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Zur Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln

BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, BeckRS 2021, 11501

Feststellungen: (a) Eine „öffentlich zugängliche Versteigerung“ im Sinne des § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB (hier: Auktion für Reitpferde) ist – entsprechend der Legaldefinition in § 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB – dann gegeben, wenn der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist. Darüber hinaus ist – anders als bei einer „öffentlichen Versteigerung“ im Sinne der Vorgängerregelung in § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB aF (siehe hierzu Senatsurteile vom 9. November 2005 – VIII ZR 116/05, NJW 2006, 613 Rn. 9 ff.; vom 24. Februar 2010 – VIII ZR 71/09, NJW-RR 2010, 1210 Rn. 12) – nicht (mehr) erforderlich, dass der Versteigerer die persönlichen Anforderungen gemäß § 383 Abs. 3 Satz 1 BGB, § 34b Abs. 5 GewO erfüllt (im Anschluss an Senatsurteile vom 27. Mai 2020 – VIII ZR 315/18, BGHZ 226, 1 Rn. 51; vom 9. Oktober 2019 – VIII ZR 240/18, BGHZ 223, 235 Rn. 24 f., 58 ff.). (b) Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend. Dabei kommt es maßgeblich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verhalten der Parteien bei Vertragsschluss an (Bestätigung der Senatsurteile vom 27. September 2017 – VIII ZR 271/16, NJW 2018, 146 Rn. 41 mwN; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 31). Bei dem Ankauf einer beweglichen Sache gemäß § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB ist hierbei darauf abzustellen, zu welchem Zweck der Käufer diese – entsprechendes gilt im Fall des Kaufs eines Tiers (§ 90a Satz 3 BGB) – zu benutzen beabsichtigt (Anschluss an Senatsurteile vom 13. März 2013 – VIII ZR 186/12, NJW 2013, 2107 Rn. 18 mwN; vom 27. September 2017 – VIII ZR 271/16, NJW 2018, 146 Rn. 44). (c) Das rechtsgeschäftliche Handeln einer natürlichen Person ist mit Rücksicht auf den Wortlaut des § 13 BGB grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen; eine Zuordnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck kommt nur in Betracht, wenn die dem Vertragspartner bei Vertragsschluss erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Bestätigung der Senatsurteile vom 30. September 2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 Rn. 10 f.; vom 13. März 2013 – VIII ZR 186/12, aaO).

MPS Pferderecht - Zur Frage, wann Pferde "neu" oder "gebraucht" sind

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Zur Widersetzlichkeit bzw. fehlenden Rittigkeit als Mangel

BGH vom 27.05.2020, Az.: VIII ZR 315/18

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Gewährleistung beim Pferdekauf lesenswert? Mit dem Urteil stellte der BGH gleichermaßen zutreffend wie klar heraus, dass mit dem Pferdekaufvertrag kein Anspruch des Käufers auf ein fehlerfreies, perfektes Pferd (Stichwort: Rittigkeit) begründet wird. Vielmehr müsse der Käufer – so der BGH – geradezu damit rechnen, dass jedes Pferd in der einen oder anderen Hinsicht physiologische oder auch verhaltensmäßige Abweichungen vom Idealzustand aufweist. Zeigt sich ein Pferd widersetzlich und unrittig, bedeutet dies daher keinen zwingenden Rücktrittsgrund. Dies auch dann nicht, wenn zwar ein röntgenologischer Kissing Spines-Befund vorliegt, dieser jedoch keine klinischen Symptome zeitigt bzw. es dem klagenden Käufer nicht gelingt, den Nachweis zu erbringen, dass die fehlende Rittigkeit bzw. Widersetzlichkeit auf diesem Befund beruht. Die Entscheidung des BGH ist ferner lesenswert, weil sie einmal mehr verdeutlich hat, dass nicht alle möglichen Mängel eines Pferdes der Beweislastumkehr des § 477 BGB zugänglich sind. Auch wurde klargestellt, dass die Voraussetzungen eines Rücktritts vom Pferdekaufvertrag (z.B. eine nachweislich befundbedingte Widersetzlichkeit) nicht „irgendwann einmal“ vorgelegen haben dürfen, sondern vielmehr zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch vorliegen („fortbestehen“) müssen.

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? a) Der Verkäufer eines Tieres (im konkreten Fall ein auf einer Elite-Auktion erworbener Wallach) hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre (Bestätigung von BGH, Urteile vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26; vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 25; jeweils mwN). (b) Die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd wird nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (Bestätigung von BGH, Urteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 14; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO Rn. 24 und vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18, aaO Rn. 26). Diese Grundsätze gelten nicht nur für physiologische Abweichungen vom Idealzustand, sondern auch für ein vom Idealzustand abweichendes Verhalten, wie etwa sogenannte „Rittigkeitsprobleme“, wenn das Pferd nicht oder nicht optimal mit dem Reiter harmoniert und Widersetzlichkeiten zeigt. (c) Entspricht die „Rittigkeit“ eines Pferdes nicht den Vorstellungen des Reiters, realisiert sich für den Käufer – wenn nicht klinische Auswirkungen hinzukommen – grundsätzlich lediglich der Umstand, dass es sich bei dem erworbenen Pferd um ein Lebewesen handelt, das – anders als Sachen – mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet ist. Nach dieser Maßgabe sind „Rittigkeitsprobleme“ durch von einem Reitpferd gezeigte Widersetzlichkeiten auch bei Vorliegen eines nicht mit Krankheitssymptomen verbundenen Kissing Spines-Befundes – in Ermangelung einer anderslautenden Beschaffenheitsvereinbarung oder eines besonderen Vertragszwecks – kein Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 BGB. (d) Da die Rücktrittsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung erfüllt sein müssen, muss auch zu diesem Zeitpunkt ein bei Gefahrübergang gegebener Sachmangel fortbestehen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18, aaO Rn. 35). (e) Die – die Frage des Vorliegens eines Sachmangels bei Gefahrübergang betreffende – Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers tritt nach Maßgabe des § 476 BGB aF bereits dann ein, wenn diesem der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat, der – unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde (Bestätigung von BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36). „Rittigkeitsprobleme“ durch von einem Reitpferd gezeigte Widersetzlichkeiten sind keine Mangelerscheinung, so dass sie die Vermutungswirkung des § 476 BGB aF nicht auslösen, denn insoweit handelt es sich – in Ermangelung einer anderslautenden Beschaffenheitsvereinbarung oder eines besonderen Vertragszwecks – nicht um eine Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 BGB, sondern um ein natürliches Risiko.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Tatbestand und Entscheidungsgründe (nachfolgend unter Angabe der Leseziffern, aber mit gekürzten Quellenverweisen) sind abrufbar unter: https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/828448/

Tatbestand

1Die Klägerin erwarb als Verbraucherin am 5. Oktober 2013 von der Beklagten, die Pferdeauktionen ausrichtet, auf der „79. Herbst-Elite-Auktion“ den fünf Jahre alten Wallach „Santiano K“ für 31.733,19 € zur Nutzung als Sportpferd.

2In der Folgezeit bildete die Tochter der Klägerin, die Zeugin K., die als Pferdewirtin und -ausbilderin tätig ist, das Pferd, welches bereits erfolgreich an Turnieren teilgenommen hatte, weiter aus, um es auf den Leistungsstand der Klasse L zu bringen. Im Mai 2014 nahm die Zeugin mit dem Pferd an einer Dressurprüfung dieser Klasse teil.

3Mit Anwaltsschreiben vom 12. Dezember 2014 focht die Klägerin den Kaufvertrag unter Berufung auf arglistige Täuschung an. Sie behauptete unter anderem „gravierende Rittigkeitsprobleme“; das Pferd habe „insbesondere die Widersetzlichkeiten des Blockens beziehungsweise Blockierens“ gezeigt. Mit Anwaltsschreiben vom 16. März 2015 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Sie behauptet im Wesentlichen, die gezeigten „Rittigkeitsmängel“ beruhten auf verengten Dornfortsätzen der Wirbelsäule (Kissing Spines).

4Das Landgericht hat die auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Pferds, Feststellung des Annahmeverzugs sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage nach Vernehmung mehrerer Zeugen sowie Einholung eines fachtierärztlichen Sachverständigengutachtens nebst ergänzender Anhörung des Sachverständigen abgewiesen.

5Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat – nach Vernehmung der Zeugin K. und weiterer Zeugen sowie erneuter Anhörung des Sachverständigen durch das Berufungsgericht – Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

6Die Revision hat Erfolg.

I.

7Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt:

8Die Klägerin könne von der Beklagten gemäß § 346 Abs. 1, § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB die Rückabwicklung des Kaufvertrags über das Pferd „Santiano K“ verlangen. Dieses sei im Zeitpunkt der Übergabe mit einem Mangel im Sinne der § 434 Abs. 1, § 90a BGB behaftet gewesen.

9Zwar hätten die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen. Das Pferd sei jedoch auf einer Elite-Auktion als Sportpferd verkauft worden. Die nach dem Vertrag vorausgesetzte Eignung als Sportpferd habe im Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht vorgelegen, weil das Pferd aufgrund eines Kissing Spines-Syndroms „Rittigkeitsmängel“ aufgewiesen habe. Dies stehe aufgrund der Beweisaufnahme in Verbindung mit der Vermutung des § 476 BGB aF zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest.

10Wie der Sachverständige ausgeführt habe, weise das Pferd Veränderungen der Dornfortsätze der Brustwirbelsäule zwischen T 11 und T 16 (sogenannte Kissing Spines) auf, die nach Maßgabe des (damals geltenden) RöntgenLeitfadens 2007 in die Röntgenklasse III bis IV einzustufen seien. Die Veränderungen seien anlagebedingt und hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits am 5. Oktober 2013 vorgelegen.

11Allerdings stünden die vorgenannten Röntgenbefunde, die – so der Sachverständige – vielfach auch bei rückengesunden Tieren anzutreffen seien, einer Verwendung als Reit- und Sportpferd nicht entgegen. Pferde mit einem derartigen Befund könnten bis in die höchste Klasse mit sportlichem Erfolg eingesetzt werden. Die sportliche Nutzung sei nur beeinträchtigt, wenn die Röntgenbefunde klinische Relevanz aufwiesen. Dies könne für das von der Klägerin erworbene Pferd derzeit nicht festgestellt werden, denn beim Beritt unter Beobachtung des Sachverständigen habe es Auffälligkeiten nicht gezeigt.

12Jedoch werde bei einem – wie hier gegebenen – Verbrauchsgüterkauf gemäß § 476 BGB aF (nunmehr § 477 BGB) dann, wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein Sachmangel zeige, vermutet, dass die Kaufsache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sei, es sei denn, diese Vermutung sei mit der Art der Sache oder des Mangels nicht vereinbar. Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung der Zeugin K. sowie der Zeugin B., die – unter anderem als mehrfache Teilnehmerin an Olympischen Spielen – im Umgang mit Dressurpferden besonders erfahren und qualifiziert sei, habe sich das Pferd widersetzlich gezeigt. Daher seien in dem vorgenannten Zeitraum „Rittigkeitsmängel“ festzustellen, die in Zusammenschau mit den Röntgenbefunden den Schluss auf das Vorliegen eines Kissing Spines-Syndroms zuließen.

13Es könne dahinstehen, ob bloße „Rittigkeitsprobleme“ die Vermutung des § 476 BGB aF begründen könnten oder ob die Vermutung mit der Art des Mangels unvereinbar sei, weil die „Unrittigkeit“ eines Pferds viele exogene und endogene Ursachen haben könne und ein solches Beschwerdebild nicht nur jederzeit auftreten, sondern von dem Pferd und seiner Veranlagung unabhängige Ursachen haben könne. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stünden hier nicht nur im Vermutungszeitraum aufgetretene „Rittigkeitsmängel“ fest, sondern auch ein Kissing Spines-Befund der Röntgenklasse III bis IV. Der Sachverständige habe die Tendenz, dass die Probleme ihre Ursache nicht in der Ausbildung des Pferds hätten, sondern überwiegend wahrscheinlich in dem Röntgenbefund. Bei der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme hätten sich gerade die klinischen Symptome ergeben, die der Sachverständige bei seiner Begutachtung des Tiers nicht habe feststellen können. Im Zeitraum von sechs Monaten nach Gefahrübergang seien mit den klinischen Symptomen eines Kissing Spines-Syndroms Mangelerscheinungen aufgetreten, die den Gebrauch des Pferds für die vertraglich vorausgesetzte Nutzung als Sportpferd (Dressurpferd) ausschlössen.

14Zwar sei das Berufungsgericht überzeugt, dass die Mangelerscheinungen in Gestalt der „Rittigkeitsmängel“ mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Kissing Spines zurückzuführen seien. Dies bedürfe jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil der Käufer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich den Nachweis einer Mangelerscheinung – also eines mangelhaften Zustands – zu erbringen habe, der – unterstellt, er beruhe auf einer dem Verkäufer zuzurechnenden Ursache – dessen Haftung wegen einer Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde.

15Dieser Nachweis sei der Klägerin gelungen. Zwar begründe das Phänomen der Kissing Spines für sich genommen keinen mangelhaften Zustand. Auch möge die Vermutung des § 476 BGB aF unter Umständen bei bloßen „Rittigkeitsmängeln“ nicht anwendbar sein. In der Kombination von „Rittigkeitsmängeln“ mit einem röntgenologischen Kissing Spines-Befund liege aber eine Mangelerscheinung, die die Vermutungswirkung des § 476 BGB aF auslöse.

16Die Vermutung sei mit der Art des Mangels nicht unvereinbar. Zwar bestehe, wie der Sachverständige erläutert habe, die Möglichkeit, dass es trotz engstehender Dornfortsätze nicht zu klinischen Symptomen komme. Hier jedoch habe die Käuferin den Beweis für das Vorliegen von Kissing Spines bei Gefahrübergang erbracht und auch bewiesen, dass innerhalb des Sechsmonatszeitraums Erscheinungen aufgetreten seien, die als Symptome von Kissing Spines in Betracht kämen. In Anbetracht dessen erscheine es interessengerecht und entspreche dem verbraucherschützenden Gesetzeszweck, dem Verkäufer die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass die „Rittigkeitsschwierigkeiten“ nicht auf dem Engstand der Dornfortsätze, sondern auf einer anderen, dem Verkäufer nicht zurechenbaren Ursache beruhten.

17Der Mangel, dessen Vorhandensein gemäß § 476 BGB aF vermutet werde, sei nicht deshalb als weggefallen anzusehen, weil später der gerichtliche Sachverständige „Rittigkeitsprobleme“ nicht festgestellt habe. Denn es stehe fest, dass das Pferd den Röntgenbefund der Kissing Spines aufweise. Weiter stehe fest, dass das Tier im Vermutungszeitraum klinische Symptome eines Kissing Spines-Syndroms gezeigt habe. Damit greife die Vermutungswirkung ein, auch wenn zu einem späteren Zeitpunkt Mangelerscheinungen nicht mehr festzustellen seien.

18Die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis, dass die festgestellten „Rittigkeitsmängel“ nicht auf das Kissing Spines-Syndrom zurückzuführen seien, nicht erbracht. Nach den Bekundungen der Zeuginnen K. und B. sei das Pferd von Beginn an widersetzlich gewesen. Eine unsachgemäße Behandlung oder Überforderung bleibe bloße Spekulation.

II.

19Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

20Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 434 Abs. 1, § 437 Nr. 2, § 323, § 346 Abs. 1 BGB), auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten (§ 280 Abs. 1 BGB), jeweils nebst Zinsen, sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs nicht bejaht werden.

21Bereits die Annahme eines gewährleistungspflichtigen Sachmangels des Pferds findet in den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Grundlage (hierzu unten 1.). Davon abgesehen hat das Berufungsgericht gänzlich aus dem Blick verloren, dass ein Sachmangel auch zur Zeit der Rücktrittserklärung gegeben sein muss (hierzu unten 2.). Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Sachmangel habe hier bereits zur Zeit des Gefahrübergangs vorgelegen, ist ebenfalls von Rechtsfehlern beeinflusst. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der Vermutungswirkung des § 476 BGB in der gemäß Art. 229 § 39 EGBGB bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (nachfolgend aF; nunmehr § 477 BGB), auf die das Berufungsgericht sein Urteil maßgeblich gestützt hat (hierzu unten 3.). Schließlich hat das Berufungsgericht nicht beachtet, dass das Recht des Käufers wegen eines (behebbaren) Mangels vom Vertrag zurückzutreten, grundsätzlich ein taugliches Nacherfüllungsverlangen voraussetzt (hierzu unten 4.).

221. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das verkaufte Pferd weise einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB, der nach § 90a Satz 3 BGB auf Tiere entsprechend anzuwenden ist, auf, findet in den getroffenen Feststellungen keine Stütze.

23a) Eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) – etwa hinsichtlich der gesundheitlichen Verfassung, der „Rittigkeit“ oder des Ausbildungsstands des Pferds – haben die Parteien, was außer Streit steht, nicht getroffen.

24b) Zwar wäre das von der Klägerin erworbene Reitpferd nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB auch dann mangelhaft, wenn es sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd, die unter den hier gegebenen Umständen mit der im Sinne des § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB gemeint hat, das Pferd sei für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung nicht geeignet, jedoch die Anforderungen, die bei Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung nach der Rechtsprechung des Senats an die gesundheitliche Verfassung eines Reitpferds zu stellen sind, verkannt. Insbesondere hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass es bereits als „klinisches“ Symptom zu werten sei, wenn das Reiten eines Pferds Probleme bereitet.

25aa) Der Verkäufer eines Tiers hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (…) und infolgedessen für die vertraglich vorausgesetzte (oder die gewöhnliche) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.

26(1) Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferds für die vertraglich vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt wird, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (…). Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit eines Tiers, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht (…).

27Diese Wertung trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Tieren um Lebewesen handelt, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und die – anders als Sachen – mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet sind (…). Denn der Käufer eines lebenden Tiers kann, wie der Senat ebenfalls ausgesprochen hat, redlicherweise nicht erwarten, dass er auch ohne besondere (Beschaffenheits-) Vereinbarung ein Tier mit „idealen“ Anlagen erhält, sondern muss im Regelfall damit rechnen, dass es in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind (…). Die damit verbundenen Risiken für die spätere Entwicklung des Tiers sind für Lebewesen typisch und stellen für sich genommen noch keinen vertragswidrigen Zustand dar, denn der Verkäufer eines Tiers haftet nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands (…).

28(2) Diese Grundsätze gelten nicht nur für physiologische Abweichungen vom Idealzustand, sondern ebenso für ein vom Idealzustand abweichendes Verhalten eines Pferds, wie etwa sogenannte „Rittigkeitsprobleme“, hier durch Widersetzlichkeiten in Form des Blockens und Blockierens. Bereitet die Rittigkeit eines Pferds Probleme, kann dies natürliche, aber auch gesundheitliche Ursachen haben. Nach Maßgabe des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts sind „Rittigkeitsprobleme“ daher für sich gesehen keine Abweichung von der vertraglichen Sollbeschaffenheit. Zwar mögen sie die Nutzung des Pferds als Reittier beeinträchtigen und stellen möglicherweise ein gewisses Risiko im Umgang mit dem Pferd dar. Ein solches Risiko ist für Lebewesen jedoch nicht von vornherein untypisch und stellt noch keinen Mangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 BGB dar.

29bb) In Anbetracht dessen findet die Annahme eines gewährleistungspflichtigen Sachmangels in den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Grundlage.

30Unter „Kissing Spines“ ist eine Berührung – oder gar Annäherung – von Dornfortsätzen der Wirbelsäule zu verstehen (vgl. Rosbach/Weiß/Meyer, Pferderecht, 2. Aufl., Kap. 8 Rn. 30; Düsing/Martinez/Bemmann, Agrarrecht, 2016, § 434 BGB Rn. 42). Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein nicht mit Krankheitserscheinungen verbundener Kissing Spines-Befund, der von einem (pathologischen) Kissing Spines-Syndrom zu unterscheiden ist, grundsätzlich nicht vertragswidrig, sofern nicht bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Pferd aufgrund der Veränderungen der Dornfortsätze der Wirbelsäule alsbald erkranken wird (…) und es infolgedessen für die vertraglich vorausgesetzte (oder die gewöhnliche) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gegeben (1).

31Das von der Klägerin erworbene Pferd ist auch im Übrigen nicht krank (2). Insbesondere sind „Rittigkeitsprobleme“ durch Widersetzlichkeiten eines Reitpferds entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht als klinische Symptomatik zu beurteilen (3).

32(1) Nach den getroffenen Feststellungen wies das Pferd einen Kissing Spines-Befund auf, den das sachverständig beratene Berufungsgericht in die Röntgenklasse III bis IV des von ihm noch zugrunde gelegten RöntgenLeitfadens 2007 eingeordnet hat.

33(a) Ein solcher Befund trägt indes den vom Senat für die Einordnung als Sachmangel gestellten Anforderungen (siehe oben 1 b aa) nicht Rechnung, wonach die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass das Pferd aufgrund des Engstands der Dornfortsätze alsbald erkranken und es deshalb oder aus sonstigen Gründen für die vertraglich vorausgesetzte beziehungsweise gewöhnliche Verwendung nicht mehr einsetzbar sein wird. Ein in die Röntgenzwischenklasse III bis IV des Röntgen-Leitfadens 2007 einzuordnender verkürzter Abstand zwischen mehreren Dornfortsätzen erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Denn nach dem Röntgen-Leitfaden 2007 und den Angaben des Sachverständigen liegt das Risiko des Auftretens klinischer Erscheinungen in unbestimmter Zeit insoweit bei einer Häufigkeit von lediglich 21% bis 50%.

34(b) Unabhängig davon stellt der vom Berufungsgericht noch herangezogene Röntgen-Leitfaden 2007 bereits deshalb keine geeignete Entscheidungsgrundlage dar, weil er ab dem 1. Januar 2018 von der Gesellschaft für Pferdemedizin e.V. (GPM) durch den nachhaltig erneuerten Röntgen-Leitfaden 2018 ersetzt worden ist. Insbesondere wurden die vom Berufungsgericht noch in seine Beurteilung einbezogenen Röntgenklassen des Röntgen-Leitfadens 2007 ersatzlos gestrichen. Zur Begründung dessen heißt es unter anderem, die schulnotenähnliche Klasseneinteilung des Röntgen-Leitfadens 2007 habe auf dem Pferdemarkt eine Erwartungshaltung gefördert, bei der die röntgenologische gegenüber der klinischen Untersuchung in hohem Maße überbewertet worden sei (vgl. GPM-Fachinformation, Röntgen-Leitfaden 2018, S. 13; siehe auch Stadler/Bemmann/Schüle, RdL 2018, 118 f. [zu den Defiziten des Röntgen-Leitfadens 2007, die zu juristischem Missbrauch geführt hätten]). Der Röntgen-Leitfaden 2018 will dagegen ausdrücklich lediglich ein tierärztliches Hilfsmittel sein und keine Hinweise darauf liefern, ob ein Pferd einen Sachmangel aufweist (so GPM-Fachinformation, aaO; vgl. auch Stadler/Bemmann/ Schüle, aaO S. 120, wonach dem Röntgen-Leitfaden 2018 die Eignung abzusprechen sei, bei juristischen Auseinandersetzungen zur Feststellung eines Sachmangels heranzogen zu werden).

35(2) Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu entnehmen, dass das Pferd krank ist.

36(a) Das Berufungsgericht hat hier Krankheitssymptome eines Kissing Spines-Syndroms nicht festgestellt; der vom Berufungsgericht herangezogene Sachverständige, der ausgeführt hat, dass Rückenbeschwerden trotz verbesserter Diagnostik nur schwierig präzise zu befunden seien (siehe auch Stadler, Klinische Untersuchung und reiterliche Diagnostik bei Pferden mit fehlendem Reitkomfort, 11. Frankfurter Tierärztekongress, 2013, S. 81), vermochte eine dahingehende Aussage nicht zu treffen.

37(b) Ein bloßer Kissing Spines-Befund, wie er hier gegeben ist, ist – wie oben ausgeführt – kein krankhafter Zustand. „Rittigkeitsprobleme“ ändern daran nichts. Insoweit hat der Sachverständige nicht nur darauf hingewiesen, dass Pferde in früheren Jahren schonender ausgebildet worden seien (vgl. auch Miesner, Die Rückentätigkeit des Pferdes unter dem Reiter – Bedeutung der klassischen Reitlehre für die Gesunderhaltung des Sportpferdes, 11. Frankfurter Tierärztekongress, aaO S. 105 f.), und in den letzten 20 Jahren eine höhere Sensibilität und Unsicherheit der Pferdebesitzer zu einer vermeintlichen Zunahme von „Rittigkeitsproblemen“ geführt habe. Der Sachverständige hat insbesondere ausgeführt, eine veterinärmedizinische Definition des Begriffs der „Rittigkeitsprobleme“ existiere nicht.

38(3) Auch hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, ein Blocken beziehungsweise Blockieren des Pferdes sei als klinische Erscheinung des Röntgenbefundes anzusehen und rechtfertige die Annahme eines Sachmangels (Kissing Spines-Syndrom).

39(a) Klinische Erscheinungen eines Kissing Spines-Befunds können etwa Lahmheit, krankhafte Störungen des Bewegungsapparats oder offensichtliche Schmerzen sein. Zwar können „Rittigkeitsdefizite“ eines Pferds unter Umständen – mittelbar – auf einem Engstand der Dornfortsätze beruhen, weil Veränderungen der Dornfortsätze – wie der Sachverständige ausgeführt hat – eine mögliche Ursache von Rückenschmerzen sein können. Ein Schmerzgeschehen ist hier jedoch nicht in Erscheinung getreten, denn eine krankhafte (Rücken-) Symptomatik, wie etwa (Druck-)Schmerzempfindlichkeit, hat das Berufungsgericht gerade nicht festgestellt. Den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist bereits nicht zu entnehmen, dass die Klägerin dahingehende Symptome überhaupt dargelegt hat. Daher stehen im gegebenen Fall bloße Widersetzlichkeiten beim Reiten in Rede, bei denen es sich – wie ausgeführt – nicht um klinische Erscheinungen von Kissing Spines handelt. Soweit einzelne Passagen in den Senatsurteilen vom 7. Februar 2007 (VIII ZR 266/06, aaO Rn. 13) und vom 18. Oktober 2018 – VIII ZR 32/16, aaO Rn. 29) anders verstanden werden könnten, hält der Senat hieran nicht fest; vielmehr bedarf es der Feststellung krankhafter Beeinträchtigungen wie etwa Schmerzen, Lahmheit oder einer pathologisch eingeschränkten Beweglichkeit.

40(b) Bloße Widersetzlichkeiten („Rittigkeitsmängel“) stellen – ohne besondere Beschaffenheitsvereinbarung oder besondere Vertragszwecke, wie etwa ein Verkauf als „Anfängerpferd“ – regelmäßig keine gewährleistungspflichtige Abweichung von der Sollbeschaffenheit eines Reitpferds dar. So können bestimmte Formen der Widersetzlichkeit lediglich Ausdruck des natürlichen Verhaltensmusters des Pferds als Fluchttier sein (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag – VIII ZR 2/19, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 1 b bb (3) (b) [zum Durchgehen eines Reitpferds]). Sie können aber auch, wie es im gegebenen Fall in Betracht kommt, auf unzureichender Verständigung zwischen Reiter und Pferd beruhen. Zwar hat das Berufungsgericht reiterliche Fehler, wie etwa eine Überforderung des Pferds durch die Ausbildung bei der Zeugin K. ausgeschlossen. Folgt ein Pferd dem Reiter nicht, sondern widersetzt sich ihm, kann jedoch – auch bei qualifizierten Reitern – nicht ausgeschlossen werden, dass dies weder auf klinischen Symptomen des Pferdes noch dem Reitstil oder der sonstigen Handhabung des Pferdes durch den Reiter beruht, sondern auf einem natürlichen Risiko, etwa – wie der Sachverständige ausgeführt hat – auf einer „Disharmonie“ beziehungsweise einer unzureichenden Verständigung zwischen Pferd und Reiter.

41Entspricht die „Rittigkeit“ eines Pferdes nicht den Vorstellungen des Reiters, realisiert sich für den Käufer daher – wenn nicht klinische Auswirkungen hinzukommen – grundsätzlich lediglich der Umstand, dass es sich bei dem erworbenen Pferd um ein Lebewesen handelt, das – anders als Sachen – mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet ist (…). Der Käufer eines lebenden Tiers kann redlicherweise nicht erwarten, dass er – auch ohne besondere (Beschaffenheits-)Vereinbarung – ein Tier mit „idealen“ Anlagen erhält, mit dem er gänzlich unproblematischen Umgang pflegen und von ihm etwa erhoffte (rasche) Ausbildungsfortschritte und Wettkampferfolge tatsächlich erzielen kann. Dies wird – aus tiermedizinischer Sicht – auch anhand des Röntgen-Leitfadens 2018 deutlich, in dem es unter anderem heißt: „Der Kauf des Lebewesens Pferd wird jedoch weiterhin […] ein nicht mit anderen ‚Handelsgütern‘ vergleichbares Risiko beinhalten […]“ (GPM-Fachinformation, aaO S. 14; siehe auch Stadler/Bemmann/Schüle, aaO S. 120).

422. Das Berufungsgericht hat ebenfalls nicht hinreichend beachtet, dass die Rücktrittsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung – hier am 16. März 2015 – erfüllt sein müssen.

43Dies gilt nicht nur für die Beurteilung der – hier nicht in Rede stehenden – Frage, ob die in der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist und deswegen das Rücktrittsrecht des Käufers ausschließt (…), sondern betrifft auch die vorgelagerte Frage, ob ein (etwaiger) Sachmangel fortbesteht (…). Auch insoweit fehlt es an ausreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts, die jedoch geboten sind, weil das Pferd jedenfalls beim Beritt unter Beobachtung des Sachverständigen Ende Juli/Anfang August 2016 Auffälligkeiten nicht (mehr) gezeigt hat.

443. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der von ihm (fälschlich) angenommene Sachmangel bereits bei Gefahrübergang (§ 446 Satz 1 BGB), hier durch Übergabe an die Klägerin, gegeben war.

45a) Zwar lässt sich den getroffenen Feststellungen der Zeitpunkt der Übergabe nicht unmittelbar entnehmen. Das Berufungsgericht geht jedoch unausgesprochen – und insoweit auch unangegriffen – davon aus, dass der Klägerin das am 5. Oktober 2013 erworbene Pferd noch an diesem Tag übergeben wurde.

46b) Rechtsfehlerfrei – und auch insoweit nicht angegriffen – hat das sachverständig beratene Berufungsgericht festgestellt, dass das Pferd mit an Sicherheit grenzender oder jedenfalls überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits am 5. Oktober 2013 einen anlagebedingten Kissing Spines-Befund aufgewiesen habe, nämlich Veränderungen zwischen den Dornfortsätzen der Brustwirbelsäule zwischen T 11 und T 16.

47c) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt, dass der Engstand der Dornfortsätze, der für sich gesehen nicht pathologisch ist, Ursache der (vermeintlichen) Mangelerscheinung war. Das Berufungsgericht hat vielmehr gemeint, dahingehend bedürfe es einer Entscheidung nicht, weil im Streitfall die Vermutungswirkung des § 476 BGB aF zur Anwendung komme. Dies trifft indes nicht zu. Das Berufungsgericht hat bereits nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die vorgenannte Bestimmung im Streitfall überhaupt anwendbar ist (aa). Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vermutungswirkung sind nicht erfüllt (bb).

48aa) Nach § 476 BGB aF wird bei einem Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 Abs. 1 BGB in den Fällen, in denen sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art oder Sache oder des Mangels unvereinbar.

49(1) Zwar ist die vorbezeichnete Vermutung gemäß der für Tiere maßgeblichen Verweisung in § 90a Satz 3 BGB auf die für Sachen geltenden Vorschriften auch beim Kauf eines Pferds entsprechend anzuwenden (…).

50(2) Es steht ebenfalls nicht in Streit, dass es sich um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne von § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, denn die Klägerin hat das Pferd als Verbraucherin (§ 13 BGB) von der Beklagten, einer Unternehmerin (§ 14 Abs. 1 BGB), erworben.

51(3) Das Berufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen getroffen, ob der Anwendungsbereich des § 476 BGB aF deshalb verschlossen ist, weil die – gemäß Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB bis zum 12. Juni 2014 anwendbare – Ausnahmeregelung des § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB aF eingreift. Danach gelten die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (und damit auch § 476 BGB aF) nicht in den Fällen, in denen gebrauchte Sachen in einer öffentlichen Versteigerung (seit dem 13. Juni 2014: in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung, § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB; zu diesem Begriff siehe § 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB) verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann (zum Begriff der gebrauchten Sache beim Kauf eines Pferdes siehe Senatsurteil vom 9. Oktober 2019 – VIII ZR 240/18, NJW 2020, 759 Rn. 25 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; [zur Versteigerung eines zweieinhalbjährigen Hengstes]).

52Dahingehende Feststellungen waren im Streitfall geboten. Wie die Revision unter Hinweis auf den vorinstanzlichen Sachvortrag der Beklagten zu Recht geltend macht, sehen die von der Beklagten verwendeten Auktionsbedingungen unter Nr. B 1 Satz 1 vor: „Die Auktion findet im Wege einer öffentlichen Versteigerung durch einen öffentlichen und vereidigten Versteigerer statt“. Danach ist es ohne weitere Feststellungen nicht auszuschließen, dass die Anforderungen an eine öffentliche Versteigerung, etwa im Hinblick auf die zur Versteigerung berufene Person (§ 383 Abs. 3 Satz 1 BGB) und die öffentliche Bekanntmachung (§ 383 Abs. 3 Satz 2 BGB), im Streitfall erfüllt sein könnten (zu den vorgenannten Voraussetzungen siehe Senatsurteil vom 24. Februar 2010 – VIII ZR 71/09 NJW-RR 2010, 1210 Rn. 14 f.).

53bb) Zudem hat das Berufungsgericht verkannt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 476 BGB aF nicht erfüllt sind. Die Beweislastumkehr zugunsten des Klägers setzt voraus, dass sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang eine Mangelerscheinung des erworbenen Pferds zeigt. Eine solche ist hier jedoch nicht zu Tage getreten.

54(1) Die Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers tritt zwar bereits dann ein, wenn diesem der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat, der – unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 BGB) begründen würde (…). Damit hat der Senat das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. Juni 2015 (C-497/13; NJW 2015, 2237 – Faber/Autobedrijf Hazet Ochten BV, zu Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter [ABl. EG Nr. L 171 S. 12; Verbrauchsgüterkaufrichtlinie]) umgesetzt.

55(2) Nach dieser Maßgabe kommt die Vermutungswirkung des § 476 BGB aF im Streitfall jedoch nicht zum Tragen, weil „Rittigkeitsprobleme“ durch Widersetzlichkeiten eines Reitpferds keine Mangelerscheinung sind. Wie ausgeführt, handelt es sich nicht um eine Abweichung von der Sollbeschaffenheit eines Reitpferds, sondern um ein natürliches Risiko (siehe oben unter II 1 b bb (3); vgl. auch Senatsurteil vom heutigen Tag – VIII ZR 2/19, aaO unter II 1 b bb (3) sowie unter II 2 b bb (2)). „Rittigkeitsprobleme“ des Reiters mit seinem Pferd sind daher nicht gleichzusetzen mit Mangelerscheinungen unbelebter Gegenstände, wie etwa Getriebefehlern eines Fahrzeugs (…) oder – wie im Fall der durch den Senat umgesetzten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union – einem Fahrzeugbrand.

56Soweit hingegen zum Teil in der Rechtsprechung und im Schrifttum – jeweils ohne Begründung – anklingt, der Verkäufer eines Reitpferds habe – auch ohne Beschaffenheitsvereinbarung – dafür einzustehen, dass es zu „Rittigkeitsproblemen“ nicht komme (…), trifft dies nicht zu. Daher ist der weiteren Annahme, bereits bloße „Rittigkeitsprobleme“ seien geeignet, die Vermutungswirkung des § 476 BGB aF auszulösen (…), die Grundlage entzogen.

57(3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Käufer nach Maßgabe des § 476 BGB aF weder den Grund für die Mangelerscheinung noch den Umstand beweisen muss, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist (…). Zwar läuft dies darauf hinaus, dass der Käufer insoweit lediglich den Nachweis einer Mangelerscheinung, also eines mangelhaften Zustands zu erbringen hat, der – unterstellt, er beruhe auf einer dem Verkäufer zuzurechnenden Ursache – eine Haftung des Verkäufers wegen einer Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde (…). In der gegebenen Fallgestaltung des Kaufs eines Pferds mit „Rittigkeitsproblemen“ geht es jedoch nicht um den Grund einer Mangelerscheinung oder ob sie dem Verkäufer zuzurechnen ist, sondern um die vorgelagerte Frage, ob eine Mangelerscheinung überhaupt gegeben ist.

584. Schließlich hat das Berufungsgericht auch aus dem Blick verloren, dass das Recht des Käufers wegen eines (behebbaren) Mangels vom Vertrag zurückzutreten – wenn nicht einer der gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestände eingreift – ein taugliches Nacherfüllungsverlangen voraussetzt. Dies gilt gemäß § 323 Abs. 1, § 90a Satz 3 BGB auch für den Tierkauf (…).

59Weder hat das Berufungsgericht Feststellungen zu einem Nacherfüllungsverlangen noch zu dessen Entbehrlichkeit getroffen. Zwar hat es die Bestimmung des § 440 BGB, unter deren Voraussetzungen eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ausnahmsweise entbehrlich sein kann, im Rahmen der Anspruchsgrundlage zitiert, dahingehende Feststellungen sind jedoch unterblieben. Die Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung ist gemäß § 437 Nr. 2, § 326 Abs. 5 BGB zwar auch dann entbehrlich, wenn dem Verkäufer beide Varianten der Nacherfüllung unmöglich sind (…). Auch dies ist im vorliegenden Fall jedoch weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

605. Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung allerdings geltend, die Klage sei deshalb unbegründet geworden, weil die Beklagte die Klageforderung nach Verkündung des – vorläufig vollstreckbaren – Berufungsurteils beglichen hat. Zahlungen aufgrund eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils kommt in der Regel Erfüllungswirkung (§ 362 BGB) nicht zu, denn sie sind dahin zu verstehen, dass sie nur eine vorläufige Leistung darstellen sollen und unter der aufschiebenden Bedingung der rechtskräftigen Bestätigung der zugrunde liegenden Verbindlichkeit erfolgen (…).

III.

61Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil nicht auszuschließen ist, dass die erforderlichen Feststellungen zu den Rücktrittsvoraussetzungen noch getroffen werden können.

62Das Berufungsgericht hat dem Sachverständigen – vor dem Hintergrund seiner Rechtsauffassung folgerichtig – keine Vorgaben dahin gemacht, dass ein Sachmangel vorliegend die Feststellung von Krankheitsbefunden erfordert. Es erscheint daher klärungsbedürftig, ob die Einschätzung des Sachverständigen, die im Umgang mit dem (über Jahre von erfahrenen Reitern ausgebildeten) Pferd geschilderten Probleme hätten ihre Ursache „sehr wahrscheinlich nicht in der Ausbildung, sondern in dem Röntgenbefund“, dahin zu verstehen ist, dass es zu einer (auch noch im Zeitpunkt des Rücktritts bestehenden) Rückenerkrankung gekommen ist, die sich etwa in Form von Schmerzen, einer pathologisch eingeschränkten Beweglichkeit oder ähnlichem geäußert hat.

63Auch hat die Klägerin geltend gemacht, das Pferd sei bei etwas stärkerer Belastung nicht in der Lage gewesen, „über die Hinterhand Last aufzunehmen“. Ob dem ein Krankheitswert (etwa in Form von Schmerzen oder einer pathologisch verminderten Kraft oder Beweglichkeit) zuzumessen ist und ein solcher auch im Zeitpunkt des Rücktritts noch vorlag, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls mit sachverständiger Hilfe zu klären, soweit es angesichts der weiteren noch nicht geklärten Rücktrittsvoraussetzungen darauf ankommen sollte.

64Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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Ausreiten mit Hund – Zum Mitverschulden einer Hundehalterin beim Scheuen eines Pferdes

OLG FRANKFURT AM MAIN vom 07.02.2018, Az.: 11 U 153/17

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Tierhalterhaftung lesenswert? Der Hinweisbeschluss betrifft einen Sachverhalt, wie wir ihn tagtäglich im Reiterleben beobachten. Reiter gehen mit ihren Pferden ins Gelände – und zwar in vierbeiniger Begleitung eines Hundes. Worüber sich viele aber wahrscheinlich noch keine Gedanken gemacht haben, ist die Frage, wer eigentlich wie haftet, wenn „doch mal nicht alles gut geht, und es zu einem Unfall“ kommt. Just mit dieser Konstellation hatte sich das OLG Frankfurt am Main zu beschäftigen.

Welche Feststellung hat das Gericht in seinem Hinweisbeschluss getroffen? Wird eine Gruppe erfahrener Reiter von dem Hund einer Reiterin begleitet, trifft die Hundehalterin keine Einstandspflicht aus Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 BGB, wenn das Pferd eines anderen Reiters beim Vorbeilaufen des sich unauffällig verhaltenden Hundes scheut, dann in einen Weidezaun läuft und wenn dieser Reiter dadurch den Halt verliert, abstürzt und sich dabei verletzt.

Wie hat das Gericht seinen Beschluss begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (abrufbar unter OLG Frankfurt a.M. r+s 2018, 501):

Zum einen muss der Kl. sich ein erhebliches Mitverschulden nach § 254 BGB durch die Realisierung der eigenen Tiergefahr des von ihm gerittenen Pferdes anrechnen lassen. Der Grundsatz, dass die auf Seiten des Geschädigten mitwirkenden Sach- und Betriebsgefahr den Ersatzanspruch beschränkt, gilt auch im Bereich der Tierhalterhaftung (vgl. Wagner in: MüKo BGB, 7. Aufl., § 833 Rn. 72; OLG Rostock, Urt. v. 10. 12. 2010 – 5 U 57/10, NJW-RR 2011, 280; OLG Saarbrücken, Urt. v. 14. 7. 2005 – 8 U 283/04, NJW-RR 2006, 969). Unstreitig rannte vorliegend das Pferd nach dem Scheuen im Zusammenhang mit dem Vorbeilaufen des Hundes in einen Weidezaun und erschrak sich daraufhin erneut. Erst zu diesem Zeitpunkt verlor der Kl. den Halt. Dies hatte die Bekl. im Rahmen der Klageerwiderung vorgetragen, ohne dass der Kl. die Angaben nachfolgend bestritten hat. Sie stehen darüber hinaus auch in Übereinstimmung mit den Bekundungen der Zeugin A. Auf Basis dieser Angaben wiegt die Tiergefahr des Pferdes des Kl. mindestens gleich hoch wie die des Hundes der Bekl.

Zum anderen erlangt vorliegend der Umstand, dass der Kl. auf eigene Gefahr einen Ausritt in Kenntnis des freilaufenden Hundes der Bekl. vorgenommen hat, Bedeutung. Dabei kann offenbleiben, ob dieser Gesichtspunkt ebenfalls im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB Bedeutung erlangt oder aber unter dem Gesichtspunkt eines Verhaltens gegen Treu und Glauben zum Ausschluss einer Haftung führt (vgl. hierzu näher BGH, ebenda). Ein Geschädigter handelt jedenfalls selbstwidersprüchlich, wenn er sich Risiken bewusst aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen und er bei Verwirklichung der besonderen Gefahr den Halter aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt (BGH ebenda). Soweit das Bewusstsein einer besonderen Gefährdung Voraussetzung ist (BGH ebenda), liegt dieses auch nach dem eigenen Vortrag des Kl. vor. Der Kl. wusste, dass der freilaufende Hund die Reitergruppe begleitete; er betont selbst, dass der Hund jedenfalls hätte angeleint sein müssen. Dass dies – aus seiner Sicht gefahrerhöhend – nicht der Fall war, war ihm bekannt.

Nach der nach höchstrichterlicher Rspr. in derartigen Konstellationen erforderlichen Interessenabwägung ist vorliegend von einem vollständigen Haftungsausschluss auszugehen. Sowohl der Kl. als auch die Bekl. handelten beim Ausritt im eigenen Interesse; sie nahmen in ihrer Freizeit an einem Vereinsausritt teil. Der Kl. schreibt selbst, dass eine Gefährdung durch den freilaufenden Hund äußerst fernlag. Dies lag zum einen daran, dass sein Pferd hundeerfahren war. Zum anderen verhielt sich der Hund nicht auffällig, sondern lief – auch nach dem klägerischen Vortrag – vollständig unauffällig mit der Reitergruppe bzw. in ihrer Nähe. Soweit der Kl. im Rahmen der Berufungsbegründung ausführt, er habe „nicht damit rechnen müssen, dass der Hund sich so verhält, dass er sein Pferd erschreckt“, liegt das „so verhalten“ des Hundes allein im Vorbeilaufen am klägerischen Pferd mit einem Abstand von 2 m. Dieses Verhalten war bereits bei Antritt des Auftrittes vorhersehbar und für einen freilaufenden Hund typisch. Darüber hinausgehende erhöhte gefahrträchtige Verhaltensweisen des Hundes ergeben sich auch aus der Berufungsbegründung nicht.

Berücksichtigt man darüber hinaus das mindestens mit 50 % zu bewertende Mitverschulden der eigenen Tiergefahr, die sich durch das Erschrecken des Pferdes nach dem Zusammenstoß mit dem Zaun realisierte, erscheint es angemessen, dass der Verursachungsbeitrag der Bekl. als Halterin des Hundes vollständig zurücktritt (vergleichbar auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 14. 7. 2005 – 8 U 283/04, NJW-RR 2006, 969).

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Zur Anrechnung der Tiergefahr des eigenen Hundes bei Biss eines fremden Hundes

OLG KARLSRUHE vom 18.09.2019, Az. 7 U 24/19

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Haftung lesenswert? Die Entscheidung verdient Beachtung, weil sie zutreffend und rechtlich sauber herausstellt, dass es für die Anrechnung eines quotalen Mitverschuldens des Halters des verletzten Tieres – dies erst recht nicht für ein pauschales 50:50 – genügt, dass sein Tier „irgendwie da war“. Vielmehr muss es ein mitursächliches Verhalten des verletzten Tieres gegeben haben. Auch wenn es sich in der Entscheidung um einen Hund gehandelt hat, lassen sich die Grundsätze auf Pferde übertragen!

Feststellungen: (a) Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung des § 833 S. 1 BGB liegt in dem unberechenbaren oder aber auch instinktgemäßen selbsttätigen tierischen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, also der verwirklichten Tiergefahr. Diese setzt grundsätzlich ein über die bloße physische Anwesenheit hinausgehendes Verhalten des Tieres voraus.  (b) Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich (in konkreten Fall eines Hundes), so muss sich der Geschädigte dies entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 S. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen.

Aus den Gründen (mit Angabe der Leseziffern): (12 ff.) Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung des § 833 S. 1 BGB liegt in dem unberechenbaren oder aber auch instinktgemäßen selbsttätigen tierischen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, also der verwirklichten Tiergefahr. Diese setzt grundsätzlich ein über die bloße physische Anwesenheit hinausgehendes Verhalten des Tieres voraus.  Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 S. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen. (17) Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 S. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen (BGH, Urteil vom 31.05.2016, VI ZR 465/15, bei juris Rn. 9).

MPS Pferderecht - Zur Frage, wann Pferde "neu" oder "gebraucht" sind

Sollten Sie über den Beitrag hinaus Fragen zum Thema „PFERD und RECHT“ haben, nehmen Sie doch einfach unverbindlich Kontakt zu uns auf.

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Zur Tierhalterhaftung des Pferdebesitzers und zum Mitverschulden eines Bereiters

OLG SCHLESWIG vom 12.06.2015, Az. 17 U 103/14

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Haftung und Beritt lesenswert? Die Entscheidung verdeutlicht, warum mit der Übernahme des Beritts eines Pferdes nicht per se über die Grundsätze des Handels auf eigene Gefahr eine Haftung des Halters des Pferdes aus § 833 BGB ausgeschlossen ist. Auch liefert die Entscheidung eine anschauliche Darstellung dazu, wann ein Bereiter als Tieraufseher bzw. Tierhüter i.S.d. § 834 BGB anzusehen ist.

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) Wer als selbstständiger Bereiter „Problempferde“ bereitet und hierbei einen Unfall erleidet, kann den Pferdehalter grundsätzlich auch dann aus Tierhalterhaftung nach § 833 BGB in Anspruch nehmen, wenn bei besonders problematischem Verhalten des Pferdes der Tierhalter ihm konkret das weitere Bereiten anheimgestellt hat. Denn allein hierdurch wird der Bereiter nicht aus dem Vertragsverhältnis zum Pferdehalter entlassen und handelt daher auch nicht „auf eigene Gefahr“. (b) Reitet der Bereiter in einer derartigen Situation dennoch und wird er vom Pferd abgeworfen, kann allerdings sein Schadensersatzanspruch in Anwendung des § 254 BGB (im konkreten Fall auf 50 %, da der Bereiter das Pferd am Unfalltag beritten hatte, obwohl dieses an diesem Tag erkennbar widerwillig war und der Bereiter von der Besitzerin explizit auf diesen Umstand hingewiesen worden war) zu kürzen sein.

Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Im Fall des OLG Schleswig war der Kläger der private Krankenversicherer eines als selbstständiger Bereiter und Reitlehrer tätigen Pferdefachwirtes. Dieser hatte mit der Beklagten Halterin des Pferdes einen Vertrag geschlossen, nach dem er das Pferd „S“ ausbilden und ihm vorhandene Unarten wie Schlagen, Buckeln und Steigen abgewöhnen sollte. Nachdem der Bereiter das Pferd bereits vier Monate ausgebildet und mit diesem auch an Turnieren teilgenommen hatte, sollte am Tag des Unfalls, eine weitere Unterrichtseinheit erfolgen. Die Beklagte longierte das Pferd vor dem Bereiten, wobei für diese und den Bereiter erkennbar war, dass das Pferd an diesem Tag wiederum bockte und stieg. Die Beklage bot dem Bereiter darauf an, das Pferd an diesem Tag nicht zu reiten oder es zunächst weiter zu longieren. Der Bereiter erklärte gegenüber der Beklagten jedoch, er müsse die Konfrontation mit dem Pferd eingehen, um den bisherigen Ausbildungserfolg nicht zu gefährden. Als der Bereiter das Pferd im Anschluss ritt, schlug es aus, buckelte und stieg über einen Zeitraum von etwa 10 Minuten hinweg, bis es zum Abwurf kam. Der Bereiter schlug mit dem Kopf auf dem Hallenboden auf und zog sich Frakturen im HWS-Bereich zu, wodurch Heilbehandlungskosten i.H.v. EUR 76.521,84 entstanden sind.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (abrufbar im Volltext unter r+s 2016, 98) mit Angabe der Leseziffern:

(16) 1. Die Bekl. hat für den Schaden in Form der entstandenen und künftig noch entstehenden Schäden aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung gem. § 833 BGB einzustehen. Dieser Anspruch ist gem. § 86 VVG auf die Kl. übergegangen. Die in § 833 BGB begründete Gefährdungshaftung des Tierhalters findet ihren Grund in dem unberechenbaren und selbstständigen Verhalten eines Tieres und der dadurch hervorgerufenen besonderen Gefährdung (BGH r+s 2014, 304 juris Rn. 5; BGH r+s 2006, 301, juris Rn. 7 mwN). Das plötzliche Buckeln und Hochgehen war ein solches, auf die unberechenbare Natur des Tieres zurückzuführendes, selbstständiges Verhalten des Pferdes S.

(17) a) Die Haftung der Bekl. ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr ausgeschlossen. Der VN hat sich zwar in Kenntnis der Unarten des Pferdes und des Umstandes, dass das Pferd am 30. 1. 2012 erkennbar unwillig und die Gefahr eines Abwurfs nicht fernliegend war, dazu entschlossen das Pferd zu bereiten. Dennoch kommt ein Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nicht in Betracht.

(18) Grundlage eines solchen Haftungsausschlusses ist der Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Verhaltens (BGH r+s 2006, 301. Nach der Rspr. des BGH wird im Rahmen der Tierhalterhaftung eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anerkannt. Der Umstand, dass sich ein Geschädigter der Gefahr eines Tieres selbst ausgesetzt hat, ist regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 254 BGB zu berücksichtigen (BGH r+s 2014, 304 juris Rn. 7; BGH r+s 2009, 295; BGH r+s 2006, 301. Bei Personen, die sich – wie hier der VN – aus beruflichen Gründen der Tiergefahr aussetzen, ist ein vollständiger Haftungsausschluss sowohl in Hinblick auf den Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als auch unter Schutzzweckerwägungen abzulehnen (BGH r+s 2014, 304, juris Rn. 9). Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt (BGH r+s 2009, 395, juris Rn. 9). Realisiert sich das mit der Berufsausübung eines Geschädigten notwendigerweise verbundene Risiko, so erweist sich eine Inanspruchnahme des Tierhalters nicht als widersprüchlich.

(18) So liegt es hier. Der VN wurde als Reitlehrer und Bereiter damit beauftragt das Pferd zuzureiten. Aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Bekl. bestand ein triftiger Grund das Pferd an dem Unfalltag zu bereiten und sich hierzu in den Gefahrenkreis des Tieres zu begeben. Der VN handelte somit nicht auf eigene Gefahr, sondern in Erfüllung seiner, der Tierhalterin gegenüber eingegangen vertraglichen Verpflichtung.

(20) Dass die Bekl. dem VN im vorliegenden Fall angeboten hatte, die Unterrichtsstunde auf einen anderen Tag zu verlegen, ändert hieran nichts. Hierdurch wurde der VN nicht aus seinem Vertragsverhältnis entlassen oder der Vertragszweck als solcher verändert. Der VN sah sich in dieser Situation – aus seiner Sicht – mit der Entscheidung konfrontiert, seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Bekl. zu erfüllen und seine Gesundheit einem aufgrund des damaligen Verhaltens des Pferdes erhöhten Risiko auszusetzen oder durch Abstandnahme von einem Beritt den Vertragszweck zu gefährden. Nachdem sich der VN in dieser Situation für die Erfüllung seiner Vertragspflichten entschieden hat, ist es nicht als treuwidrig anzusehen, wenn nunmehr die Kl. aus übergegangenem Recht gegen die Bekl. Ansprüche wegen der Folgen des Abwurfs geltend macht. Wenn sich die Bekl. ihrer Tierhalterhaftung in der damaligen Situation hätte entziehen wollen, hätte sie den VN anweisen müssen, das Pferd nicht zu bereiten, so dass der Inhalt des Vertragsverhältnisses verändert worden wäre. Den Zuritt des Tieres an diesem Tag in das fachmännische Ermessen des VN zu stellen, war hierfür nicht ausreichend.

(21) b) Der grundsätzlichen Tierhalterhaftung der Bekl. steht auch nicht entgegen, dass der VN das Pferd zum Unfallzeitpunkt selbst geritten hat noch, dass er von der Bekl. damit beauftragt wurde, das Pferd zu bereiten. Der VN könnte damit zwar als Tieraufseher iSv. § 834 BGB anzusehen sein (vgl. unter II. 2 b). Die Haftung des Tierhalters nach § 833 BGB greift grundsätzlich aber auch dann ein, wenn der Tieraufseher im Rahmen seiner Aufsichtsführung durch das betreute Tier verletzt wird (BGH r+s 2014, 304, juris Rn. 6).

(22) c) Die Haftung der Bekl. war auch nicht durch einen stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses abbedungen. Abgesehen von der erkennbaren Gefahrträchtigkeit der übernommenen Tätigkeit gab es keine weiteren Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf einen entspr. Willen der Parteien zulassen würden. Die bloße Gefahrträchtigkeit der Tätigkeit genügt aber nicht für die Annahme eines stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses. Darüber hinaus entspricht es auch nicht der Interessenlage der Parteien, dass derjenige, der sich im Interesse seines Auftraggebers der mit seinem Beruf notwendig einhergehenden Tiergefahr aussetzt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, den Tierhalter vollständig von dessen gesetzlicher Haftung entbindet. Dies gilt insbes. unter Berücksichtigung, dass hinter der Bekl. eine Versicherung steht. Ein Haftungsverzicht, der lediglich den Versicherer entlasten würde, entspricht idR nicht dem Willen der Parteien und ihrem wohlverstandenen Interesse (BGH r+s 1992, 373, juris Rn. 14).

(23) 2. Die Tierhalterhaftung der Bekl. aus § 833 BGB ist allerdings in Anwendung des § 254 BGB einzuschränken, weil den VN der Kl. bei der Entstehung des Schadens ein eigener Verursachungsbeitrag traf, der mit 50 % zu bewerten ist.

(24) a) Ein Mitverschulden des VN ist allerdings nicht bereits darin zu sehen, dass er die Aufgabe des Zureitens und damit eine besonders gefahrgeneigte Tätigkeit übernommen hat.

(25) Im Rahmen von § 254 BGB kann lediglich vorwerfbares bzw. unsachgemäßes Verhalten anspruchsmindernd in Ansatz gebracht werden (vgl. auch BGH r+s 1992, 373; BGH r+s 2009, 395, juris Rn. 15). Ein Verhalten ist dabei nur dann als vorwerfbar anzusehen, wenn sich ein Arbeitnehmer aus freier Willensentschließung in eine Gefahrenlage begeben hat, diese Gefahrenlage aber ebenso hätte meiden können (OLG Hamburg, VersR 1965, 1009; vgl. auch OLG Naumburg, VersR 2008, 704).

(26) Mit der Übernahme einer bestimmten Tätigkeit geht das Risiko einher, bestimmte Verletzungen zu erleiden. Hierfür hat der Auftraggeber idR nur einzustehen, wenn ihn seinerseits ein Verschulden trifft, so dass es interessengerecht ist, dem Auftragnehmer nicht gleichzeitig die Gefahrträchtigkeit der von ihm übernommenen Handlung entgegenzuhalten. Sofern der Auftraggeber – wie hier die Bekl. – ein Tierhalter ist, trifft diesen zwar unabhängig von eigenem Fehlverhalten eine Einstandspflicht für etwaige Schäden, die der vom ihm Beauftragte im Zusammenhang mit der Arbeit an bzw. mit dem Tier erleidet. Aus dem Gesetz lassen sich aber keine Anhaltspunkte ableiten, in diesem Fall ausnahmsweise das Berufsrisiko des Auftragnehmers im Rahmen eines etwaigen Mitverschuldens zu berücksichtigen. Allein der Umstand, dass der Auftraggeber einer verschärften Haftung unterliegt, kann nicht dazu führen, das mit der Übernahme einer Tätigkeit verbundene Risiko der eigenen Verletzung anders zu bewerten und hierin bereits ein Mitverschulden zu sehen.

(27) b) Auch die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des VN als Tierhüter an dem Abwurf selbst kommt nicht in Betracht. Grundsätzlich gilt allerdings, dass ein Tieraufseher, der sich wegen der eigenen Schädigung an den Tierhalter hält, im Rahmen des Mitverschuldens auch die Vermutung des eigenen Verschuldens nach § 834 Satz 1 BGB gegen sich gelten lassen muss (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 833 Rn. 21).

(28) Tierhüter ist derjenige, der durch Vertrag jedenfalls als Nebenpflicht die Führung der Aufsicht über das Tier für den Tierhalter und damit die Sorge übernommen hat, dass kein Dritter durch das Tier geschädigt wird (Wagner in MüKo/BGB, 6. Aufl., § 834 Rn. 3; Palandt/Sprau, aaO, § 834 Rn. 2). Bei Zugrundelegung einer eher formalen räumlichen Betrachtungsweise liegt es nahe, den VN nicht als Tierhüter anzusehen. Denn die Bekl. als Tierhalterin war unstreitig während der gesamten Unterrichtsstunde anwesend, so dass sich das Pferd damit noch in ihrem räumlichen Einflussbereich befand. Legt man hingegen eine eher funktionale Betrachtungsweise zugrunde, erscheint es näherliegend, den VN trotz der Anwesenheit der Bekl. als Tierhüter anzusehen. Denn zum Zeitpunkt des Abwurfs hatte der VN die alleinige Einflussmöglichkeit auf das Pferd und aufgrund seines überlegenen Wissens in Bezug auf Pferde hätte für die Bekl. auch kein Anlass bestanden, dem VN bei Problemen zu Hilfe zu kommen. Vielmehr hatte sie ihn gerade wegen ihrer Probleme mit dem Pferd beauftragt, diesem die Unarten abzugewöhnen.

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