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Beweislastumkehr bei Vollberitt eines Pferdes

BGH vom 12.01.2017, Az.: III ZR 4/16

Zu den Voraussetzungen einer Beweislastumkehr – Pflichtverletzungen bei Vollberitt eines Pferdes

Feststellungen: (a) Bei einem in Vollberitt gegebenen Pferd treffen den Stallbetreiber/Bereiter vielfältige Schutz- und Sorgfaltspflichten. So etwa auch beim Freilaufenlassen des Pferdes – hierbei muss zur Vermeidung einer Gefährdung des Pferdes zum einen die Reithalle in ihrer Ausgestaltung grundsätzlich für den Freilauf von Pferden geeignet sein, zum anderen darf beim Freilaufen kein „Kaltstart“ erfolgen. Das Pferd muss deshalb vor dem Freilaufenlassen durch eine kompetente Person angemessen, z.B. durch vorheriges Reiten, Longieren oder Führen, vorbereitet werden. Die Betreuung des Freilaufens eines Pferdes erfordert also gewisse Ausbilderkompetenzen. (b) Umfasst die Hingabe eines Pferdes in Vollberitt neben der Unterstellung, Fütterung und Pflege auch den Beritt, die Dressurausbildung und die Gewähr einer artgerechten Bewegung des Pferdes auch die Ausbildung der Reiterin, so ist darin ein typengemischter Vertrag mit Schwerpunkt in der Leistung von Diensten (§ 611 BGB) zu sehen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH bildet ein gemischter Vertrag stets ein einheitliches Ganzes und kann deshalb bei der rechtlichen Beurteilung grundsätzlich nicht in dem Sinn in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden, dass etwa auf den Mietvertragsanteil Mietrecht, auf den Dienstvertragsanteil Dienstvertragsrecht und auf den Kaufvertragsanteil Kaufrecht anzuwenden wäre. Der Eigenart des Vertrags wird vielmehr grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt. Eine solche rechtliche Einordnung schließt jedoch nicht aus, auch Bestimmungen des Vertragsrechts heranzuziehen, bei dem der Schwerpunkt des Vertrags nicht liegt, soweit allein hierdurch die Eigenart des Vertrags richtig gewürdigt werden kann. (c) Soweit es bei einem Einstallungsvertrag einzig um die Überlassung einer Pferdebox zur Einstellung des Tieres geht, handelt es sich um einen (Raum-)Mietvertrag (§§ 535, 578 Abs. 2 BGB). Soweit hingegen der Einstallungs- bzw. Pferdepensionsvertrag neben der Unterstellung des Pferdes auch seine Fütterung und Pflege, d.h. auch miet-, kauf- und dienstvertragsrechtliche Elemente, umfasst, so ist eine rechtliche Einordnung als Dienstvertrag zu billigen. (d) Bei der rechtlichen Einordnung eines Einstallungsvertrags ist ein Rückgriff auf das Verwahrungsvertragsrecht grds. nicht alleine deshalb geboten, um den Pferdeeigentümer (so z.B. mittels Beweislastumkehr) vor unzumutbaren Beweisschwierigkeiten zu schützen. Zwar trägt bei einem Schadensersatzanspruch wegen Vertragspflichtverletzung der Anspruchsteller die Beweislast für das Vorliegen einer solchen Obliegenheitspflichtverletzung. Ist die Schadensursache jedoch aus dem Gefahren- und Verantwortungsbereich des Anspruchsgegners hervorgegangen und rechtfertigt die Sachlage den Schluss, dass dieser die ihm obliegende Sorgfalt verletzt hat, so muss er sich vom Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten und hierzu darlegen und ggf. nachweisen, dass ihn im Einzelfall doch kein Pflichtverstoß trifft (sog. Beweislastumkehr). (e) Eine solche Beweislastumkehr kommt nach alledem dann in Betracht, wenn ein zu betreuendes Pferd (in Vollberitt) bei einem Freilauf in der Reithalle in ungewöhnlicher Weise erhebliche Verletzungen erleidet und die mit dem Freilauf zusammenhängende Betreuung des Pferdes nicht geschultem Fachpersonal, sondern allein einer Praktikantin anvertraut wurde, die am Unfalltag erst seit zwei Monaten im Reitbetrieb tätig war.

MPS Pferderecht - Beweislastumkehr - Vollberitt - Haftung nach Gefahrenbereichen

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