Archiv der Kategorie: Pferd und Haltung

Kein Haftungsprivileg nach § 104 I SGB VII für sog. Nothelfer

BGH vom 24.01.2006, Az.: VI ZR 290/04

Kein Haftungsprivileg nach § 104 I SGB VII für Nothelfer – kein unfallversicherungsgeschützter Arbeitsunfall

Feststellungen: (a) Der Versicherungsschutz für eine Hilfeleistung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII (Nothelfer) führt grundsätzlich nicht zu einem Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII (kein unfallversicherungsgeschützter Arbeitsunfall). Der Unfallversicherungsschutz wird für den Dienst an der Allgemeinheit gewährt. Er soll die Bereitschaft zur Hilfeleistung durch eine soziale Existenzsicherung fördern. Nicht bezweckt ist, den Unternehmer zu privilegieren, dem möglicherweise die Hilfeleistung zugutekommt. (b) Das Haftungsprivileg des § 104 SGB VII bezweckt zum einen, mit der aus den Beiträgen der Unternehmer finanzierten, verschuldensunabhängigen Unfallfürsorge die zivilrechtliche auf Verschulden gestützte Haftung der Unternehmer abzulösen, indem sie über die Berufsgenossenschaften von allen dazugehörigen Unternehmen gemeinschaftlich getragen und damit für den jeweils betroffenen Unternehmer kalkulierbar wird. Sie dient dem Unternehmer als Ausgleich für die allein von ihm getragene Beitragslast. Zum anderen soll mit ihr der Betriebsfrieden im Unternehmen zwischen diesem und den Beschäftigten sowie den Beschäftigten untereinander gewahrt werden. (c) Die Bindungswirkung des § 108 Abs. 1 SGB VII erstreckt sich auch auf die Entscheidung darüber, ob der Geschädigte den Unfall als Versicherer aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder II1 SGB VII oder als Hilfeleistender nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII erlitten hat. (d) Der Zivilrichter ist an die Entscheidung des Sozialversicherungsträgers gebunden, ob ein Arbeitsunfall vorliegt. Auch nicht, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist.

MPS Pferderecht - Arbeitsunfall - Nothelfer

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Verkehrssicherungspflicht – Voraussetzungen und Umfang

BGH vom 06.02.2007, Az.: VI ZR 274/05

Zu Voraussetzungen und Umfang einer Verkehrssicherungspflicht – was bestimmt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 II BGB)

Feststellungen: (a) Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (sog. Verkehrssicherungspflicht). (b) Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen. (c) Zu berücksichtigen ist, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. (d) Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 II BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind.

MPS Pferderecht - Verkehrssicherungspflicht

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Keine Einstandspflicht eines Versicherers bei Ausschluss der „Haftpflicht als Tierhalter“

BGH vom 25.04.2007, Az.: IV ZR 85/05

Keine Einstandspflicht eines Versicherers (Privathaftpflicht) bei Ausschluss der „Haftpflicht als Tierhalter“

Feststellungen: Eine Bestimmung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Privathaftpflicht, nach der die „Haftpflicht als Tierhalter“ nicht versichert ist, schließt die Einstandspflicht des Versicherers nicht nur für Ansprüche aus § 833 BGB, sondern gleichsam für all jene Haftpflichtansprüche aus, denen sich der Versicherte gerade in seiner Eigenschaft als Tierhalter ausgesetzt sieht. Das Verschließen der Boxentür (dies war im konkreten Fall nicht ordnungsgemäß geschehen) nach dem Ausmisten stellt eine geradezu tierhaltertypische Handlung dar, die mit einem wirksamen Ausschluss des Tierhalterrisikos vom Versicherungsschutz der privaten Haftpflichtversicherung ausgeschlossen ist.

MPS Pferderecht - Privathaftpflicht - Tierhalter

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Zur Privilegierung des Nutztierhalters nach Maßgabe des § 833 S.2 BGB

BGH vom 30.06.2009, Az.: VI ZR 266/08

Zur Haftungsprivilegierung des Nutztierhalters (Nutztier vs. Luxustier) nach Maßgabe des § 833 Satz 2 BGB sowie zum Thema Hütesicherheit (Stichwort: Weidezaun)

Feststellungen: (a) Die Haftungsprivilegierung des Nutztierhalters verstößt nicht gegen Art. 3 I GG, da auch heute noch eine Differenzierung zwischen Nutztier – und Luxustier einen sachlichen Grund darstellt. (b) Die Haftungsprivilegierung des Nutztierhalters ist durch Gesetz vom 30.05.1908 Bestandteil des BGB geworden. Nach der Begründung der Gesetzesnovelle sollte diese im Wesentlichen dem Schutz kleinerer Landwirte und Gewerbetreibender dienen und insbesondere dazu beitragen, Härten infolge der bei diesen Tierhaltern häufig bestehenden Versicherungslücken zu vermeiden. (c) Die sog. Hütesicherheit ist nicht allein durch eine ordnungsgemäße Umzäunung der Weide (Stichwort: sicherer Weidezaun), sondern darüber hinaus durch Einhaltung weiterer Sorgfaltsanforderungen an den Tierhalter sicherzustellen. Hierzu kann etwa die Auswahl einer aufgrund ihrer Größe geeigneten und den Sicherheitsbelangen Dritter gerecht werdenden Weide zählen.

MPS Pferderecht - Nutztier - Hütesicherheit - Weidezaun - Haftungsprivilegierung

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Haftung im Aktivstall/Offenstall – Artgerechte Pferdehaltung vs. erhöhtes Haftungsrisiko

Haftung im Offenstall/Aktivstall

Artgerechte Pferdehaltung vs. erhöhtes Haftungsrisiko

Haltung von Pferden im Aktivstall/Offenstall – die Gruppenhaltung von Pferden gilt bekanntlich als besonders artgerecht. Wer aber zahlt, wenn über unvermeidbare kleinere Blessuren hinaus Tritte und Bisse zu Verletzungen führen, die eine zeit- und kostenintensive tierärztliche Behandlung notwendig machen?

Dass im Ernstfall niemand schuld und schon gar nicht Rechnungsempfänger sein möchte, dürfte bekannt sein. Es war daher letztlich nur eine Frage der Zeit, wann die Entscheidung des OLG Köln vom 10.12.13 (Az. 18 U 98/13) erstmals in anwaltlichen Schriftsätzen als Argumentationsgrundlage dafür herangezogen wird, dass Pferdebesitzer sich im Rahmen einer Offen-/Aktivstallhaltung nach dem Grundsatz „wir handeln bei dieser Einstallung auf eigene Gefahr“ per se nicht auf die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB berufen können.

Bleibt man bei Trittverletzungen in einer art- und verhaltensgerechte(re)n Gruppenhaltung im Offen- oder Aktivstall also künftig vollständig auf seinen Kosten sitzen?

Um die Antwort zur Beruhigung der Gemüter vorwegzunehmen: Nein! Wie die nachfolgenden Ausführungen nämlich aufzeigen, darf das vermeintliche „Schreckgespenst Az. 18 U 98/13“ meines Erachtens unter Einzelfallrechtsprechung verbucht werden. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass die Gerichte die zum Beschluss des OLG Köln führenden hippologischen und haltungsspezifischen Besonderheiten des Sachverhalts künftig auch ohne ausführliche und damit aufwändige schriftsätzliche Ausführungen richtig zu werten wissen.

Unabhängig davon sollte die Entscheidung jedenfalls einmal mehr all jenen als „Warnung“ dienen, die sich als Tierhalter noch immer nicht ausreichend mit dem Thema „Tierhalterhaftpflichtversicherung & Co.“ beschäftigt haben. Ob im Offenstall oder allgemein.

Was war eigentlich in dem der Kölner Entscheidung zugrundeliegenden Fall passiert?

Die Besitzerin eines 1990 geborenen Wallachs hatte diesen seit etwa 1,5 Jahren in einer offenen Stallanlage mit insgesamt vier Ständern, Liegebereich und einem ca. 250 qm großen Paddock zusammen mit drei weiteren Pferden untergebracht. Nach einem Huftritt einer der drei Artgenossen erlitt der Wallach Verletzungen am linken Vorderbein (u.a. eine Fissur im Bereich der Elle), welche kostenintensive Behandlungen zur Folge hatten.

Entgegen den uns Pferdebesitzern mitunter leidlich bekannten Grundsätzen der Tierhalterhaftung i.S.d. § 833 Satz 1 BGB, wonach derjenige, der ein Tier hält, grds. verschuldensunabhängig – ähnlich also wie bei der Betriebsgefahr beim Kraftfahrzeug – für ein von diesem verursachten Schaden einzustehen hat (sog. Gefährdungshaftung), sollte die Besitzerin des verletzten Wallachs nach Ansicht des OLG Köln jedoch „auf Ihren Kosten sitzen bleiben“.

Da sie – so die Begründung des 18. Zivilsenats – ihr Pferd im Offenstall in eine Gruppenhaltung begeben habe, sei dies als haftungsausschließendes Handeln auf eigene Gefahr anzusehen. Sämtlichen Pferdehaltern habe nämlich im konkreten Fall klar sein müssen, dass es unter Berücksichtigung der Größe der Stallanlage sowie der Anzahl der eingestellten Pferde dauerhaft zu Interaktionen und in gewissem Umfang auch zu Auseinandersetzungen kommen würde. Alle Pferdehalter hätten daher, als sie ihre Tiere in die Herde gegeben hätten, das Risiko von Verletzungen in Kauf genommen, die typischerweise Ausfluss gewöhnlicher Auseinandersetzungen um die Rangordnung in einer kleinen Herde auf begrenztem Raum sind. Wer als Pferdehalter sein Tier in eine Gruppenhaltung im Offenstall gebe, der wisse letztlich um das gewöhnliche, in gewissem Umfang mit dieser Haltungsform untrennbar verbundene Risiko körperlicher Auseinandersetzungen der Tiere (Drohgebärden, Bisse und eben Tritte) und damit die spezifische Verletzungsgefahr. Gebe dieser mit Rücksicht auf Fragen artgerechter Haltung dennoch sein Pferd in eine Gruppe, so käme damit zum Ausdruck, dass man das entsprechende Risiko im wohlverstandenen Interesse des Pferdes zurückstelle.

„Übersetzt“ bedeutet dies, dass es schlicht widersprüchlich wäre, wenn sich ein Geschädigter gerade die Kosten wiederholen könnte, die aus dem Schaden resultieren, für den er zuvor bewusst selbst das Risiko übernommen hat. Unabhängig von der Frage, welches Tier wie beteiligt war, soll daher nur er alleine im Rahmen dieses Risikos verantwortlich sein.

Wie ist die Entscheidung des OLG Köln nun rechtlich einzuordnen?

Aus Sicht des pferderechtsversierten Anwalts wirft der vom Gericht nach den Grundsätzen des Handelns auf eigene Gefahr angenommene Haftungsausschluss mehrere Fragen auf, nämlich zum einen, wie dieser mit dem vom OLG Koblenz in seinem Urteil vom 10.05.12 (Az. 2 U 573/09) zum Thema Weideunfall herausgearbeiteten Schutzzweck des § 833 Satz 1 BGB sowie der zu Fuchsjagten, Stafettenzeitspringen (vgl. BGH VI ZR 255/53 vom 24.11.54 oder VI ZR 69/91 vom 19.11.91) und Segelregatten bekannten Vergleichsrechtsprechung (hierbei OLG Karlsruhe vom 19.03.04 (Az. 23 U 6/03) und OLG Nürnberg vom 28.06.04 (Az. 8 U 202/03)) in Einklang zu bringen ist und zum anderen, wo denn für den Fall der Anwendbarkeit der vorbezeichneten Grundsätze in Bezug auf die Größe und Gestaltung eines Offen- bzw. Aktivstalls die maßgeblichen rechtlichen Grenzen zu ziehen sind.

Bis zu welcher Fläche bzw. Stallgröße bei wie vielen Pferden soll dann noch von einem „stillschweigenden Haftungsausschluss“ des jeweils einstallenden Tierhalters ausgegangen werden können? Genügt also im Umkehrschluss eine bestimmte Grundfläche, um nicht die zum Wohle des Pferdes bewusst gewählte art- und verhaltensgerechte Haltungsform der Gruppe im Ergebnis teuer mit einem Haftungsverzicht zu bezahlen? Oder genügt bereits die typische Gestaltung eines modernen Aktivstallkonzepts (Offenstall „à la HIT“) mit unterschiedlichen Bereichen (Rau-, Kraft und Mineralfutter, Ruhe- und Wälzbereich, ggf. Allwettergebäude) und zahlreichen Raumteilerelementen, um der angenommenen Haftungsfreistellung zu entgehen?

Die Grundsätze der Rechtsprechung des OLG Koblenz („Haftung nach Quote“)

In seiner Entscheidung vom 10.05.12 stellte das OLG Koblenz fest, dass der Schutzzweck des § 833 BGB gerade den Fall erfasse, dass sich ein Tier unerwartet anders verhält als normal und voraussehbar und hierdurch ein Schaden entstehe. Gerade dies sei – so die schlüssige Urteilsbegründung – der typische Fall des Gefährdungshaftungstatbestands, der folgerichtig auch das ureigene Herdenverhalten von Pferden umfassen müsse.

Das Gericht stellte weiter ausdrücklich fest, dass ein Berufen auf den Umstand einer fehlenden Aufklärbarkeit des genauen Hergangs eines schädigenden Ereignisses („ob“ und „wie“ der Mitwirkung einzelner Pferde an der Schädigung) nicht statthaft sein könne. Zugunsten des Geschädigten greife nämlich § 830 Absatz 1 Satz 2 BGB, dessen Schutzzweck einerseits die Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 Satz 1 BGB erfasse und dessen Zielsetzung eben gerade darin liege, Beweisschwierigkeiten zu überwinden und sicherzustellen, dass ein Ersatzanspruch nicht daran scheitert, dass nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren beteiligten „Tätern“, deren Handlungen jede für sich geeignet war, den Schaden zu verursachen, der eigentliche Schädiger gewesen ist. Auch in den Fällen der Tierhalterhaftung sei es daher – so die Richter – gerechter, alle haften zu lassen, die sich an der gemeinsamen Gefährdung in einer ihre Haftung begründenden Weise beteiligt haben, als den Geschädigten leer ausgehen zu lassen. Nur im Ausnahmefall sollte daher der Schutzzweck der Norm als nicht eröffnet angesehen werden.

Fakt ist, Verletzungen, verursacht durch Artgenossen, die eine tierärztliche Behandlung nötig machen, kommen immer wieder mal vor. Wird der Vorfall dabei beobachtet und steht somit außer Frage, welches der Pferde den anderen Schaden zugefügt hat, kann der Halter des geschädigten Pferdes gegen den Halter des schädigenden Pferdes Schadensersatzansprüche aus der Tierhalterhaftung (§ 833 BGB), ggf. gemindert um eine Quote für die mitwirkende Tiergefahr des geschädigten Pferdes (§ 254 BGB), geltend machen.

Die „Kölner Entscheidung“ ist dennoch für den gegebenen Einzelfall nachvollziehbar

Auch wenn die Entscheidung des OLG Köln zunächst „große Augen verursacht“ und vermeintlich in Widerspruch zu den Grundsätzen des OLG Koblenz steht, so hat sie doch ihre Berechtigung und vor allem juristische Begründung. Die rechtliche Besonderheit des Falles lag nämlich in der individuellen Gestaltung des „Tatorts“.

Dass es bei in der Gruppe gehaltenen Pferden wesensbedingt immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt, ist gleichermaßen bekannt wie unvermeidlich. Rangkämpfe oder andere Zwistigkeiten treten dabei erfahrungsgemäß insbesondere dann vermehrt auf, wenn der für die Haltung zur Verfügung stehende Raum recht begrenzt ist und den Tieren nur wenig Ausweichmöglichkeiten bietet. Ob im Zuge konkreter Auseinandersetzungen oder allgemein in Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Auslaufverhalten von Pferden, bei einem Paddock bzw. einer Gesamtfläche von ca. 250 qm ist das Verletzungsrisiko per se als erhöht anzusehen. Denn auf solch eng begrenztem Raum ist es den Tieren nur schwer möglich, bei rascher Bewegung nicht in den sog. Interaktionsbereich eines anderen Pferdes zu gelangen und in jeder Situation verletzungsträchtige Körperkontakte zu vermeiden.

Kann es nun richtig sein, dass sich jemand auf die allgemeinen Grundsätze der Rechtsprechung des OLG Koblenz berufen und die Halter der übrigen zur Gruppe im Offenstall gehörenden Pferde auch wegen einer Verletzung des eigenen Pferdes in Anspruch nehmen kann, die gerade auf unvermeidbaren Interaktionen und Auseinandersetzungen der Tiere oder auf einem als artgerecht grundsätzlich gewünschten Auslaufverhalten der Tiere beruht? Wohl kaum!

Dem OLG Köln ist zuzugeben, dass sich der geschädigte Tierhalter insbesondere dann mit der eigenen Entscheidung für eine Haltung des Pferdes in einer Gruppe von Tieren in Widerspruch setzt, wenn die Haltung in einer mit Rücksicht auf die Anzahl der zur Gruppe gehörenden Tiere räumlich eng begrenzten Anlage geschieht.

Wo ist die räumliche und damit rechtliche Grenze zwischen Haftung und Haftungsausschluss nach den Grundsätzen des Handelns auf eigene Gefahr zu ziehen?

Auch wenn die Entscheidung des OLG Köln wegen der räumlichen Besonderheiten nachvollziehbar ist, so sollte doch klar sein, dass eine Haftungsfreistellung nach den Grundsätzen des Handelns auf eigene Gefahr stets nur nach einer umfassenden Interessenabwägung und unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände (vgl. BGH vom 20.12.05 (Az. VI ZR 225/04) in eng gesteckten Grenzen greifen darf. Bestehen Zweifel, sollte es meines Erachtens daher sowohl juristisch dogmatisch mit Blick auf den Schutzzweck der Tierhalterhaftung als auch praktisch in Ansehung der Interessen der Einsteller begründet bei den allgemeinen Haftungsgrundsätzen und damit einer Anwendbarkeit des § 833 BGB verbleiben.

Bedauerlicherweise lassen sich der „Kölner Entscheidung“ für den Rechtsanwender keine allgemeinen Leitlinien zur Bestimmung der Grenze zwischen Haftung (im „normalen Stall“) und Haftungsausschluss (im „räumlich eng begrenzten Stall“) entnehmen. Ebenso wie im konkreten Fall bei einer Grundfläche von lediglich ca. 60 qm/Pferd und gänzlich fehlenden Ausweichmöglichkeiten wegen der obligatorischen permanenten Interaktionen die Annahme eines Ausnahmetatbestands nachvollziehbar und begründbar ist, sollten die Grund-sätze des Handelns auf eigene Gefahr jedenfalls dann nicht zur Anwendung gelangen können, wenn sich der „Unfall“ auf einer Anlage zuträgt, die der typischen Gestaltung eines modernen Aktivstallkonzepts mit separaten Bereichen (Rau-, Kraft- und Mineralfutter-, Ruhe- und Wälzbereich, ggf. Allwettergebäude) und Raumteilerelementen entspricht.

Fazit!

Az. 18 U 98/13 ist – insoweit zur Beruhigung eines jeden Anhängers des Konzepts Offenstall bzw. Aktivstall – kein Wandel der Rechtsprechung, sondern im Ergebnis lediglich eine stringente Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsregeln. Allerdings vermag auch diese Entscheidung die haftungsrechtlichen Sachverhalte nicht in „schwarz und weiß“ zu teilen, sodass es bei der bekanntermaßen breiten „Grauzone“ verbleibt, in der im Ergebnis stets nur eine individuelle tatrichterliche Einzelfallbetrachtung zielführend sein wird.

Lediglich in Fällen, in denen gerade ihr eigener Offenstall in Größe und Gestaltung dem der „Kölner Entscheidung“ entspricht oder zumindest ähnelt, sollten sie „hellhörig“ werden.

Im Übrigen gilt nach wie vor: Erst ausreichender Versicherungsschutz, dann Einstallung!!!

MPS Pferderecht - Haftung im Offenstall - Tierhalterhaftung - Mitverschulden

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