Archiv der Kategorie: Pferd und Haftung

Beiträge, Urteile und sonstige Informationen rund um das Thema „PFERD und HAFTUNG“

Zur Haftung beim Besuch einer Reithalle mit Kleinkindern

AG NÜRNBERG vom 18.07.2017, Az. 239 C 1390/17

Zur Haftung beim Besuch einer Reithalle mit Kleinkindern

Feststellungen: (a) Kommt es durch Poltergeräusche auf der Bande einer Reithalle sitzenden Kleinkindes mit seinen Füßen (im konkreten Fall hatte eine Besucherin ihr Enkelkind auf die Bande der Reitbahn gesetzt) zu einem Scheuen eines Pferdes in der Halle und daraufhin zu einer Verletzung der Reiterin (im konkreten Fall führte die Reiterin ihr Pferd, als dieses – mutmaßlich durch die Geräusche verursacht – plötzlich rückwärtsging und die Hand der Klägerin in den Zügel rutschte und nach hinten gerissen wurde; Folge war eine Schulterverletzung der Reiterin), so hat die Besucherin nicht haftend einzustehen, da sich im Scheuen des Pferdes letztlich lediglich eine Tiergefahr verwirklicht und ein solcher Ablauf für die Besucherin und ihr Enkelkind auch nicht vorhersehbar ist. Zwar mag das Verhalten der beklagten Besucherin – so das Gericht – ursächlich für die Verletzungen der klagenden Reiterin gewesen sein, jedoch genüge dies alleine nicht für eine Haftung, da der Schaden in konkreten Fall nicht adäquat zurechenbar sei. Die beklagte Besucherin habe sich überwiegend sozialadäquat verhalten, da ein Besuch der Reithalle grundsätzlich erlaubt und es sei auch nachvollziehbar sei, dass einem Kleinkind (die beiden Enkel waren 3 und 5 Jahre) ermöglicht werden soll, den Reitern in der Reitbahn und den Pferden auch zusehen zu können. Zwar habe die Besucherin, so das Gericht weiter, geringfügig eine Grenze überschritten, da die Füße des Kindes in das „Reitfeld“ hineinragten, maßgeblich für die Verletzungen und damit den Schaden sei jedoch das Verhalten des Pferdes, welches grundsätzlich in der Sphäre der Reiterin liege. Für die Beklagte sei es schlicht nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen, dass das Pferd auf das Poltergeräusch derart schreckhaft reagieren würde. (b) Die Bewertung der Vorhersehbarkeit eines Schadenseintritts kann sich dadurch ändern, dass vor Betreten der Reithalle darauf hingewiesen wird, dass man sich in der Reithalle grundsätzlich geräuscharm zu verhalten hat. Ein solcher Hinweis hat hierbei u. a. zu beinhalten, dass Pferde auch durch alltägliche Geräusche, wie z. B. das Treten eines kleinen Kindes gegen die Innenseite der Absperrung (Bande der Reitbahn), erschreckt werden könnten.

Informieren Sie sich doch auch gleich zu anderen Themen im Bereich „Haftung und Reithalle“, z.B. mit dem Beitrag Verkehrssicherungspflichten und Kaltstart in der Halle.

MPS Pferderecht - Haftung für Kleinkinder in der Reithalle

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Ausritt bzw. Handeln auf eigene Gefahr (Reiter vs. Hundehalter)

OLG Frankfurt am Main vom 07.02.2018, AZ.: 11 U 153/17

Zu konfligierenden Ansprüchen aus Tierhalterhaftung, wenn Pferd durch vorbeilaufenden Hund erschreckt wird (Handeln auf eigene Gefahr)

Feststellungen: (a) Wer in Kenntnis eines freilaufenden Hundes an einem gemeinsamen Ausritt teilnimmt, kann den Hundehalter nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn sich das Pferd beim Vorbeilaufen des Hundes erschreckt (Gesichtspunkt: Handeln auf eigene Gefahr). (b) Es stehen dem Reiter Ansprüche gegen den Hundehalter aus Tierhalterhaftung nach § 833 BGB nicht zu, wenn sich dieser bewusst und freiwillig den Risiken aussetzt, die durch einen mitlaufenden Hund beim Ausritt resultieren. Solange der Hund sich nicht gefahrträchtig verhält, treten etwaige Verursachungsbeiträge des Hundehalters, die zum Scheuen des Pferdes und in der Folge zu Schäden am Reiter geführt haben, gänzlich hinter die selbst vom Reiter geschaffenen Gefahrenmomente zurück. Dem Reiter wird die Tiergefahr des von ihm gerittenen Pferdes im Rahmen des Mitverschuldens voll angerechnet.

Lesen Sie doch auch einmal weitere Beiträge, u.a. den folgenden zum Thema Handeln auf eigene Gefahr bzw. Zusammentreffen von Hund und Pferd.

MPS Pferderecht - Handeln auf eigene Gefahr - zu konfligierenden Ansprüchen aus Tierhalterhaftung, wenn Pferd durch vorbeilaufenden Hund erschreckt wird

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Haftung wegen Pferden im Karneval

OLG KOBLENZ vom 08.05.1991, Az. 5 U 1812/90

Zur Tierhalterhaftung bei Unfällen mit Pferd im Karneval

Feststellungen: (a) Wer als Pferdehalter zum Ziehen eines Gespanns an Karneval Pferde eingesetzt, die sonst nur im Wald eingesetzt werden und noch nie einen Wagen gezogen haben (im konkreten Fall trugen diese auch keine Scheuklappen und wurden von zwei fremden Personen geführt), verletzt seine Sorgfaltspflichten. Brechen die Pferde aus, so haftet der Pferdehalter nach § 833 Satz 1 BGB aufgrund eines dadurch entstandenen Schadens. (b) Der Umstand, dass es sich um Kaltblutpferde handelt, die grundsätzlich als friedfertig gelten, ändert die rechtliche Bewertung nicht. Denn die allgemeine Friedfertigkeit schließt das unberechenbare tierische Verhalten und damit die zur Haftung führende Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr nicht aus.

Ggf.  interessant ist auch folgender Artikel: Tierhalterhaftung bei mehreren beteiligten Pferden.

MPS Pferderecht - Haftung für Pferde im Karneval

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Stellen Röntgenbefunde für sich einen Sachmangel dar?

BGH vom 18.10.2017, Az. VIII ZR 32/16

Zur Unternehmereigenschaft eines Reitlehrers und zur Sachmängelgewährleistung bei der Veräußerung hochpreisiger Sportpferde („Röntgenbefund als Sachmangel?“)

Feststellungen: (a) Ein Reitlehrer und Pferdetrainer, der ein für sich zu rein privaten Zwecken erworbenes und ausgebildetes Dressurpferd veräußert, ist ohne Hinzutreten besonderer weiterer Umstände nicht als Unternehmer anzusehen und muss sich insoweit nicht die Beweislastumkehr des § 476 BGB entgegenhalten lassen. (b) Solange die Vertragsparteien selbst im Rahmen der Veräußerung eines hochpreisigen Dressurpferd keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, stellen Abweichungen von der physiologischen (Ideal-)Norm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel im Sinne des 434 Abs. 1 BGB dar (im konkreten Fall wurde im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung am rechten Facettengelenk des Pferdes zwischen 4. und 5. Halswirbel ein Röntgenbefund festgestellt). Die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB als Reitpferd ist jedenfalls – so der BGH im vorliegenden Fall, aber auch schon mit BGH VIII ZR 266/06 vom 07.02.2007 – nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehende klinische Symptome entwickeln könnte. Auch gehört es gerade nicht zur üblichen Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht. Ein Käufer – so der BGH – könne schlicht redlicherweise nicht erwarten, ein Tier mit „idealen“ Anlagen zu erhalten, sondern müsse vielmehr grundsätzlich damit rechnen, dass das erworbene Tier gewisse, für Lebewesen nicht ungewöhnliche physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweise. Wolle sich der Käufer insoweit absichern, müsse er eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung treffen. (c) Der Grundsatz, dass Abweichungen von der physiologischen (Ideal-)Norm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel darstellen, gilt unabhängig davon, wie hochpreisig das (Dressur-)Pferd ist und wie vergleichsweise häufig oder (wie im konkreten Fall der Befundung des Facettengelenks) selten der dargelegte Röntgenbefund auftritt

MPS Pferderecht - Röntgenbefunde als Sachmangel

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Landwirt kann verschuldensunabhängig für kontaminierte Silage haften

OLG HAMM vom 02.11.2016, Az.: 21 U 14/16

Zur verschuldensunabhängigen Haftung für die Fütterung kontaminierter Silage (Produkthaftung Landwirt)

Feststellungen: Ein Landwirt, der von ihm hergestellte, kontaminierte Silage (Gärfutter) an ein dadurch erkranktes Pferd füttert, kann dem Eigentümer des Pferdes gegenüber verschuldensunabhängig haften. Im konkreten Fall versorgte der beklagte Landwirt den bei ihm eingestallten Pinto-Wallach und fütterte diesen u.a. auch mit selbst hergestellter Silage. Das Pferd erkrankte daraufhin zusammen mit anderen Pferden, wobei Untersuchungen ergaben, dass bei den Tieren eine Botulismus-Erkrankung ausgelöst worden war, für die nur die Silage als Verursacher in Betracht kam. Nach Ansicht des Gerichts haftet der Landwirt auch ohne eigenes Verschulden für die durch die Botulismus-Erkrankung des Pferdes entstandenen Tierarztkosten. Seine Haftung folge hierbei aus dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG), das ihm eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für den Fehler eines von ihm hergestellten Produktes auferlege. Die hergestellte Silage sei ein Produkt im Sinne des Gesetzes, das durch die Kontamination mit den Botulismus-Erregern einen bestimmungswidrigen Fehler aufgewiesen habe. Der beklagte Landwirt sei zudem der Hersteller dieses Produkts, weil er das in seinem landwirtschaftlichen Betrieb verarbeitete Gras produziert, gemäht und gesammelt habe. Nach dem ProdHaftG hafte auch ein Grundstoffproduzent. Nach dem Wegfall des Haftungsprivilegs für Naturprodukte im Jahre 2000 seien auch die von Landwirten erzeugten Grundstoffe für Nahrungsmittel in die Produkthaftung einbezogen. Darüber hinaus habe der Beklagte das von ihm selbst produzierte und geerntete Gras zwecks Herstellung der Silage weiterverarbeitet. Auch das mache ihn zum Hersteller. Zu Gunsten des Landwirts – so das Gericht – greife keiner der im ProdHaftG geregelten Ausnahmetatbestände. Er habe die von ihm produzierte Silage geschäftlich in den Verkehr gebracht, indem er sie vereinbarungsgemäß an das im Pensionsbetrieb eingestallte Pferd verfüttert habe. Die Gefahr einer Kontamination der Silage, die zur Entstehung von Botulintoxin führen könne, sei zum damaligen Zeitpunkt allgemein bekannt und dem beklagten Landwirt auch bewusst gewesen. Die Kontamination stelle einen Fabrikationsfehler dar, von dem sich der Hersteller nicht entlasten könne. Unerheblich sei auch, ob er die Kontamination mit vertretbarem Aufwand habe feststellen können, weil der Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz auch für sog. „Ausreißer“ hafte.

MPS Pferderecht - Gefährdungshaftung . Produkthaftung . Landwirt . Silage

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