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Zur Tierhalterhaftung des Pferdebesitzers und zum Mitverschulden eines Bereiters

OLG SCHLESWIG vom 12.06.2015, Az. 17 U 103/14

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Haftung und Beritt lesenswert? Die Entscheidung verdeutlicht, warum mit der Übernahme des Beritts eines Pferdes nicht per se über die Grundsätze des Handels auf eigene Gefahr eine Haftung des Halters des Pferdes aus § 833 BGB ausgeschlossen ist. Auch liefert die Entscheidung eine anschauliche Darstellung dazu, wann ein Bereiter als Tieraufseher bzw. Tierhüter i.S.d. § 834 BGB anzusehen ist.

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) Wer als selbstständiger Bereiter „Problempferde“ bereitet und hierbei einen Unfall erleidet, kann den Pferdehalter grundsätzlich auch dann aus Tierhalterhaftung nach § 833 BGB in Anspruch nehmen, wenn bei besonders problematischem Verhalten des Pferdes der Tierhalter ihm konkret das weitere Bereiten anheimgestellt hat. Denn allein hierdurch wird der Bereiter nicht aus dem Vertragsverhältnis zum Pferdehalter entlassen und handelt daher auch nicht „auf eigene Gefahr“. (b) Reitet der Bereiter in einer derartigen Situation dennoch und wird er vom Pferd abgeworfen, kann allerdings sein Schadensersatzanspruch in Anwendung des § 254 BGB (im konkreten Fall auf 50 %, da der Bereiter das Pferd am Unfalltag beritten hatte, obwohl dieses an diesem Tag erkennbar widerwillig war und der Bereiter von der Besitzerin explizit auf diesen Umstand hingewiesen worden war) zu kürzen sein.

Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Im Fall des OLG Schleswig war der Kläger der private Krankenversicherer eines als selbstständiger Bereiter und Reitlehrer tätigen Pferdefachwirtes. Dieser hatte mit der Beklagten Halterin des Pferdes einen Vertrag geschlossen, nach dem er das Pferd „S“ ausbilden und ihm vorhandene Unarten wie Schlagen, Buckeln und Steigen abgewöhnen sollte. Nachdem der Bereiter das Pferd bereits vier Monate ausgebildet und mit diesem auch an Turnieren teilgenommen hatte, sollte am Tag des Unfalls, eine weitere Unterrichtseinheit erfolgen. Die Beklagte longierte das Pferd vor dem Bereiten, wobei für diese und den Bereiter erkennbar war, dass das Pferd an diesem Tag wiederum bockte und stieg. Die Beklage bot dem Bereiter darauf an, das Pferd an diesem Tag nicht zu reiten oder es zunächst weiter zu longieren. Der Bereiter erklärte gegenüber der Beklagten jedoch, er müsse die Konfrontation mit dem Pferd eingehen, um den bisherigen Ausbildungserfolg nicht zu gefährden. Als der Bereiter das Pferd im Anschluss ritt, schlug es aus, buckelte und stieg über einen Zeitraum von etwa 10 Minuten hinweg, bis es zum Abwurf kam. Der Bereiter schlug mit dem Kopf auf dem Hallenboden auf und zog sich Frakturen im HWS-Bereich zu, wodurch Heilbehandlungskosten i.H.v. EUR 76.521,84 entstanden sind.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (abrufbar im Volltext unter r+s 2016, 98) mit Angabe der Leseziffern:

(16) 1. Die Bekl. hat für den Schaden in Form der entstandenen und künftig noch entstehenden Schäden aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung gem. § 833 BGB einzustehen. Dieser Anspruch ist gem. § 86 VVG auf die Kl. übergegangen. Die in § 833 BGB begründete Gefährdungshaftung des Tierhalters findet ihren Grund in dem unberechenbaren und selbstständigen Verhalten eines Tieres und der dadurch hervorgerufenen besonderen Gefährdung (BGH r+s 2014, 304 juris Rn. 5; BGH r+s 2006, 301, juris Rn. 7 mwN). Das plötzliche Buckeln und Hochgehen war ein solches, auf die unberechenbare Natur des Tieres zurückzuführendes, selbstständiges Verhalten des Pferdes S.

(17) a) Die Haftung der Bekl. ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr ausgeschlossen. Der VN hat sich zwar in Kenntnis der Unarten des Pferdes und des Umstandes, dass das Pferd am 30. 1. 2012 erkennbar unwillig und die Gefahr eines Abwurfs nicht fernliegend war, dazu entschlossen das Pferd zu bereiten. Dennoch kommt ein Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nicht in Betracht.

(18) Grundlage eines solchen Haftungsausschlusses ist der Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Verhaltens (BGH r+s 2006, 301. Nach der Rspr. des BGH wird im Rahmen der Tierhalterhaftung eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anerkannt. Der Umstand, dass sich ein Geschädigter der Gefahr eines Tieres selbst ausgesetzt hat, ist regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 254 BGB zu berücksichtigen (BGH r+s 2014, 304 juris Rn. 7; BGH r+s 2009, 295; BGH r+s 2006, 301. Bei Personen, die sich – wie hier der VN – aus beruflichen Gründen der Tiergefahr aussetzen, ist ein vollständiger Haftungsausschluss sowohl in Hinblick auf den Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als auch unter Schutzzweckerwägungen abzulehnen (BGH r+s 2014, 304, juris Rn. 9). Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt (BGH r+s 2009, 395, juris Rn. 9). Realisiert sich das mit der Berufsausübung eines Geschädigten notwendigerweise verbundene Risiko, so erweist sich eine Inanspruchnahme des Tierhalters nicht als widersprüchlich.

(18) So liegt es hier. Der VN wurde als Reitlehrer und Bereiter damit beauftragt das Pferd zuzureiten. Aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Bekl. bestand ein triftiger Grund das Pferd an dem Unfalltag zu bereiten und sich hierzu in den Gefahrenkreis des Tieres zu begeben. Der VN handelte somit nicht auf eigene Gefahr, sondern in Erfüllung seiner, der Tierhalterin gegenüber eingegangen vertraglichen Verpflichtung.

(20) Dass die Bekl. dem VN im vorliegenden Fall angeboten hatte, die Unterrichtsstunde auf einen anderen Tag zu verlegen, ändert hieran nichts. Hierdurch wurde der VN nicht aus seinem Vertragsverhältnis entlassen oder der Vertragszweck als solcher verändert. Der VN sah sich in dieser Situation – aus seiner Sicht – mit der Entscheidung konfrontiert, seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Bekl. zu erfüllen und seine Gesundheit einem aufgrund des damaligen Verhaltens des Pferdes erhöhten Risiko auszusetzen oder durch Abstandnahme von einem Beritt den Vertragszweck zu gefährden. Nachdem sich der VN in dieser Situation für die Erfüllung seiner Vertragspflichten entschieden hat, ist es nicht als treuwidrig anzusehen, wenn nunmehr die Kl. aus übergegangenem Recht gegen die Bekl. Ansprüche wegen der Folgen des Abwurfs geltend macht. Wenn sich die Bekl. ihrer Tierhalterhaftung in der damaligen Situation hätte entziehen wollen, hätte sie den VN anweisen müssen, das Pferd nicht zu bereiten, so dass der Inhalt des Vertragsverhältnisses verändert worden wäre. Den Zuritt des Tieres an diesem Tag in das fachmännische Ermessen des VN zu stellen, war hierfür nicht ausreichend.

(21) b) Der grundsätzlichen Tierhalterhaftung der Bekl. steht auch nicht entgegen, dass der VN das Pferd zum Unfallzeitpunkt selbst geritten hat noch, dass er von der Bekl. damit beauftragt wurde, das Pferd zu bereiten. Der VN könnte damit zwar als Tieraufseher iSv. § 834 BGB anzusehen sein (vgl. unter II. 2 b). Die Haftung des Tierhalters nach § 833 BGB greift grundsätzlich aber auch dann ein, wenn der Tieraufseher im Rahmen seiner Aufsichtsführung durch das betreute Tier verletzt wird (BGH r+s 2014, 304, juris Rn. 6).

(22) c) Die Haftung der Bekl. war auch nicht durch einen stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses abbedungen. Abgesehen von der erkennbaren Gefahrträchtigkeit der übernommenen Tätigkeit gab es keine weiteren Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf einen entspr. Willen der Parteien zulassen würden. Die bloße Gefahrträchtigkeit der Tätigkeit genügt aber nicht für die Annahme eines stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses. Darüber hinaus entspricht es auch nicht der Interessenlage der Parteien, dass derjenige, der sich im Interesse seines Auftraggebers der mit seinem Beruf notwendig einhergehenden Tiergefahr aussetzt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, den Tierhalter vollständig von dessen gesetzlicher Haftung entbindet. Dies gilt insbes. unter Berücksichtigung, dass hinter der Bekl. eine Versicherung steht. Ein Haftungsverzicht, der lediglich den Versicherer entlasten würde, entspricht idR nicht dem Willen der Parteien und ihrem wohlverstandenen Interesse (BGH r+s 1992, 373, juris Rn. 14).

(23) 2. Die Tierhalterhaftung der Bekl. aus § 833 BGB ist allerdings in Anwendung des § 254 BGB einzuschränken, weil den VN der Kl. bei der Entstehung des Schadens ein eigener Verursachungsbeitrag traf, der mit 50 % zu bewerten ist.

(24) a) Ein Mitverschulden des VN ist allerdings nicht bereits darin zu sehen, dass er die Aufgabe des Zureitens und damit eine besonders gefahrgeneigte Tätigkeit übernommen hat.

(25) Im Rahmen von § 254 BGB kann lediglich vorwerfbares bzw. unsachgemäßes Verhalten anspruchsmindernd in Ansatz gebracht werden (vgl. auch BGH r+s 1992, 373; BGH r+s 2009, 395, juris Rn. 15). Ein Verhalten ist dabei nur dann als vorwerfbar anzusehen, wenn sich ein Arbeitnehmer aus freier Willensentschließung in eine Gefahrenlage begeben hat, diese Gefahrenlage aber ebenso hätte meiden können (OLG Hamburg, VersR 1965, 1009; vgl. auch OLG Naumburg, VersR 2008, 704).

(26) Mit der Übernahme einer bestimmten Tätigkeit geht das Risiko einher, bestimmte Verletzungen zu erleiden. Hierfür hat der Auftraggeber idR nur einzustehen, wenn ihn seinerseits ein Verschulden trifft, so dass es interessengerecht ist, dem Auftragnehmer nicht gleichzeitig die Gefahrträchtigkeit der von ihm übernommenen Handlung entgegenzuhalten. Sofern der Auftraggeber – wie hier die Bekl. – ein Tierhalter ist, trifft diesen zwar unabhängig von eigenem Fehlverhalten eine Einstandspflicht für etwaige Schäden, die der vom ihm Beauftragte im Zusammenhang mit der Arbeit an bzw. mit dem Tier erleidet. Aus dem Gesetz lassen sich aber keine Anhaltspunkte ableiten, in diesem Fall ausnahmsweise das Berufsrisiko des Auftragnehmers im Rahmen eines etwaigen Mitverschuldens zu berücksichtigen. Allein der Umstand, dass der Auftraggeber einer verschärften Haftung unterliegt, kann nicht dazu führen, das mit der Übernahme einer Tätigkeit verbundene Risiko der eigenen Verletzung anders zu bewerten und hierin bereits ein Mitverschulden zu sehen.

(27) b) Auch die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des VN als Tierhüter an dem Abwurf selbst kommt nicht in Betracht. Grundsätzlich gilt allerdings, dass ein Tieraufseher, der sich wegen der eigenen Schädigung an den Tierhalter hält, im Rahmen des Mitverschuldens auch die Vermutung des eigenen Verschuldens nach § 834 Satz 1 BGB gegen sich gelten lassen muss (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 833 Rn. 21).

(28) Tierhüter ist derjenige, der durch Vertrag jedenfalls als Nebenpflicht die Führung der Aufsicht über das Tier für den Tierhalter und damit die Sorge übernommen hat, dass kein Dritter durch das Tier geschädigt wird (Wagner in MüKo/BGB, 6. Aufl., § 834 Rn. 3; Palandt/Sprau, aaO, § 834 Rn. 2). Bei Zugrundelegung einer eher formalen räumlichen Betrachtungsweise liegt es nahe, den VN nicht als Tierhüter anzusehen. Denn die Bekl. als Tierhalterin war unstreitig während der gesamten Unterrichtsstunde anwesend, so dass sich das Pferd damit noch in ihrem räumlichen Einflussbereich befand. Legt man hingegen eine eher funktionale Betrachtungsweise zugrunde, erscheint es näherliegend, den VN trotz der Anwesenheit der Bekl. als Tierhüter anzusehen. Denn zum Zeitpunkt des Abwurfs hatte der VN die alleinige Einflussmöglichkeit auf das Pferd und aufgrund seines überlegenen Wissens in Bezug auf Pferde hätte für die Bekl. auch kein Anlass bestanden, dem VN bei Problemen zu Hilfe zu kommen. Vielmehr hatte sie ihn gerade wegen ihrer Probleme mit dem Pferd beauftragt, diesem die Unarten abzugewöhnen.

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Zur Haftung des Tierhalters als Beteiligter bei Schädigung durch mehrere Pferde – Wann realisiert sich die Tiergefahr?

BGH vom 24.04.2018, Az.: VI ZR 25/17

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Tierhalterhaftung lesenswert? Der BGH hat klargestellt, dass es für die Annahme einer Haftung des Halters eines Pferdes nach § 833 BGB nicht genügt, dass sein Pferd „irgendwie dabei bzw. auf der Koppel/Weide anwesend“ war, sondern dieses nachweislich einen „aktiven Beitrag“ geleistet haben muss (siehe unten Rdn. 13). Der BGH hat in seiner Entscheidung daher die Klage gegen die Pferdehalterin abweisen müssen, weil eben nach den Feststellungen zum Sachverhalt nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das Pferd der Beklagten zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ganz unbeteiligt abseits stand.

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) Der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht auf die Verschuldenshaftung beschränkt, sondern erfasst auch die Gefährdungshaftung, insbesondere die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB. (b) „Beteiligter“ i.S.d. § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nur derjenige, dessen Tatbeitrag zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt hat und zur Herbeiführung der eingetretenen Verletzung geeignet war. Im Fall der Gefährdungshaftung bedarf es hierzu einer konkreten Gefährdung des Betroffenen, die geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen. (c) Im Fall der Tierhalterhaftung nach § 833 Satz 1 BGB ist für die Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Voraussetzung, dass sich in dem Verhalten aller als Schadensverursacher infrage kommenden Tiere (im konkreten Fall Pferde)  eine spezifische Tiergefahr gezeigt hat und dass diese spezifische Tiergefahr im Hinblick auf den eingetretenen Schaden kausalitätsgeeignet war.

Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Die Klägerin war Halterin einer Stute, die Beklagte Halterin eines anderen Pferdes. Beide Pferde waren auf demselben Hof untergestellt und wurden vom Stallbetreiber – wie an anderen Tagen auch – zusammen mit zwölf weiteren Pferden auf einen eingezäunten, unbeobachteten Sand- und Gras-Paddock gebracht. Als die Pferde am Abend in den Stall geholt wurden, lahmte die Stute der Klägerin und hatte am rechten hinteren Bein eine leicht blutende Wunde. Über Nacht traten starke Schwellungen auf. Eine daraufhin durchgeführte tierärztliche Untersuchung zeigte erhebliche Beinverletzungen. Die Klägerin verlangte Schadensersatz mit der Behauptung, ihre Stute sei kurz vor dem Zurückholen in den Stall von einem anderen Pferd getreten worden, weil die Herde auf dem Paddock in Unruhe geraten sei. Die Klägerin trägt vor, der Umstand, dass nicht feststehe, ob das Pferd der Beklagten ihre Stute getreten habe, könne nicht relevant sein.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (Mitgeteilt mit Anmerkungen von Professor Dr. Johannes Wertenbruch, Marburg, abrufbar unter NJW 2018, 3439):

(9) Wird durch ein Tier eine Sache beschädigt, so ist nach § 833 S. 1 BGB derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, wobei eine Sachbeschädigung im Sinne dieser Vorschrift auch dann vorliegt, wenn – wie im Streitfall – ein (anderes) Tier verletzt wird (§ 90 a S. 2 BGB; vgl. ferner Senat, BGHZ 67, 129 = NJW 1976, 2130). Die Gefährdungshaftung nach § 833 S. 1 BGB setzt allerdings voraus, dass sich im Unfall eine „spezifische“ oder „typische“ Tiergefahr desjenigen Tieres verwirklicht hat, dessen Halter in Anspruch genommen werden soll (vgl. nur Senat, BGHZ 67, 129 = NJW 1976, 2130, 130 mwN; NJW-RR 1990, 789 = VersR 1990, 796 [797]; NJW 1982, 763 [764]). Dies ist dann der Fall, wenn ein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbstständiges Verhalten des betreffenden Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat ursächlich geworden ist, wobei Mitursächlichkeit – wie sonst auch – ausreicht (Senat, NJW 2015, 1824 Rn. 12, mwN).

(10) a) Das BerGer. vermochte bereits nicht festzustellen, dass überhaupt ein Verhalten des Pferdes der Bekl. für die Verletzungen der Stute der Kl. ursächlich war. Weder konnte es sich davon überzeugen, dass das Pferd der Bekl. die Stute der Kl. getreten und deren Verletzung damit unmittelbar herbeigeführt hat. Noch vermochte es die Gewissheit zu erlangen, dass die Stute der Kl. im Rahmen einer allgemeinen Unruhe, an der das Pferd der Bekl. in jedenfalls mitursächlicher Weise beteiligt war, zu Schaden kam, weshalb auch eine – im Rahmen von § 833 S. 1 BGB ausreichende […] – mittelbare Verursachung der Verletzung der Stute der Kl. durch das Pferd der Bekl. nicht feststeht.

(11) b) Über die fehlende Feststellung eines für die Verletzung der Stute der Kl. ursächlichen Verhaltens des Pferdes der Bekl. Hilft § 830 BGB nicht hinweg. Zwar ist die Vorschrift – was das BerGer. nicht verkannt hat – im Rahmen der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB grundsätzlich anwendbar. Eine Anwendung der Vorschrift des 830 I 2 BGB scheitert im Streitfall aber daran, dass es sich bei der Bekl. nicht um eine Beteiligte im Sinne dieser Vorschrift handelt.

(12) aa) In der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 830 I 2 BGB nicht auf die Verschuldenshaftung beschränkt ist, sondern auch die Gefährdungshaftung erfasst, insbesondere die Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB […] Auch das Halten eines Tieres kann die den Schaden verursachende „Handlung“ iSv § 833 S. 1 BGB sein […].

(13) (Weitere) Tatbestandsvoraussetzung des § 830 I 2 BGB ist aber auch in diesem Fall, dass der in Anspruch Genommene „Beteiligter“ ist. Beteiligter ist dabei nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nur derjenige, dessen Tatbeitrag zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt hat und zur Herbeiführung der Verletzung geeignet war […] Nur mit diesem Verständnis des Begriffs des Beteiligten ist gewährleistet, dass § 830 I 2 BGB – seinem Zweck entsprechend – nur Kausalitätszweifel, nicht aber auch Zweifel darüber überbrückt, ob einem auf Schadensersatz in Anspruch Genommenen überhaupt eine rechtswidrige Handlung zur Last fällt, ob (auch) er also unerlaubt und mit Verletzungseignung in die Schutzsphäre des Betroffenen eingegriffen hat […]. Ein solcher Eingriff in die Schutzsphäre des Betroffenen liegt auch im Fall der Gefährdungshaftung noch nicht allein in dem – abstrakt gefährlichen – Verhalten, an das der jeweilige Gefährdungstatbestand anknüpft, wie etwa dem Halten eines Tieres im Rahmen von § 833 BGB oder dem Halten eines Kraftfahrzeugs im Rahmen von § 7 StVG, mag der Betroffene auch im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit diesem Verhalten verletzt worden sein […] Erforderlich ist vielmehr eine darüber hinausgehende, konkrete Gefährdung des Betroffenen, die geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu […] Im Fall der Tierhalterhaftung nach § 833, 830 I 2 BGB ist Voraussetzung, dass sich in dem Verhalten aller als Schadensverursacher infrage kommenden Tiere eine spezifische Tiergefahr gezeigt hat und dass diese spezifische Tiergefahr im Hinblick auf den eingetretenen Schaden kausalitätsgeeignet war […] Dementsprechend hat der erkennende Senat im Urteil vom 15.12.1970 (BGHZ 55, 100) darauf abgestellt, dass sich alle dort als mögliche Schadensverursacher in Betracht kommenden Reitpferde (gemeinsam) in einer Weise bewegt hatten, die geeignet war, den eingetretenen Schaden in vollem Umfang zu verursachen […].

(14) bb) Nach diesen Grundsätzen war die Bekl. auf der Grundlage der Feststellungen des BerGer. nicht Beteiligter iSv § 830 I 2 BGB. Denn das BerGer. vermochte nicht auszuschließen, dass das Pferd der Bekl. während des verletzungsursächlichen Vorgangs unbeteiligt abseits stand. In diesem Fall hätte die Bekl. aber nicht unerlaubt und mit Verletzungseignung in die Schutzsphäre der Kl. eingegriffen. Dass die Hufe des Pferdes der Bekl. beschlagen waren und das Pferd der Bekl. zusammen mit der verletzten Stute der Kl. auf dem eingezäunten Paddock untergebracht war, ändert daran entgegen der Auffassung der Revision nichts.

Vgl. auch: JuS 2018, 1239 (mitgeteilt v. Prof. Dr. Martin Schwab), RÜ 2018, 554 (m. Anm. Claudia Haak)

MPS Pferderecht - ZUR HAFTUNG DES TIERHALTERS ALS BETEILIGTER BEI SCHÄDIGUNG DURCH MEHRERE PFERDE

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Zur DSGVO-konformen Forderungsabtretung eines Tierarztes an eine tierärztliche Verrechnungsstelle

VG MAINZ vom 20.02.2020, Az.: 1 K 476/19.MZ

Feststellungen: (a) Schließt ein Tierarzt mit einer tierärztliche Verrechnungsstelle einen Vertrag, der vorsieht, dass die Forderung abgetreten wird, sobald der Kunde mit der Zahlung der tierärztlichen Leistungen (im konkreten Fall wurde auch eine Vereinbarung über die Auftragsdatenverarbeitung geschlossen), so ist die Abtretung auch ohne Einwilligung des Kunden erlaubt. Als Rechtsgrund für die Übertragung komme – so das Verwaltungsgericht – Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO in Betracht, da die Bezahlung der offenen Forderungen eine Pflicht aus dem geschlossenen Arzt-Kontrakt darstelle. Ebenso könne sich der Tierarzt auf berechtigte Interessen gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO berufen. (b) Durch die Forderungsabtretung, bei der bis zum Verzug des Kunden eine Auftragsverarbeitung vorliegt, tritt keine Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO ein. (c) Mit der Forderungsabtretung sind keine zu einer ausdrücklichen Zustimmung führenden Gesundheitsdaten betroffen, da es ausschließlich um die Gesundheit des behandelten Tieres und nicht des Halters geht.

Gewährleistung beim Pferdekauf

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Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung im Zusammenhang mit einer Ankaufsuntersuchung im Pferdekaufvertrag

OLG HAMM vom 09.03.2010, Az.: 19 U 140/09

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Ankaufsuntersuchung lesenswert? Die Entscheidung des OLG Hamm ist lesenswert, weil sie sich in besonderer Ausführlichkeit mit der Frage beschäftigt, wie in einem Pferdekaufvertrag eine Vereinbarung im Zusammenhang mit einer Ankaufsuntersuchung zu lesen bzw. im Zweifel vom Gericht auszulegen ist. Sie macht mit Blick auf die Praxis und die Nutzung von zum Teil diskussionswürdigen Mustern auch nochmals deutlich, dass man sehr genau auf den Wortlaut der Vereinbarung achten sollte und eben unter Umständen das Muster doch nicht das wiedergibt, was man zwischen den Parteien eigentlich vereinbaren und niederschreiben wollte. Kernfragen: Rücktrittsrecht oder echte Wirksamkeitsbedingung? Aufschiebende oder auflösende Bedingung? Bei welchem Befund genau soll die Bedingung greifen?

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) In der Regel liegt in der Vereinbarung einer Ankaufuntersuchung die Abrede, dass der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen wird, dass der Käufer das Ergebnis der Ankaufuntersuchung billigt bzw. die Untersuchung ohne besonderen Befund bleibt. Sprechen die gesamten Umstände dafür, dass die Parteien keine aufschiebende Bedingung wollten, ist die Vereinbarung vielmehr dahin zu verstehen, dass der Vertrag bei Vorliegen eines „Befundes“ rückgängig gemacht werden kann, ist jedoch von der Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts auszugehen. (b) Ein Rücktrittsrecht von einem bereits geschlossenen Pferdekaufvertrag ist unverzüglich nach Kenntnis des Befundes der Ankaufsuntersuchung auszuüben, d.h. in der Regel binnen zwei Wochen. Andernfalls können Gewährleistungsansprüche wegen bei der Ankaufsuntersuchung festgestellter Mängel nicht mehr geltend gemacht werden.

Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Am 10. 06. 2008 kaufte die damalige Klägerin von der Beklagten ein Pferd für EUR 6.000. Im Kaufvertrag hieß es u.a.: „Der Wallach ist frei von gesetzlichen Fehlern“. Am 12. 06. 2008 stellte die Klägerin das Pferd in einer Klinik vor, in der sodann ein Kehlkopfleiden festgestellt wurde. Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 05. 07. 2008 an die Beklagte und teilte mit, dass sie das Pferd operieren lassen wolle. Man müsse sich entsprechend nochmals über den Kaufpreis unterhalten. Am 02. 04. 2009 erklärte die Klägerin schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil das Kehlkopfleiden sich leider nicht gebessert hatte. Das erstinstanzlich befaste Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagte hatte Erfolg.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (Mitgeteilt vom 19. Zivilsenat des OLG Hamm, abrufbar u.a. unter NJW-RR 2011, 66):

II. Die Kl. hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nach §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 346 BGB, da sie den bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Mangel der Bekl. gegenüber nicht unverzüglich angezeigt hat, so dass das Pferd mit den bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Befunden als genehmigt gilt und darauf bezogene Gewährleistungsrechte nicht mehr geltend gemacht werden können.

Die Parteien haben am 10. 6. 2008 einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Wallach zum Preis von 6000 Euro geschlossen. In dem von der Kl. aufgesetzten handschriftlichen Vertrag heißt es: „Eine Ankaufsuntersuchung wird vom Käufer veranlasst und bei Nicht-Befund vom Käufer bezahlt.” Wie diese Vereinbarung zu verstehen ist, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Sinn und Zweck einer Ankaufsuntersuchung ist in der Regel, Klarheit über den gesundheitlichen Zustand des Pferdes und gegebenenfalls das Vorliegen bestimmter Eigenschaften oder Anlagen zu bekommen. Die Ankaufsuntersuchung liegt sowohl im Interesse des Käufers als auch des Verkäufers. Für den Käufer bietet die Ankaufsuntersuchung eine Entscheidungsgrundlage dafür, ob er das Pferd kaufen bzw. behalten will. Der Verkäufer hat ein Interesse an Informationen über sein Haftungsrisiko und an der Bewahrung vor nachträglichen Ansprüchen des Käufers auf Grund bekannter Beschaffenheitsmerkmale. In der Regel liegt in der Vereinbarung einer Ankaufsuntersuchung die Abrede, dass der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen wird, dass der Käufer das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung billigt bzw. die Untersuchung ohne besonderen Befund bleibt. Das dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn die gegenseitigen Leistungen noch nicht vor Durchführung der Ankaufsuntersuchung erbracht wurden (OLG Köln, NJW-RR 1995,  113 (114)). Auf der anderen Seite kommt aber auch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) oder eines Rücktrittsvorbehalts (§ 346 Abs. 1 Alt. 1 BGB) in Betracht. Im vorliegenden Fall wurden mit Abschluss des Kaufvertrags die beiderseitigen Leistungen erbracht. Darüber, was geschehen soll, wenn die Ankaufsuntersuchung einen nachteiligen Befund erbringt, wurde zwischen den Parteien nach ihren Erklärungen in der Sitzung nicht ausdrücklich gesprochen. Nach der Formulierung im Kaufvertrag gingen die Parteien vielmehr davon aus, dass mit einem nachteiligen Befund nicht zu rechnen war, es also voraussichtlich bei dem Vertrag verbleibt. Die gesamten Umstände sprechen dafür, dass die Parteien keine aufschiebende Bedingung wollten, vielmehr ist die Vereinbarung aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers dahin zu verstehen, dass der Vertrag bei Vorliegen eines „Befundes” rückgängig gemacht werden kann. Dass die Vereinbarung keine klare Definition enthält, was unter „Befund” zu verstehen ist, und dass die Kl. auch bereit war, das Pferd beim Vorliegen bestimmter Befunde zu übernehmen, wie sich daran zeigt, dass sie das Pferd trotz des bereits bekannten Chip und der Herzerkrankung abnehmen wollte, spricht ferner dafür, dass die Parteien davon ausgingen, dass die Kl. eine Entscheidung treffen sollte, ob der Vertrag beim Vorliegen eines „Befundes” rückabgewickelt werden sollte oder nicht, die Parteien also ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbaren wollten.

Im schriftlichen Vertrag ist keine Regelung enthalten, wann die Ankaufsuntersuchung durchgeführt werden soll und wie lange die Kl. von dem vereinbarten Rücktrittsrecht Gebrauch machen kann. Die Kl. hat hierzu in ihrer mündlichen Anhörung erklärt, es sei bei Vertragsabschluss darüber gesprochen worden, dass die Ankaufsuntersuchung in den nächsten Tagen, wohl spätestens in einer Woche stattfinden sollte. Ob und wie lange die Kl. dann von einem Rücktrittsrecht Gebrauch machen kann, wurde nicht besprochen und ist daher durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Gegen die Vereinbarung eines unbeschränkten Rücktrittsrechts innerhalb der Gewährleistungs- und Verjährungsfristen spricht, dass eine solche Vereinbarung, sofern sie sich auf Mängel bezieht, auf Grund der gesetzlichen Regelungen überflüssig wäre. Anhaltspunkte dafür, dass der Kl. ein über die gesetzlichen Gewährleistungsrechte hinausgehendes, unbefristetes Rücktrittsrecht gewährt werden sollte, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr dient die Vereinbarung einer Ankaufsuntersuchung, wie oben dargelegt, dem Interesse beider Parteien. Vorliegend hatte die Bekl. ein Interesse daran, kurzfristig Klarheit über das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung zu erhalten, da sie gegebenenfalls die Kosten übernehmen und mit der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten rechnen musste. Dafür, dass die Parteien davon ausgingen, dass das Ergebnis jedenfalls bei Vorliegen eines „Befundes” unverzüglich mitgeteilt werden sollte, um kurzfristig Klarheit zu bekommen, spricht, dass die Ankaufsuntersuchung innerhalb weniger Tage durchgeführt werden sollte und zum anderen, dass die Kl. sich in ihrem Schreiben vom 15. 7. 2008 dafür entschuldigte, dass sie sich „jetzt erst melde”.

Die Interessenlage ist vergleichbar mit der beim Handelskauf vorgesehenen Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB. Beim Handelskauf wird eine Untersuchungspflicht der Ware durch§ 377 HGB vorgeschrieben, hier wurde sie zwischen den Parteien in Form der Ankaufsuntersuchung vereinbart. Wenn bei der Untersuchung der Sache Mängel festgestellt werden, müssen diese nach § 377 HGB unverzüglich dem Verkäufer angezeigt werden, anderenfalls gilt die Ware als genehmigt und Gewährleistungsrechte können diesbezüglich nicht mehr geltend gemacht werden. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der Umstände und der Interessenlagen auch hier.

Die Mitteilung des bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Kehlkopfpfeifens durch die Kl. ist nicht unverzüglich erfolgt. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB), das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist (BGH, NJW 2005, 1869). Obergrenze ist in der Regel eine Frist von zwei Wochen (Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl. [2010], § 121 Rdnr. 3 m.w. Nachw.). Für die Rügefrist nach § 377 HGB für einen entdeckten Mangel wird in der Regel eine Frist von ein bis zwei Tagen angenommen (Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. [2010], § 377 Rdnr. 35).

Die Ankaufsuntersuchung, bei der der Kl. das Ergebnis unmittelbar mitgeteilt wurde, fand am 12. 6. 2008 statt. Dass bei der Untersuchung „ein Ton” festgestellt wurde, hat die Kl. der Bekl. jedoch erst mehr als einen Monat später, mit Schreiben vom 15. 7. 2008 angezeigt. Soweit die Kl. in der mündlichen Verhandlung angeführt hat, sie habe zunächst überlegt, ob sie das Pferd zurückgeben oder es behalten und eine Operation durchführen lassen sollte, rechtfertigt dies keine längere Rügefrist. Einer Entscheidung, welche Gewährleistungsrechte sie geltend machen wollte, bedurfte es noch nicht. Sie hätte lediglich den Mangel rügen müssen, um sich die Gewährleistungsrechte zu bewahren.

Vgl. auch:  AG Schleswig, NJW 2010, 2893; Marx in: NJW 2010, 2839.

MPS Pferderecht - Zur Frage, wann Pferde "neu" oder "gebraucht" sind

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Zur Haftung bei der Begegnung von zwei Pferden auf einem Landwirtschaftsweg

OLG HAMM vom 16.06.1998, Az.: 27 U 206/97

Feststellungen: Sofern durch die Begegnung von zwei Pferden auf einem Landwirtschaftsweg genannten wechselseitig unberechenbare Reaktionen ausgelöst werden, die bei einem Kutschpferd zu einer unkontrollierten Fahrt des Gespanns über einen angrenzenden Acker führt, bei der sodann die Kutsche kippt und der Fahrer Verletzungen erleidet, haften beide Pferdehalter je zur Hälfte (also 50:50), wenn nicht genau geklärt werden kann, welches der beiden Pferde die primäre Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat.

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