Zur Haftung des Tierhalters als Beteiligter bei Schädigung durch mehrere Pferde – Wann realisiert sich die Tiergefahr?

BGH vom 24.04.2018, Az.: VI ZR 25/17

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Tierhalterhaftung lesenswert? Der BGH hat klargestellt, dass es für die Annahme einer Haftung des Halters eines Pferdes nach § 833 BGB nicht genügt, dass sein Pferd „irgendwie dabei bzw. auf der Koppel/Weide anwesend“ war, sondern dieses nachweislich einen „aktiven Beitrag“ geleistet haben muss (siehe unten Rdn. 13). Der BGH hat in seiner Entscheidung daher die Klage gegen die Pferdehalterin abweisen müssen, weil eben nach den Feststellungen zum Sachverhalt nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das Pferd der Beklagten zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ganz unbeteiligt abseits stand.

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) Der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht auf die Verschuldenshaftung beschränkt, sondern erfasst auch die Gefährdungshaftung, insbesondere die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB. (b) „Beteiligter“ i.S.d. § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nur derjenige, dessen Tatbeitrag zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt hat und zur Herbeiführung der eingetretenen Verletzung geeignet war. Im Fall der Gefährdungshaftung bedarf es hierzu einer konkreten Gefährdung des Betroffenen, die geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen. (c) Im Fall der Tierhalterhaftung nach § 833 Satz 1 BGB ist für die Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Voraussetzung, dass sich in dem Verhalten aller als Schadensverursacher infrage kommenden Tiere (im konkreten Fall Pferde)  eine spezifische Tiergefahr gezeigt hat und dass diese spezifische Tiergefahr im Hinblick auf den eingetretenen Schaden kausalitätsgeeignet war.

Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Die Klägerin war Halterin einer Stute, die Beklagte Halterin eines anderen Pferdes. Beide Pferde waren auf demselben Hof untergestellt und wurden vom Stallbetreiber – wie an anderen Tagen auch – zusammen mit zwölf weiteren Pferden auf einen eingezäunten, unbeobachteten Sand- und Gras-Paddock gebracht. Als die Pferde am Abend in den Stall geholt wurden, lahmte die Stute der Klägerin und hatte am rechten hinteren Bein eine leicht blutende Wunde. Über Nacht traten starke Schwellungen auf. Eine daraufhin durchgeführte tierärztliche Untersuchung zeigte erhebliche Beinverletzungen. Die Klägerin verlangte Schadensersatz mit der Behauptung, ihre Stute sei kurz vor dem Zurückholen in den Stall von einem anderen Pferd getreten worden, weil die Herde auf dem Paddock in Unruhe geraten sei. Die Klägerin trägt vor, der Umstand, dass nicht feststehe, ob das Pferd der Beklagten ihre Stute getreten habe, könne nicht relevant sein.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (Mitgeteilt mit Anmerkungen von Professor Dr. Johannes Wertenbruch, Marburg, abrufbar unter NJW 2018, 3439):

(9) Wird durch ein Tier eine Sache beschädigt, so ist nach § 833 S. 1 BGB derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, wobei eine Sachbeschädigung im Sinne dieser Vorschrift auch dann vorliegt, wenn – wie im Streitfall – ein (anderes) Tier verletzt wird (§ 90 a S. 2 BGB; vgl. ferner Senat, BGHZ 67, 129 = NJW 1976, 2130). Die Gefährdungshaftung nach § 833 S. 1 BGB setzt allerdings voraus, dass sich im Unfall eine „spezifische“ oder „typische“ Tiergefahr desjenigen Tieres verwirklicht hat, dessen Halter in Anspruch genommen werden soll (vgl. nur Senat, BGHZ 67, 129 = NJW 1976, 2130, 130 mwN; NJW-RR 1990, 789 = VersR 1990, 796 [797]; NJW 1982, 763 [764]). Dies ist dann der Fall, wenn ein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbstständiges Verhalten des betreffenden Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat ursächlich geworden ist, wobei Mitursächlichkeit – wie sonst auch – ausreicht (Senat, NJW 2015, 1824 Rn. 12, mwN).

(10) a) Das BerGer. vermochte bereits nicht festzustellen, dass überhaupt ein Verhalten des Pferdes der Bekl. für die Verletzungen der Stute der Kl. ursächlich war. Weder konnte es sich davon überzeugen, dass das Pferd der Bekl. die Stute der Kl. getreten und deren Verletzung damit unmittelbar herbeigeführt hat. Noch vermochte es die Gewissheit zu erlangen, dass die Stute der Kl. im Rahmen einer allgemeinen Unruhe, an der das Pferd der Bekl. in jedenfalls mitursächlicher Weise beteiligt war, zu Schaden kam, weshalb auch eine – im Rahmen von § 833 S. 1 BGB ausreichende […] – mittelbare Verursachung der Verletzung der Stute der Kl. durch das Pferd der Bekl. nicht feststeht.

(11) b) Über die fehlende Feststellung eines für die Verletzung der Stute der Kl. ursächlichen Verhaltens des Pferdes der Bekl. Hilft § 830 BGB nicht hinweg. Zwar ist die Vorschrift – was das BerGer. nicht verkannt hat – im Rahmen der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB grundsätzlich anwendbar. Eine Anwendung der Vorschrift des 830 I 2 BGB scheitert im Streitfall aber daran, dass es sich bei der Bekl. nicht um eine Beteiligte im Sinne dieser Vorschrift handelt.

(12) aa) In der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 830 I 2 BGB nicht auf die Verschuldenshaftung beschränkt ist, sondern auch die Gefährdungshaftung erfasst, insbesondere die Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB […] Auch das Halten eines Tieres kann die den Schaden verursachende „Handlung“ iSv § 833 S. 1 BGB sein […].

(13) (Weitere) Tatbestandsvoraussetzung des § 830 I 2 BGB ist aber auch in diesem Fall, dass der in Anspruch Genommene „Beteiligter“ ist. Beteiligter ist dabei nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nur derjenige, dessen Tatbeitrag zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt hat und zur Herbeiführung der Verletzung geeignet war […] Nur mit diesem Verständnis des Begriffs des Beteiligten ist gewährleistet, dass § 830 I 2 BGB – seinem Zweck entsprechend – nur Kausalitätszweifel, nicht aber auch Zweifel darüber überbrückt, ob einem auf Schadensersatz in Anspruch Genommenen überhaupt eine rechtswidrige Handlung zur Last fällt, ob (auch) er also unerlaubt und mit Verletzungseignung in die Schutzsphäre des Betroffenen eingegriffen hat […]. Ein solcher Eingriff in die Schutzsphäre des Betroffenen liegt auch im Fall der Gefährdungshaftung noch nicht allein in dem – abstrakt gefährlichen – Verhalten, an das der jeweilige Gefährdungstatbestand anknüpft, wie etwa dem Halten eines Tieres im Rahmen von § 833 BGB oder dem Halten eines Kraftfahrzeugs im Rahmen von § 7 StVG, mag der Betroffene auch im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit diesem Verhalten verletzt worden sein […] Erforderlich ist vielmehr eine darüber hinausgehende, konkrete Gefährdung des Betroffenen, die geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu […] Im Fall der Tierhalterhaftung nach § 833, 830 I 2 BGB ist Voraussetzung, dass sich in dem Verhalten aller als Schadensverursacher infrage kommenden Tiere eine spezifische Tiergefahr gezeigt hat und dass diese spezifische Tiergefahr im Hinblick auf den eingetretenen Schaden kausalitätsgeeignet war […] Dementsprechend hat der erkennende Senat im Urteil vom 15.12.1970 (BGHZ 55, 100) darauf abgestellt, dass sich alle dort als mögliche Schadensverursacher in Betracht kommenden Reitpferde (gemeinsam) in einer Weise bewegt hatten, die geeignet war, den eingetretenen Schaden in vollem Umfang zu verursachen […].

(14) bb) Nach diesen Grundsätzen war die Bekl. auf der Grundlage der Feststellungen des BerGer. nicht Beteiligter iSv § 830 I 2 BGB. Denn das BerGer. vermochte nicht auszuschließen, dass das Pferd der Bekl. während des verletzungsursächlichen Vorgangs unbeteiligt abseits stand. In diesem Fall hätte die Bekl. aber nicht unerlaubt und mit Verletzungseignung in die Schutzsphäre der Kl. eingegriffen. Dass die Hufe des Pferdes der Bekl. beschlagen waren und das Pferd der Bekl. zusammen mit der verletzten Stute der Kl. auf dem eingezäunten Paddock untergebracht war, ändert daran entgegen der Auffassung der Revision nichts.

Vgl. auch: JuS 2018, 1239 (mitgeteilt v. Prof. Dr. Martin Schwab), RÜ 2018, 554 (m. Anm. Claudia Haak)

MPS Pferderecht - ZUR HAFTUNG DES TIERHALTERS ALS BETEILIGTER BEI SCHÄDIGUNG DURCH MEHRERE PFERDE

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Zur DSGVO-konformen Forderungsabtretung eines Tierarztes an eine tierärztliche Verrechnungsstelle

VG MAINZ vom 20.02.2020, Az.: 1 K 476/19.MZ

Feststellungen: (a) Schließt ein Tierarzt mit einer tierärztliche Verrechnungsstelle einen Vertrag, der vorsieht, dass die Forderung abgetreten wird, sobald der Kunde mit der Zahlung der tierärztlichen Leistungen (im konkreten Fall wurde auch eine Vereinbarung über die Auftragsdatenverarbeitung geschlossen), so ist die Abtretung auch ohne Einwilligung des Kunden erlaubt. Als Rechtsgrund für die Übertragung komme – so das Verwaltungsgericht – Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO in Betracht, da die Bezahlung der offenen Forderungen eine Pflicht aus dem geschlossenen Arzt-Kontrakt darstelle. Ebenso könne sich der Tierarzt auf berechtigte Interessen gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO berufen. (b) Durch die Forderungsabtretung, bei der bis zum Verzug des Kunden eine Auftragsverarbeitung vorliegt, tritt keine Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO ein. (c) Mit der Forderungsabtretung sind keine zu einer ausdrücklichen Zustimmung führenden Gesundheitsdaten betroffen, da es ausschließlich um die Gesundheit des behandelten Tieres und nicht des Halters geht.

Gewährleistung beim Pferdekauf

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Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung im Zusammenhang mit einer Ankaufsuntersuchung im Pferdekaufvertrag

OLG HAMM vom 09.03.2010, Az.: 19 U 140/09

Was macht die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Thema Ankaufsuntersuchung lesenswert? Die Entscheidung des OLG Hamm ist lesenswert, weil sie sich in besonderer Ausführlichkeit mit der Frage beschäftigt, wie in einem Pferdekaufvertrag eine Vereinbarung im Zusammenhang mit einer Ankaufsuntersuchung zu lesen bzw. im Zweifel vom Gericht auszulegen ist. Sie macht mit Blick auf die Praxis und die Nutzung von zum Teil diskussionswürdigen Mustern auch nochmals deutlich, dass man sehr genau auf den Wortlaut der Vereinbarung achten sollte und eben unter Umständen das Muster doch nicht das wiedergibt, was man zwischen den Parteien eigentlich vereinbaren und niederschreiben wollte. Kernfragen: Rücktrittsrecht oder echte Wirksamkeitsbedingung? Aufschiebende oder auflösende Bedingung? Bei welchem Befund genau soll die Bedingung greifen?

Welche Feststellungen hat das Gericht getroffen? (a) In der Regel liegt in der Vereinbarung einer Ankaufuntersuchung die Abrede, dass der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen wird, dass der Käufer das Ergebnis der Ankaufuntersuchung billigt bzw. die Untersuchung ohne besonderen Befund bleibt. Sprechen die gesamten Umstände dafür, dass die Parteien keine aufschiebende Bedingung wollten, ist die Vereinbarung vielmehr dahin zu verstehen, dass der Vertrag bei Vorliegen eines „Befundes“ rückgängig gemacht werden kann, ist jedoch von der Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts auszugehen. (b) Ein Rücktrittsrecht von einem bereits geschlossenen Pferdekaufvertrag ist unverzüglich nach Kenntnis des Befundes der Ankaufsuntersuchung auszuüben, d.h. in der Regel binnen zwei Wochen. Andernfalls können Gewährleistungsansprüche wegen bei der Ankaufsuntersuchung festgestellter Mängel nicht mehr geltend gemacht werden.

Was war geschehen bzw. welcher Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde? Am 10. 06. 2008 kaufte die damalige Klägerin von der Beklagten ein Pferd für EUR 6.000. Im Kaufvertrag hieß es u.a.: „Der Wallach ist frei von gesetzlichen Fehlern“. Am 12. 06. 2008 stellte die Klägerin das Pferd in einer Klinik vor, in der sodann ein Kehlkopfleiden festgestellt wurde. Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 05. 07. 2008 an die Beklagte und teilte mit, dass sie das Pferd operieren lassen wolle. Man müsse sich entsprechend nochmals über den Kaufpreis unterhalten. Am 02. 04. 2009 erklärte die Klägerin schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil das Kehlkopfleiden sich leider nicht gebessert hatte. Das erstinstanzlich befaste Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagte hatte Erfolg.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet bzw. welche Feststellungen wurden im Einzelnen getroffen?

Aus den Gründen (Mitgeteilt vom 19. Zivilsenat des OLG Hamm, abrufbar u.a. unter NJW-RR 2011, 66):

II. Die Kl. hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nach §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 346 BGB, da sie den bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Mangel der Bekl. gegenüber nicht unverzüglich angezeigt hat, so dass das Pferd mit den bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Befunden als genehmigt gilt und darauf bezogene Gewährleistungsrechte nicht mehr geltend gemacht werden können.

Die Parteien haben am 10. 6. 2008 einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Wallach zum Preis von 6000 Euro geschlossen. In dem von der Kl. aufgesetzten handschriftlichen Vertrag heißt es: „Eine Ankaufsuntersuchung wird vom Käufer veranlasst und bei Nicht-Befund vom Käufer bezahlt.” Wie diese Vereinbarung zu verstehen ist, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Sinn und Zweck einer Ankaufsuntersuchung ist in der Regel, Klarheit über den gesundheitlichen Zustand des Pferdes und gegebenenfalls das Vorliegen bestimmter Eigenschaften oder Anlagen zu bekommen. Die Ankaufsuntersuchung liegt sowohl im Interesse des Käufers als auch des Verkäufers. Für den Käufer bietet die Ankaufsuntersuchung eine Entscheidungsgrundlage dafür, ob er das Pferd kaufen bzw. behalten will. Der Verkäufer hat ein Interesse an Informationen über sein Haftungsrisiko und an der Bewahrung vor nachträglichen Ansprüchen des Käufers auf Grund bekannter Beschaffenheitsmerkmale. In der Regel liegt in der Vereinbarung einer Ankaufsuntersuchung die Abrede, dass der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen wird, dass der Käufer das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung billigt bzw. die Untersuchung ohne besonderen Befund bleibt. Das dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn die gegenseitigen Leistungen noch nicht vor Durchführung der Ankaufsuntersuchung erbracht wurden (OLG Köln, NJW-RR 1995,  113 (114)). Auf der anderen Seite kommt aber auch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) oder eines Rücktrittsvorbehalts (§ 346 Abs. 1 Alt. 1 BGB) in Betracht. Im vorliegenden Fall wurden mit Abschluss des Kaufvertrags die beiderseitigen Leistungen erbracht. Darüber, was geschehen soll, wenn die Ankaufsuntersuchung einen nachteiligen Befund erbringt, wurde zwischen den Parteien nach ihren Erklärungen in der Sitzung nicht ausdrücklich gesprochen. Nach der Formulierung im Kaufvertrag gingen die Parteien vielmehr davon aus, dass mit einem nachteiligen Befund nicht zu rechnen war, es also voraussichtlich bei dem Vertrag verbleibt. Die gesamten Umstände sprechen dafür, dass die Parteien keine aufschiebende Bedingung wollten, vielmehr ist die Vereinbarung aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers dahin zu verstehen, dass der Vertrag bei Vorliegen eines „Befundes” rückgängig gemacht werden kann. Dass die Vereinbarung keine klare Definition enthält, was unter „Befund” zu verstehen ist, und dass die Kl. auch bereit war, das Pferd beim Vorliegen bestimmter Befunde zu übernehmen, wie sich daran zeigt, dass sie das Pferd trotz des bereits bekannten Chip und der Herzerkrankung abnehmen wollte, spricht ferner dafür, dass die Parteien davon ausgingen, dass die Kl. eine Entscheidung treffen sollte, ob der Vertrag beim Vorliegen eines „Befundes” rückabgewickelt werden sollte oder nicht, die Parteien also ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbaren wollten.

Im schriftlichen Vertrag ist keine Regelung enthalten, wann die Ankaufsuntersuchung durchgeführt werden soll und wie lange die Kl. von dem vereinbarten Rücktrittsrecht Gebrauch machen kann. Die Kl. hat hierzu in ihrer mündlichen Anhörung erklärt, es sei bei Vertragsabschluss darüber gesprochen worden, dass die Ankaufsuntersuchung in den nächsten Tagen, wohl spätestens in einer Woche stattfinden sollte. Ob und wie lange die Kl. dann von einem Rücktrittsrecht Gebrauch machen kann, wurde nicht besprochen und ist daher durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Gegen die Vereinbarung eines unbeschränkten Rücktrittsrechts innerhalb der Gewährleistungs- und Verjährungsfristen spricht, dass eine solche Vereinbarung, sofern sie sich auf Mängel bezieht, auf Grund der gesetzlichen Regelungen überflüssig wäre. Anhaltspunkte dafür, dass der Kl. ein über die gesetzlichen Gewährleistungsrechte hinausgehendes, unbefristetes Rücktrittsrecht gewährt werden sollte, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr dient die Vereinbarung einer Ankaufsuntersuchung, wie oben dargelegt, dem Interesse beider Parteien. Vorliegend hatte die Bekl. ein Interesse daran, kurzfristig Klarheit über das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung zu erhalten, da sie gegebenenfalls die Kosten übernehmen und mit der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten rechnen musste. Dafür, dass die Parteien davon ausgingen, dass das Ergebnis jedenfalls bei Vorliegen eines „Befundes” unverzüglich mitgeteilt werden sollte, um kurzfristig Klarheit zu bekommen, spricht, dass die Ankaufsuntersuchung innerhalb weniger Tage durchgeführt werden sollte und zum anderen, dass die Kl. sich in ihrem Schreiben vom 15. 7. 2008 dafür entschuldigte, dass sie sich „jetzt erst melde”.

Die Interessenlage ist vergleichbar mit der beim Handelskauf vorgesehenen Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB. Beim Handelskauf wird eine Untersuchungspflicht der Ware durch§ 377 HGB vorgeschrieben, hier wurde sie zwischen den Parteien in Form der Ankaufsuntersuchung vereinbart. Wenn bei der Untersuchung der Sache Mängel festgestellt werden, müssen diese nach § 377 HGB unverzüglich dem Verkäufer angezeigt werden, anderenfalls gilt die Ware als genehmigt und Gewährleistungsrechte können diesbezüglich nicht mehr geltend gemacht werden. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der Umstände und der Interessenlagen auch hier.

Die Mitteilung des bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Kehlkopfpfeifens durch die Kl. ist nicht unverzüglich erfolgt. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB), das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist (BGH, NJW 2005, 1869). Obergrenze ist in der Regel eine Frist von zwei Wochen (Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl. [2010], § 121 Rdnr. 3 m.w. Nachw.). Für die Rügefrist nach § 377 HGB für einen entdeckten Mangel wird in der Regel eine Frist von ein bis zwei Tagen angenommen (Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. [2010], § 377 Rdnr. 35).

Die Ankaufsuntersuchung, bei der der Kl. das Ergebnis unmittelbar mitgeteilt wurde, fand am 12. 6. 2008 statt. Dass bei der Untersuchung „ein Ton” festgestellt wurde, hat die Kl. der Bekl. jedoch erst mehr als einen Monat später, mit Schreiben vom 15. 7. 2008 angezeigt. Soweit die Kl. in der mündlichen Verhandlung angeführt hat, sie habe zunächst überlegt, ob sie das Pferd zurückgeben oder es behalten und eine Operation durchführen lassen sollte, rechtfertigt dies keine längere Rügefrist. Einer Entscheidung, welche Gewährleistungsrechte sie geltend machen wollte, bedurfte es noch nicht. Sie hätte lediglich den Mangel rügen müssen, um sich die Gewährleistungsrechte zu bewahren.

Vgl. auch:  AG Schleswig, NJW 2010, 2893; Marx in: NJW 2010, 2839.

MPS Pferderecht - Zur Frage, wann Pferde "neu" oder "gebraucht" sind

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Zur Haftung bei der Begegnung von zwei Pferden auf einem Landwirtschaftsweg

OLG HAMM vom 16.06.1998, Az.: 27 U 206/97

Feststellungen: Sofern durch die Begegnung von zwei Pferden auf einem Landwirtschaftsweg genannten wechselseitig unberechenbare Reaktionen ausgelöst werden, die bei einem Kutschpferd zu einer unkontrollierten Fahrt des Gespanns über einen angrenzenden Acker führt, bei der sodann die Kutsche kippt und der Fahrer Verletzungen erleidet, haften beide Pferdehalter je zur Hälfte (also 50:50), wenn nicht genau geklärt werden kann, welches der beiden Pferde die primäre Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat.

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Keine Pflicht zum Zurücksenden sperriger Produkte bei Mängeln im Verbrauchsgüterkauf

EuGH vom 23.05.2019, C-52/18 (Fülla/Toolport GmbH)

Welche rechtlich streitige Fragestellung zum Verbrauchsgüterkauf lag der Entscheidung zugrunde? Die Entscheidung beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Frage, ob bei einem Verbrauchsgüterkauf, also einem Kaufvertrag zwischen einem Unternehmer (vgl. § 14 BGB) und einem Verbraucher (vgl. § 13 BGB), in bestimmten Fällen wegen der Art des Verbrauchsgutes, etwa weil dieses besonders schwer, sperrig oder zerbrechlich ist, oder weil im Zusammenhang mit dem im Rahmen der Gewährleistung notwendigen Versand zu dem zur Nacherfüllung verpflichteten Verkäufer besonders komplexe Anforderungen zu beachten sind, die Beförderung (mithin die Rücksendung bzw. der Transport) an den Geschäftssitz des Verkäufers eine erhebliche und letztlich nicht hinzunehmende Unannehmlichkeit darstellt.

Welche wesentlichen Feststellungen hat das Gericht getroffen? Der EuGH hat im Wesentlichen das Folgende festgestellt: (a) Art. 3 III der RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten für die Bestimmung des Ortes zuständig bleiben, an dem der Verbraucher gemäß dieser Vorschrift dem Verkäufer ein im Fernabsatz erworbenes Verbrauchsgut für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitzustellen hat. Dieser Ort muss für eine unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands binnen einer angemessenen Frist ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher geeignet sein, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind. Insoweit ist das nationale Gericht verpflichtet, eine mit der RL 1999/44 vereinbare Auslegung vorzunehmen und gegebenenfalls auch eine gefestigte Rechtsprechung zu ändern, wenn diese auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen dieser Richtlinie unvereinbar ist. (b) Art. 3 II–IV der RL 1999/44 ist dahin auszulegen, dass das Recht des Verbrauchers auf eine „unentgeltliche“ Herstellung des vertragsgemäßen Zustands eines im Fernabsatz erworbenen Verbrauchsgutes nicht die Verpflichtung des Verkäufers umfasst, wenn das Verbrauchsgut zum Zweck der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands an den Geschäftssitz des Verkäufers transportiert wird, einen Vorschuss auf die damit verbundenen Kosten zu leisten, sofern für den Verbraucher die Tatsache, dass er für diese Kosten in Vorleistung treten muss, keine Belastung darstellt, die ihn von der Geltendmachung seiner Rechte abhalten könnte; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts. (c) Art. 3 III in Verbindung mit Art. 3 V zweiter Gedankenstrich der RL 1999/44 ist dahin auszulegen, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens der Verbraucher, der dem Verkäufer die Vertragswidrigkeit des im Fernabsatz erworbenen Verbrauchsgutes mitgeteilt hat, dessen Transport an den Geschäftssitz des Verkäufers für ihn eine erhebliche Unannehmlichkeit darstellen könnte, und der dem Verkäufer dieses Verbrauchsgut an seinem Wohnsitz zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitgestellt hat, mangels Abhilfe binnen einer angemessenen Frist die Vertragsauflösung verlangen kann, wenn der Verkäufer keinerlei angemessene Maßnahme ergriffen hat, um den vertragsgemäßen Zustand des Verbrauchsgutes herzustellen, wozu auch gehört, dem Verbraucher den Ort mitzuteilen, an dem er ihm dieses Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitstellen muss. Insoweit ist es Sache des nationalen Gerichts, anhand einer mit der RL 1999/44 vereinbaren Auslegung sicherzustellen, dass der Verbraucher sein Recht auf Vertragsauflösung ausüben kann. (d) Bei der Beurteilung der Frage, ob im Rahmen der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands einer Sache eine Situation geeignet ist, für den Durchschnittsverbraucher eine erhebliche Unannehmlichkeit darzustellen, sind die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck zu berücksichtigen, für den der Verbraucher dieses Gut benötigte. So könnte in bestimmten Fällen sowohl wegen der Art der Verbrauchsgüter, etwa weil sie besonders schwer, sperrig oder zerbrechlich sind, oder weil im Zusammenhang mit dem Versand besonders komplexe Anforderungen zu beachten sind, als auch wegen des Zwecks, für den ein Durchschnittsverbraucher sie benötigt und für den sie möglicherweise vorab aufgebaut werden müssen, ihre Beförderung an den Geschäftssitz des Verkäufers für diesen Verbraucher eine mit den Erfordernissen des Art. 3 III UAbs. 3 der RL 1999/44 unvereinbare erhebliche Unannehmlichkeit darstellen.

Was macht das Urteil lesenswert? Das Urteil des EuGH ist lesenswert, weil es sich mit der auch für den Pferdekauf spannenden Frage beschäftigt, wo eine Nacherfüllung durch den Verkäufer zu leisten ist, bzw. ob und wie die Art der Kaufsache und die konkreten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Transport zum Verkäufer dazu führen können, dass ausnahmsweise nicht (automatisch) der Wohn- oder Geschäftssitz des Verkäufers maßgeblich ist.

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