandelt. Vielmehr hat sich das Gericht detailliert mit der Sorgfaltspflicht eines Reitlehrers beschäftigt und dabei eine Reihe von Kriterien herausgearbeitet, aus denen man einen praktikablen Prüfungsmaßstab herauslesen kann.

Feststellungen: (a) Wer Reitunterricht nimmt, verzichtet dabei nicht auf etwaige vertragliche oder gesetzliche Ersatzansprüche, die sich aus der Tiergefahr des Pferdes ergeben (z.B. §§ 253 Abs. 2, 280 Abs. 1 oder 833 Satz 1 BGB = Tierhalterhaftung). (b) Die Verletzung der vertraglichen Sorgfaltspflicht nach § 276 BGB kann sich bei einem Reitunfall aus der Art der (Reit-)Übung, aus dem Alter und der Erfahrenheit des Reitschülers sowie des Pferdes, aus den konkreten Umständen des Unfalls, aus Warnzeichen in der konkreten Situation, aus einem unsachgemäßen Eingriff des Reitlehrers oder unterlassenen Maßnahmen, insbesondere aus der Erkennbarkeit/Vorhersehbarkeit der Gefahr in Bezug auf die Art der konkret ausgeführten (Reit-)Übung, der Konstitution des Reitschülers sowie des Pferdes, der Gewöhnung des Pferdes an die Übung und seinen Ausbildungsstand sowie schließlich aus dem Zusammenwirken von Reiter und Pferd ergeben. (c) Durch § 833 Satz 2 BGB wird die Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 Satz 1 BGB in eine Haftung für vermutetes Verschulden abgemildert, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das der Erwerbstätigkeit des Tierhalters dient (z.B. als Reit- und Springpferd in einer Reitschule). Die Haftung für ein solches Nutztier entfällt aber nur, wenn der Halter seiner Aufsichtspflicht genügt hat, oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

MPS Pferderecht - Zur Frage, wann Pferde "neu" oder "gebraucht" sind

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Zur Haftung bei der Begegnung von zwei Pferden auf einem Landwirtschaftsweg

OLG HAMM vom 16.06.1998, Az.: 27 U 206/97

Feststellungen: Sofern durch die Begegnung von zwei Pferden auf einem Landwirtschaftsweg genannten wechselseitig unberechenbare Reaktionen ausgelöst werden, die bei einem Kutschpferd zu einer unkontrollierten Fahrt des Gespanns über einen angrenzenden Acker führt, bei der sodann die Kutsche kippt und der Fahrer Verletzungen erleidet, haften beide Pferdehalter je zur Hälfte (also 50:50), wenn nicht genau geklärt werden kann, welches der beiden Pferde die primäre Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat.

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Zur Haftung beim Besuch einer Reithalle mit Kleinkindern

AG NÜRNBERG vom 18.07.2017, Az. 239 C 1390/17

Zur Haftung beim Besuch einer Reithalle mit Kleinkindern

Feststellungen: (a) Kommt es durch Poltergeräusche auf der Bande einer Reithalle sitzenden Kleinkindes mit seinen Füßen (im konkreten Fall hatte eine Besucherin ihr Enkelkind auf die Bande der Reitbahn gesetzt) zu einem Scheuen eines Pferdes in der Halle und daraufhin zu einer Verletzung der Reiterin (im konkreten Fall führte die Reiterin ihr Pferd, als dieses – mutmaßlich durch die Geräusche verursacht – plötzlich rückwärtsging und die Hand der Klägerin in den Zügel rutschte und nach hinten gerissen wurde; Folge war eine Schulterverletzung der Reiterin), so hat die Besucherin nicht haftend einzustehen, da sich im Scheuen des Pferdes letztlich lediglich eine Tiergefahr verwirklicht und ein solcher Ablauf für die Besucherin und ihr Enkelkind auch nicht vorhersehbar ist. Zwar mag das Verhalten der beklagten Besucherin – so das Gericht – ursächlich für die Verletzungen der klagenden Reiterin gewesen sein, jedoch genüge dies alleine nicht für eine Haftung, da der Schaden in konkreten Fall nicht adäquat zurechenbar sei. Die beklagte Besucherin habe sich überwiegend sozialadäquat verhalten, da ein Besuch der Reithalle grundsätzlich erlaubt und es sei auch nachvollziehbar sei, dass einem Kleinkind (die beiden Enkel waren 3 und 5 Jahre) ermöglicht werden soll, den Reitern in der Reitbahn und den Pferden auch zusehen zu können. Zwar habe die Besucherin, so das Gericht weiter, geringfügig eine Grenze überschritten, da die Füße des Kindes in das „Reitfeld“ hineinragten, maßgeblich für die Verletzungen und damit den Schaden sei jedoch das Verhalten des Pferdes, welches grundsätzlich in der Sphäre der Reiterin liege. Für die Beklagte sei es schlicht nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen, dass das Pferd auf das Poltergeräusch derart schreckhaft reagieren würde. (b) Die Bewertung der Vorhersehbarkeit eines Schadenseintritts kann sich dadurch ändern, dass vor Betreten der Reithalle darauf hingewiesen wird, dass man sich in der Reithalle grundsätzlich geräuscharm zu verhalten hat. Ein solcher Hinweis hat hierbei u. a. zu beinhalten, dass Pferde auch durch alltägliche Geräusche, wie z. B. das Treten eines kleinen Kindes gegen die Innenseite der Absperrung (Bande der Reitbahn), erschreckt werden könnten.

Informieren Sie sich doch auch gleich zu anderen Themen im Bereich „Haftung und Reithalle“, z.B. mit dem Beitrag Verkehrssicherungspflichten und Kaltstart in der Halle.

MPS Pferderecht - Haftung für Kleinkinder in der Reithalle

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Haftung des Hufschmieds – zu Anscheinsbeweis und Beweislastumkehr

OLG KÖLN vom 02.09.2016, Az: 19 U 129/15

Hufschmied haftet für fehlerhaften Beschlag – zu Anscheinsbeweis und Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler

Feststellungen: (a) Zeigt sich bei einem gesunden Turnierpferd nach einem fehlerhaften Beschneiden und Beschlag der Hufe durch den Hufschmied eine Lahmheit, so spricht der Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) dafür, dass die fehlerhafte Behandlung auch ursächlich (kausal) für die Lahmheit und die darauf beruhende Turnieruntauglichkeit des Pferdes ist. Die vermutete Verantwortlichkeit respektive der Anscheinsbeweis kann durch den Hufschmied unter anderem dadurch widerlegt werden, dass beauftragte Untersuchungen die ernsthafte Möglichkeit belegen, dass degenerative Veränderungen zur chronischen Lahmheit des Pferdes geführt haben. (b) Für den Hufschmied gilt der Grundsatz der Beweislastumkehr bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers ebenso wie bei einem Veterinärmediziner. Grund: auch die Tätigkeit des Hufschmieds bezieht sich auf einen lebenden Organismus. Zudem hat der Gesetzgeber in §1 Abs. 1 des Hufbeschlagsgesetzes explizit festgelegt, dass es Aufgabe des Hufschmieds ist, „die Gesundheit von Huf- und Klauentieren […] durch einen sach-, fach- und tiergerechten Huf- und Klauenbeschlag zu erhalten“.

MPS Pferderecht - Haftung - Hufschmied - Beschlag - Anscheinsbeweis

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Zum Handeln auf eigene Gefahr als Ausschluss der Tierhalterhaftung

BGH vom 17.03.2009, Az.: VI ZR 166/08

Zum Handeln auf eigene Gefahr als Ausschluss der Tierhalterhaftung – Haftungsausschluss zugunsten des Tierarztes für Schäden während der Behandlung?

Feststellungen: (a) Ein Haftungsausschluss aus Tierhalterhaftung wegen Handeln auf eigene Gefahr kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn sich der Geschädigte der Tiergefahr ausgesetzt hat, um aufgrund vertraglicher Absprache mit dem Tierhalter Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen. (b) Der Tierhalter haftet, soweit die tatbestandlichen Haftungsvoraussetzungen des § 833 S.1 BGB vorliegen, einem Tierarzt, der bei der Behandlung eines Tieres durch dessen Verhalten verletzt wird (im konkreten Fall durch Pferdetritt beim rektalen Fiebermessen). (c) Ein für die Verletzung mitursächliches Fehlverhalten des Tierarztes kann anspruchsmindernd nach § 254 BGB berücksichtigt werden.

MPS Pferderecht - Haftungsausschluss - Handeln auf eigene Gefahr

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