Schlagwort-Archive: Nacherfüllung

Keine Pflicht zum Zurücksenden sperriger Produkte bei Mängeln im Verbrauchsgüterkauf

EuGH vom 23.05.2019, C-52/18 (Fülla/Toolport GmbH)

Welche rechtlich streitige Fragestellung zum Verbrauchsgüterkauf lag der Entscheidung zugrunde? Die Entscheidung beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Frage, ob bei einem Verbrauchsgüterkauf, also einem Kaufvertrag zwischen einem Unternehmer (vgl. § 14 BGB) und einem Verbraucher (vgl. § 13 BGB), in bestimmten Fällen wegen der Art des Verbrauchsgutes, etwa weil dieses besonders schwer, sperrig oder zerbrechlich ist, oder weil im Zusammenhang mit dem im Rahmen der Gewährleistung notwendigen Versand zu dem zur Nacherfüllung verpflichteten Verkäufer besonders komplexe Anforderungen zu beachten sind, die Beförderung (mithin die Rücksendung bzw. der Transport) an den Geschäftssitz des Verkäufers eine erhebliche und letztlich nicht hinzunehmende Unannehmlichkeit darstellt.

Welche wesentlichen Feststellungen hat das Gericht getroffen? Der EuGH hat im Wesentlichen das Folgende festgestellt: (a) Art. 3 III der RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten für die Bestimmung des Ortes zuständig bleiben, an dem der Verbraucher gemäß dieser Vorschrift dem Verkäufer ein im Fernabsatz erworbenes Verbrauchsgut für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitzustellen hat. Dieser Ort muss für eine unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands binnen einer angemessenen Frist ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher geeignet sein, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind. Insoweit ist das nationale Gericht verpflichtet, eine mit der RL 1999/44 vereinbare Auslegung vorzunehmen und gegebenenfalls auch eine gefestigte Rechtsprechung zu ändern, wenn diese auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen dieser Richtlinie unvereinbar ist. (b) Art. 3 II–IV der RL 1999/44 ist dahin auszulegen, dass das Recht des Verbrauchers auf eine „unentgeltliche“ Herstellung des vertragsgemäßen Zustands eines im Fernabsatz erworbenen Verbrauchsgutes nicht die Verpflichtung des Verkäufers umfasst, wenn das Verbrauchsgut zum Zweck der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands an den Geschäftssitz des Verkäufers transportiert wird, einen Vorschuss auf die damit verbundenen Kosten zu leisten, sofern für den Verbraucher die Tatsache, dass er für diese Kosten in Vorleistung treten muss, keine Belastung darstellt, die ihn von der Geltendmachung seiner Rechte abhalten könnte; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts. (c) Art. 3 III in Verbindung mit Art. 3 V zweiter Gedankenstrich der RL 1999/44 ist dahin auszulegen, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens der Verbraucher, der dem Verkäufer die Vertragswidrigkeit des im Fernabsatz erworbenen Verbrauchsgutes mitgeteilt hat, dessen Transport an den Geschäftssitz des Verkäufers für ihn eine erhebliche Unannehmlichkeit darstellen könnte, und der dem Verkäufer dieses Verbrauchsgut an seinem Wohnsitz zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitgestellt hat, mangels Abhilfe binnen einer angemessenen Frist die Vertragsauflösung verlangen kann, wenn der Verkäufer keinerlei angemessene Maßnahme ergriffen hat, um den vertragsgemäßen Zustand des Verbrauchsgutes herzustellen, wozu auch gehört, dem Verbraucher den Ort mitzuteilen, an dem er ihm dieses Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitstellen muss. Insoweit ist es Sache des nationalen Gerichts, anhand einer mit der RL 1999/44 vereinbaren Auslegung sicherzustellen, dass der Verbraucher sein Recht auf Vertragsauflösung ausüben kann. (d) Bei der Beurteilung der Frage, ob im Rahmen der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands einer Sache eine Situation geeignet ist, für den Durchschnittsverbraucher eine erhebliche Unannehmlichkeit darzustellen, sind die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck zu berücksichtigen, für den der Verbraucher dieses Gut benötigte. So könnte in bestimmten Fällen sowohl wegen der Art der Verbrauchsgüter, etwa weil sie besonders schwer, sperrig oder zerbrechlich sind, oder weil im Zusammenhang mit dem Versand besonders komplexe Anforderungen zu beachten sind, als auch wegen des Zwecks, für den ein Durchschnittsverbraucher sie benötigt und für den sie möglicherweise vorab aufgebaut werden müssen, ihre Beförderung an den Geschäftssitz des Verkäufers für diesen Verbraucher eine mit den Erfordernissen des Art. 3 III UAbs. 3 der RL 1999/44 unvereinbare erhebliche Unannehmlichkeit darstellen.

Was macht das Urteil lesenswert? Das Urteil des EuGH ist lesenswert, weil es sich mit der auch für den Pferdekauf spannenden Frage beschäftigt, wo eine Nacherfüllung durch den Verkäufer zu leisten ist, bzw. ob und wie die Art der Kaufsache und die konkreten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Transport zum Verkäufer dazu führen können, dass ausnahmsweise nicht (automatisch) der Wohn- oder Geschäftssitz des Verkäufers maßgeblich ist.

Sollten Sie über den Beitrag hinaus Fragen zum Thema „PFERD und RECHT“ haben, nehmen Sie doch einfach unverbindlich Kontakt zu uns auf.

Sofern Sie sich in Eigenregie weiter allgemein informieren oder durch gezielte Suche erste konkrete rechtliche Anhaltspunkte für Ihren eigenen Problemfall finden wollen, nutzen Sie doch einfach unser 24/7 online verfügbares PferdeABC.

Zur (Un-)Möglichkeit der Ersatzlieferung eines Pferdes

OLG KÖLN vom 23.08.2017, Az. 16 U 68/17

Feststellungen: (a) Beim Stückkauf ist eine Nachlieferung möglich, wenn die Kaufsache durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann. Dies ist der Fall, wenn nach dem Willen der Parteien bei Vertragsschluss die Kaufsache austauschbar ist. Beim Kauf gebrauchter Sachen entspricht die Austauschbarkeit generell nicht dem Willen der Parteien, weil die Auswahlentscheidung des Käufers auf einem Gesamtausdruck beruht, der gewöhnlich erst bei einer persönlichen Besichtigung gewonnen wird. Beim Kauf eines nach Besichtigung ausgewählten Tiers kommt die vor Vertragsschluss begründete emotionale Beziehung zwischen Käufer und Tier als Besonderheit hinzu. (b) Die Pflicht des Käufers zum Wertersatz nach Rücktritt vom Kaufvertrag entfällt nach § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 1. Alt. BGB, wenn der Verkäufer den Untergang der Kaufsache zu vertreten hat. Gleiches gilt nach der Risikoverteilung im Sinne des § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn der Verkäufer mit der Rücknahme der Kaufsache in Annahmeverzug ist.

MPS Pferderecht - Zur Frage, wann Pferde "neu" oder "gebraucht" sind

Sollten Sie über den Beitrag hinaus Fragen zum Thema „PFERD und RECHT“ haben, nehmen Sie doch einfach unverbindlich Kontakt zu uns auf.

Wir stehen Ihnen jederzeit beratend sowie für weitere Informationen zur Verfügung.

Sofern Sie sich in Eigenregie weiter allgemein informieren oder durch gezielte Suche erste konkrete rechtliche Anhaltspunkte für Ihren eigenen Problemfall finden wollen, nutzen Sie doch einfach unser 24/7 online verfügbares PferdeABC.

Nachlieferung bei fehlender emotionaler Bindung

LG ROTTWEIL vom 25.01.2017, Az.: 1 S 23/16

Käufer eines nur ein paar Tage alten Welpen muss zur Lieferung eines Ersatztieres (Nachlieferung) auffordern

Feststellungen: (a) Verstirbt ein Welpe wenige Tage nach dem Kauf, so muss der Käufer nur dann nicht zur Lieferung eines Ersatztieres (Nachlieferung) auffordern und damit eine Frist zur Nacherfüllung setzen, wenn zu dem Tier bereits nachweislich eine emotionale Verbindung aufgebaut wurde. (b) Die emotionale Bindung muss nach den gerichtlichen Feststellungen erkennbar sein und vorgetragen werden. Hierbei genüge – so das LG Rottweil –  die allgemeine Feststellung einer Traurigkeit der Umstände nicht, um den Nachweis einer emotionalen Bindung zu führen. Erforderlich sei vielmehr konkreter Sachvortrag über Umstände, die mit dem Wesen und speziellen Charakter des Tieres zusammenhängen.

Lesen Sie zur generellen Möglichkeit der Nachlieferung beim Pferdekauf u.a. auch die folgende Enscheidung des BGH vom 24.11.2009 (Az.: VIII ZR 124/09).

MPS Pferderecht - Nachlieferung bei verstorbenem wenige tage alten Welpen

Sollten Sie über den Beitrag hinaus Fragen zum Thema „PFERD und RECHT“ haben, nehmen Sie doch einfach unverbindlich Kontakt zu uns auf.

Wir stehen Ihnen jederzeit beratend sowie für weitere Informationen zur Verfügung.

Sofern Sie sich in Eigenregie weiter allgemein informieren oder durch gezielte Suche erste konkrete rechtliche Anhaltspunkte für Ihren eigenen Problemfall finden wollen, nutzen Sie doch einfach unser 24/7 online verfügbares PferdeABC.

Kostenvorschuss für den Käufer wegen Versandes zur Nacherfüllung

BGH vom 19.07.2017, Az. VIII ZR 278/16

Kostenvorschuss für den Käufer wegen Versandes zur Nacherfüllung

Feststellungen: Um von einem tauglichen Nacherfüllungsverlangen des Käufers ausgehen zu können, muss der Käufer die Kaufsache dem Verkäufer grundsätzlich am rechten Ort, nämlich dem Erfüllungsort der Nacherfüllung anbieten. Dieser ist, folgend aus der allgemeinen Vorschrift des § 269 I, II BGB, die auch auf das Kaufrecht und mangels spezieller Normen auf die Nacherfüllung Anwendung findet, der Wohn- oder Geschäftssitz des Schuldners, also des Verkäufers. Nach der nun aktuellen Entscheidung des BGH genügt der Käufer jedoch auch bereits dann den Anforderungen, die an sein Nacherfüllungsverlangen gestellt werden, wenn er sich bereiterklärt, gegen Zahlung eines angemessenen Kostenvorschusses die Sache an eben diesen Ort zu verbringen. Und zwar auch dann, wenn das Vorliegen des geltend gemachten Mangels noch ungeklärt ist. Dementsprechend liegt ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers vor, wenn seine Bereitschaft, die Kaufsache zum Ort der Nacherfüllung zu verbringen, nur wegen der ausgebliebenen Vorschussleistung des Verkäufers nicht umgesetzt wird. Damit setzt der BGH letztlich die richtlinienkonforme, wegen dem Sinn und Zweck der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verbraucherfreundliche, Auslegung des § 439 BGB fort.

Vgl. hierzu auch den LTO Legal Tribune Online-Artikel vom 20.07.2017, abrufbar unter LTO/Vorschusskosten Nacherfüllung.

Weitere Informationen zum Thema Nacherfüllung finden Sie beispielsweise auch unter MPS Pferderecht/Beitrag Nacherfüllung.

MPS Pferderecht - Kostenvorschuss für den Käufer wegen Versandes zur Nacherfüllung

Sollten Sie über den Beitrag hinaus Fragen zum Thema „PFERD und RECHT“ haben, nehmen Sie doch einfach unverbindlich Kontakt zu uns auf.

Wir stehen Ihnen jederzeit beratend sowie für weitere Informationen zur Verfügung.

Sofern Sie sich in Eigenregie weiter allgemein informieren oder durch gezielte Suche erste konkrete rechtliche Anhaltspunkte für Ihren eigenen Problemfall finden wollen, nutzen Sie doch einfach unser 24/7 online verfügbares PferdeABC.

Nacherfüllungsrecht des Verkäufers beim Pferdetausch

BGH vom 07.12.2005, Az.: VIII ZR 126/05

Verwirkung von Schadenersatz – Behinderung Nacherfüllungsrecht des Verkäufers beim Pferdetausch

Feststellungen: (a) Auch beim Kauf eines Reitpferdes oder beim Pferdetausch kommt ein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung wegen behebbaren Mangels grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde und damit der Verkäufer sein Nacherfüllungsrecht wahrnehmen kann. (b) Scheitert ein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz daran, dass der Verkäufer die Verletzung der Pflicht zur Verschaffung einer mangelfreien Sache nicht zu vertreten hat, so kann der Käufer die Kosten, die ihm dadurch entstanden sind, dass er den Mangel selbst beseitigt hat, auch dann nicht nach § 326 II2, IV BGB in Höhe der ersparten Aufwendungen des Verkäufers zur Mangelbeseitigung ersetzt verlangen, wenn es ihm aus besonderen Gründen nicht zuzumuten war, dem Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben. (c) Gibt der Käufer dem Verkäufer auf dessen Verlangen zur Beseitigung des Mangels das Pferd nicht für eine angemessene Zeit heraus, so kann dies zum Verlust des Rechts auf Ersatz der Behandlungskosten führen.

MPS Pferderecht - Verwirkung von Schadenersatz - Behinderung Nacherfüllungsrecht beim Pferdetausch

Sollten Sie über den Beitrag hinaus Fragen zum Thema „PFERD und RECHT“ haben, nehmen Sie doch einfach unverbindlich Kontakt zu uns auf.

Wir stehen Ihnen jederzeit beratend sowie für weitere Informationen zur Verfügung.

Sofern Sie sich in Eigenregie weiter allgemein informieren oder durch gezielte Suche erste konkrete rechtliche Anhaltspunkte für Ihren eigenen Problemfall finden wollen, nutzen Sie doch einfach unser 24/7 online verfügbares PferdeABC.