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Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung im Zusammenhang mit einer Ankaufsuntersuchung im Pferdekaufvertrag

OLG HAMM vom 09.03.2010, Az.: 19 U 140/09

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Ankaufsuntersuchung lesenswert? Die Entscheidung des OLG Hamm ist lesenswert, weil sie sich in besonderer Ausführlichkeit mit der Frage beschäftigt, wie in einem Pferdekaufvertrag eine Vereinbarung im Zusammenhang mit einer Ankaufsuntersuchung zu lesen bzw. im Zweifel vom Gericht auszulegen ist. Sie macht mit Blick auf die Praxis und die Nutzung von zum Teil diskussionswürdigen Mustern auch nochmals deutlich, dass man sehr genau auf den Wortlaut der Vereinbarung achten sollte und eben unter Umständen das Muster doch nicht das wiedergibt, was man zwischen den Parteien eigentlich vereinbaren und niederschreiben wollte. Kernfragen: Rücktrittsrecht oder echte Wirksamkeitsbedingung? Aufschiebende oder auflösende Bedingung? Bei welchem Befund genau soll die Bedingung greifen?

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) In der Regel liegt in der Vereinbarung einer Ankaufuntersuchung die Abrede, dass der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen wird, dass der Käufer das Ergebnis der Ankaufuntersuchung billigt bzw. die Untersuchung ohne besonderen Befund bleibt. Sprechen die gesamten Umstände dafür, dass die Parteien keine aufschiebende Bedingung wollten, ist die Vereinbarung vielmehr dahin zu verstehen, dass der Vertrag bei Vorliegen eines „Befundes“ rückgängig gemacht werden kann, ist jedoch von der Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts auszugehen. (b) Ein Rücktrittsrecht von einem bereits geschlossenen Pferdekaufvertrag ist unverzüglich nach Kenntnis des Befundes der Ankaufsuntersuchung auszuüben, d.h. in der Regel binnen zwei Wochen. Andernfalls können Gewährleistungsansprüche wegen bei der Ankaufsuntersuchung festgestellter Mängel nicht mehr geltend gemacht werden.

Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Am 10. 06. 2008 kaufte die damalige Klägerin von der Beklagten ein Pferd für EUR 6.000. Im Kaufvertrag hieß es u.a.: „Der Wallach ist frei von gesetzlichen Fehlern“. Am 12. 06. 2008 stellte die Klägerin das Pferd in einer Klinik vor, in der sodann ein Kehlkopfleiden festgestellt wurde. Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 05. 07. 2008 an die Beklagte und teilte mit, dass sie das Pferd operieren lassen wolle. Man müsse sich entsprechend nochmals über den Kaufpreis unterhalten. Am 02. 04. 2009 erklärte die Klägerin schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil das Kehlkopfleiden sich leider nicht gebessert hatte. Das erstinstanzlich befaste Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagte hatte Erfolg.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (Mitgeteilt vom 19. Zivilsenat des OLG Hamm, abrufbar u.a. unter NJW-RR 2011, 66):

II. Die Kl. hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nach §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 346 BGB, da sie den bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Mangel der Bekl. gegenüber nicht unverzüglich angezeigt hat, so dass das Pferd mit den bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Befunden als genehmigt gilt und darauf bezogene Gewährleistungsrechte nicht mehr geltend gemacht werden können.

Die Parteien haben am 10. 6. 2008 einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Wallach zum Preis von 6000 Euro geschlossen. In dem von der Kl. aufgesetzten handschriftlichen Vertrag heißt es: „Eine Ankaufsuntersuchung wird vom Käufer veranlasst und bei Nicht-Befund vom Käufer bezahlt.” Wie diese Vereinbarung zu verstehen ist, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Sinn und Zweck einer Ankaufsuntersuchung ist in der Regel, Klarheit über den gesundheitlichen Zustand des Pferdes und gegebenenfalls das Vorliegen bestimmter Eigenschaften oder Anlagen zu bekommen. Die Ankaufsuntersuchung liegt sowohl im Interesse des Käufers als auch des Verkäufers. Für den Käufer bietet die Ankaufsuntersuchung eine Entscheidungsgrundlage dafür, ob er das Pferd kaufen bzw. behalten will. Der Verkäufer hat ein Interesse an Informationen über sein Haftungsrisiko und an der Bewahrung vor nachträglichen Ansprüchen des Käufers auf Grund bekannter Beschaffenheitsmerkmale. In der Regel liegt in der Vereinbarung einer Ankaufsuntersuchung die Abrede, dass der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen wird, dass der Käufer das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung billigt bzw. die Untersuchung ohne besonderen Befund bleibt. Das dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn die gegenseitigen Leistungen noch nicht vor Durchführung der Ankaufsuntersuchung erbracht wurden (OLG Köln, NJW-RR 1995,  113 (114)). Auf der anderen Seite kommt aber auch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) oder eines Rücktrittsvorbehalts (§ 346 Abs. 1 Alt. 1 BGB) in Betracht. Im vorliegenden Fall wurden mit Abschluss des Kaufvertrags die beiderseitigen Leistungen erbracht. Darüber, was geschehen soll, wenn die Ankaufsuntersuchung einen nachteiligen Befund erbringt, wurde zwischen den Parteien nach ihren Erklärungen in der Sitzung nicht ausdrücklich gesprochen. Nach der Formulierung im Kaufvertrag gingen die Parteien vielmehr davon aus, dass mit einem nachteiligen Befund nicht zu rechnen war, es also voraussichtlich bei dem Vertrag verbleibt. Die gesamten Umstände sprechen dafür, dass die Parteien keine aufschiebende Bedingung wollten, vielmehr ist die Vereinbarung aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers dahin zu verstehen, dass der Vertrag bei Vorliegen eines „Befundes” rückgängig gemacht werden kann. Dass die Vereinbarung keine klare Definition enthält, was unter „Befund” zu verstehen ist, und dass die Kl. auch bereit war, das Pferd beim Vorliegen bestimmter Befunde zu übernehmen, wie sich daran zeigt, dass sie das Pferd trotz des bereits bekannten Chip und der Herzerkrankung abnehmen wollte, spricht ferner dafür, dass die Parteien davon ausgingen, dass die Kl. eine Entscheidung treffen sollte, ob der Vertrag beim Vorliegen eines „Befundes” rückabgewickelt werden sollte oder nicht, die Parteien also ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbaren wollten.

Im schriftlichen Vertrag ist keine Regelung enthalten, wann die Ankaufsuntersuchung durchgeführt werden soll und wie lange die Kl. von dem vereinbarten Rücktrittsrecht Gebrauch machen kann. Die Kl. hat hierzu in ihrer mündlichen Anhörung erklärt, es sei bei Vertragsabschluss darüber gesprochen worden, dass die Ankaufsuntersuchung in den nächsten Tagen, wohl spätestens in einer Woche stattfinden sollte. Ob und wie lange die Kl. dann von einem Rücktrittsrecht Gebrauch machen kann, wurde nicht besprochen und ist daher durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Gegen die Vereinbarung eines unbeschränkten Rücktrittsrechts innerhalb der Gewährleistungs- und Verjährungsfristen spricht, dass eine solche Vereinbarung, sofern sie sich auf Mängel bezieht, auf Grund der gesetzlichen Regelungen überflüssig wäre. Anhaltspunkte dafür, dass der Kl. ein über die gesetzlichen Gewährleistungsrechte hinausgehendes, unbefristetes Rücktrittsrecht gewährt werden sollte, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr dient die Vereinbarung einer Ankaufsuntersuchung, wie oben dargelegt, dem Interesse beider Parteien. Vorliegend hatte die Bekl. ein Interesse daran, kurzfristig Klarheit über das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung zu erhalten, da sie gegebenenfalls die Kosten übernehmen und mit der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten rechnen musste. Dafür, dass die Parteien davon ausgingen, dass das Ergebnis jedenfalls bei Vorliegen eines „Befundes” unverzüglich mitgeteilt werden sollte, um kurzfristig Klarheit zu bekommen, spricht, dass die Ankaufsuntersuchung innerhalb weniger Tage durchgeführt werden sollte und zum anderen, dass die Kl. sich in ihrem Schreiben vom 15. 7. 2008 dafür entschuldigte, dass sie sich „jetzt erst melde”.

Die Interessenlage ist vergleichbar mit der beim Handelskauf vorgesehenen Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB. Beim Handelskauf wird eine Untersuchungspflicht der Ware durch§ 377 HGB vorgeschrieben, hier wurde sie zwischen den Parteien in Form der Ankaufsuntersuchung vereinbart. Wenn bei der Untersuchung der Sache Mängel festgestellt werden, müssen diese nach § 377 HGB unverzüglich dem Verkäufer angezeigt werden, anderenfalls gilt die Ware als genehmigt und Gewährleistungsrechte können diesbezüglich nicht mehr geltend gemacht werden. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der Umstände und der Interessenlagen auch hier.

Die Mitteilung des bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Kehlkopfpfeifens durch die Kl. ist nicht unverzüglich erfolgt. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB), das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist (BGH, NJW 2005, 1869). Obergrenze ist in der Regel eine Frist von zwei Wochen (Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl. [2010], § 121 Rdnr. 3 m.w. Nachw.). Für die Rügefrist nach § 377 HGB für einen entdeckten Mangel wird in der Regel eine Frist von ein bis zwei Tagen angenommen (Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. [2010], § 377 Rdnr. 35).

Die Ankaufsuntersuchung, bei der der Kl. das Ergebnis unmittelbar mitgeteilt wurde, fand am 12. 6. 2008 statt. Dass bei der Untersuchung „ein Ton” festgestellt wurde, hat die Kl. der Bekl. jedoch erst mehr als einen Monat später, mit Schreiben vom 15. 7. 2008 angezeigt. Soweit die Kl. in der mündlichen Verhandlung angeführt hat, sie habe zunächst überlegt, ob sie das Pferd zurückgeben oder es behalten und eine Operation durchführen lassen sollte, rechtfertigt dies keine längere Rügefrist. Einer Entscheidung, welche Gewährleistungsrechte sie geltend machen wollte, bedurfte es noch nicht. Sie hätte lediglich den Mangel rügen müssen, um sich die Gewährleistungsrechte zu bewahren.

Vgl. auch:  AG Schleswig, NJW 2010, 2893; Marx in: NJW 2010, 2839.

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